Der tight-aggressive Spieler, Gegner TAG Teil I – neue Pokerstrategien lernen
Wir diskutieren den tight-aggressiven Spielertyp (TAG) zum Schluss, weil es der ideale Spielstil ist, den Sie möglichst kopieren sollten. Nahezu alle Spitzenprofis sowie die besten Spieler in Ihren Partien sind TAGs. Dieser Spielstil ist nicht natürlich. Er wurde fast immer sorgfältig ausgewählt und dann wohlüberlegt verfeinert. Anstatt den natürlichen Bedürfnissen und Träumen der meisten Menschen nachzugeben (wie zum Beispiel die Sehnsucht nach Action, das Bedürfnis nach Anerkennung oder die Furcht vor Konflikten und Risiken), halten TAGs diese Gefühle unter Kontrolle und haben den Spielstil ausgewählt und verfeinert, der der Erfordernis von kontrollierter, selektiver Aggressivität entspricht.
TAGs warten ab, bis sie die richtigen Karten haben und sich die geeignete Situation ergibt, um dann gnadenlos anzugreifen. Ändert sich die Situation oder bekommen sie neue Informationen, drosseln sie das Tempo oder folden sogar. Deren gesamter Spielstil exemplifiziert die wichtigste Grundregel beim Pokern: Tue niemals etwas, ohne einen Vorteil zu haben, und hole dann das Maximum aus diesem Vorteil heraus.
Tight-aggressive Gegner
Jeder mit einer Bewertung zwischen 1 und 3 bei der Kenngröße „tight/ loose“ und zwischen 7 und 9 bei der Kenngröße „passiv/aggressiv“ gilt als tight-aggressiver Spieler (TAG). Viele Prinzipien und Beispiele beziehen sich hauptsächlich auf den Stone Killer (1,9). Je näher die Bewertung eines Spielers diesem Extrem kommt, desto eher agiert, denkt und fