Unterschiede zwischen live und online spielen Teil I – Internet Pokerstrategien
Gehen wir von dem Spiel an sich aus, also vom eigentlichen Pokern, gibt es natürlich keinerlei Unterschiede zwischen live und online, die Regeln sind die-selben. Wenn Sie also halbwegs mit den Pokerregeln vertraut sind und wissen, was ein Check, ein Raise und ein Flush sind, dürften Sie auch im Internet klar-kommen. Doch das war’s dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
Onlinepoker: weltweit, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche
Kommen wir zunächst mal zu einem der wichtigsten Unterschiede überhaupt: Im Internet gibt es keine Öffnungszeiten. Das bedeutet, dass der interessierte User zu jeder Tages- und Nachtzeit eine Partie Poker spielen kann. Da es bei den verschiedenen Anbietern User aus aller Welt gibt, wird auch immer gespielt. Wenn die einen schlafen, sind die anderen gerade am Zocken. Ist es in Deutschland Mitternacht, bricht in den USA gerade der Tag an. Müssen Ihre Freunde arbeiten und Sie haben Urlaub, gibt es im Internet genügend Leute, die ebenfalls nicht arbeiten müssen und an einer Partie interessiert sind. Zudem bietet sich hier die Möglichkeit, gegen Personen aus der ganzen Welt zu spielen. So kann es durchaus sein, dass Sie zusammen mit Spielern aus Amerika, Russland und Skandinavien an einem Tisch sitzen. Sie erfahren so auch etwas über die verschiedenen Stile und können so feststellen, ob etwas an der Behauptung dran ist, dass die Skandinavier so aggressiv spielen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Sie so viele Spiele bestreiten können, wie Sie möchten. Genau aus diesem Grund wird im Internet wesentlich mehr gegambelt als bei Livespielen: Stellen Sie sich vor, Sie melden sich zu einem Livespiel an, das zu einer bestimmten Uhrzeit startet. Natürlich gibt es hier zunächst mal die Möglichkeit, nur einmal an diesem Turnier teilzunehmen. Sie nehmen sich extra für dieses Event frei, fahren zum Austragungsort – müssen also eine Menge auf sich nehmen und wollen aus diesem Grund auch ein wenig Spielspaß haben und nicht nach einer halben Stunde wieder nach Hause fahren müssen. Im Internet hingegen können Sie nach einer Niederlage sofort mit dem nächsten Spiel beginnen – falls Ihnen die Lust nicht vergangen ist. Es gibt keinerlei Wartezeiten und Sie müssen auch keine langen Anfahrten auf sich nehmen. Von der Höhe des Einsatzes ganz zu schweigen, da dieser im Internet frei wählbar ist. Und genau hier liegt das Problem.
Onlinepoker fordert höhere Einsätze – mit ungewissem Ausgang
Sie werden bemerken, dass im Internet viel häufiger gecallt und geraist wird. Manchmal mit Karten, bei denen Sie sich fragen, ob der Kerl noch ganz bei Trost ist. Doch genau darauf spielen viele User an: Entweder haben sie Glück und verdoppeln sich oder sie sind halt raus und bestreiten sofort das nächste Spiel, bei dem es genauso weitergeht. Besonders bei niedrigen Blinds ist dies relativ häufig der Fall. Sie sollten sich aber nicht täuschen lassen: Auch bei höheren Blinds gibt es Gambier.
Gehen wir an dieser Stelle etwas näher auf die Umstände ein und wie Sie darauf reagieren können. Die Höhe der Einsätze: In der Regel spricht man von einem Standardraise in Höhe des dreifachen BB. Im Onlinebereich wird dieser Betrag wesentlich häufiger gecallt als beim Livepoker – aus den oben genannten Gründen. Was für Sie bedeuten würde, Sie müssen einen höheren Einsatz bringen, um die gleiche Wirkung wie beim Livespiel zu erzielen: Spieler zu selektieren.
Bei einem Onlinespiel sollten Sie deshalb den vier- bis fünffachen BB bringen. Für jeden Limper packen Sie einen weiteren BB hinzu. Sollten Sie bereits Ante entrichten müssen, wird der Einsatz nochmal erhöht. Dies hört sich im ersten Moment vielleicht etwas übertrieben an. Doch Sie können mir glauben, dass der dreifache BB sehr leichtfertig gecallt, bei einer höheren Summe jedoch eher gepasst wird. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Beispiel aus eigener Erfahrung erzählen: Ich nahm an einem großen Onlineturnier teil, bei dem sich fast 3.000 Personen angemeldet haben – ein hartes Stück. Ich spielte recht solides Poker und kämpfte mich durch 2.700 Leute. Die Blinds waren nun schon recht hoch, mein Stack nicht mehr der größte und ich musste bald etwas tun. Zu diesem Zeitpunkt bekam ich in der mittleren Position die Asse. Ich raiste den vierfachen BB, in der Annahme, dass die Blinds nun bereits so hoch wären, dass nicht jedes beliebige Blatt callen würde. Da hatte ich mich wohl getäuscht. Nach mir kamen ein Reraise und zwei Overcalls. Was war da denn los? Was müssen die denn für Hände haben? , fragte ich mich. Asse gegen drei mögliche Mitspieler – was für ein Gräuel. Dennoch musste ich an dieser Stelle All-In pushen – auf was sollte ich noch warten? Natürlich gingen die restlichen drei Spieler ebenfalls All-In (zum Teil mit mehr Chips). An dieser Stelle sei erwähnt, dass ein drittes Raise in der Regel auf AA oder KK schließen lässt. Und genauso war es ja auch. Doch denken Sie, darum schert sich irgendjemand? Nicht beim Onlinepokern. Nun war ich auf die verschiedenen Hände gespannt. Ich erwartete ja nicht allzu viel. Als ich das Ergebnis jedoch sah, lief es mir eiskalt den Rücken herunter:
Sind die noch alle bei Trost, dachte ich so bei mir, als auch schon der Flop aufgedeckt wurde:
Da hab ich mit meinen Assen ja nochmal Glück gehabt und ihr wurdet für euer schlechtes Spiel bestraft, dachte ich danach. Den Drilling schlägt wohl keiner mehr. Als dann Runner Runner Pik kam und dem Spieler mit J9 seinen Flush bescherte, half auch alles Schreien nichts mehr: Wie kann man mit J9s gegen drei Leute ein All-In callen, das darf doch nicht wahr sein. Das Schlimme an dieser Geschichte ist, dass solche Spieler für ihr schlechtes Spiel auch noch belohnt werden und das nächste Mal genau denselben Move bringen, weil es ja einmal funktioniert hat. Sie sollten mal darauf achten, wie oft und vor allem welche Raises mit suited Karten gecallt werden.
Denken Sie, in einem Liveturnier wäre genauso gehandelt worden? Natürlich gibt es auch dort Gambier, die denken, alles callen zu müssen. Man könnte sich ja um J9 eine Straight basteln. Wenn es der Stack zulässt, ist das unter Umständen sogar eine korrekte Entscheidung. Doch wenn Sie solch einen Move beim Liveturnier verlieren, können Sie nach Hause fahren. Beim Onlinepokern versuchen Sie Ihr Glück beim nächsten Turnier. Irgendwann klappt’s vielleicht.
Online haben Sie weniger Zeit zum Nachdenken
Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Punkt ist der Zeitfaktor. Natürlich haben Sie bei einer Livepartie auch nicht unendlich viel Zeit. Sie können dennoch etwa eine Minute in sich gehen, sollte die Entscheidung nicht ganz so einfach sein. Im Onlinebereich bleibt Ihnen nur etwa ein Drittel der Zeit, Sie müssen Ihre Entscheidungen also schneller treffen. Besonders für Leute, die sich viel mit Odds, Outs und mathematischen Berechnungen beschäftigen, kann dies ein großes Manko darstellen.
Mehrere Tische auf einmal: Online macht’s möglich
Eine schöne Sache im Onlinebereich ist die Tatsache, dass mehrere Tische gleich-zeitig gespielt werden können. Auch das ist bei einem Liveturnier undenkbar. Man setzt sich hin und muss sich ganz und gar mit dem einen Spiel beschäftigen. Die Gefahr hierbei liegt darin, dass es einem schnell langweilig wird und sich dadurch Fehler einschleichen. Nehmen wir an, Sie bekommen über einen längeren Zeitpunkt keine passable Hand und folden in über 90% aller Fälle. Nach einer gewissen Zeit spielen Sie vielleicht nicht mehr ganz so konzentriert oder wollen einfach auf Teufel komm raus einen Move bringen, um sich mal wieder an der Partie zu beteiligen. Ganz großer Fehler. Beim Pokern brauchen Sie viel Geduld. Wenn Sie die nicht haben, ist das der falsche Sport und Sie sollten sich was anderes suchen. Beim Onlinepokern sieht es da etwas anders aus. Sie öffnen sich einfach zwei oder drei Tische auf einmal und sorgen somit für Abwechslung. Bekommen Sie an einem Tisch über eine Zeit lang mal keine Karten, klappt dies vielleicht an einem anderen Tisch. Sie betätigen immer schön die Fold-Taste, während Sie sich mehr auf den Tisch konzentrieren, an dem Sie Action bekommen. Somit umgehen Sie die Gefahr der aufkommenden Langeweile, die unter Umständen fehlerhafte Moves nach sich zieht.
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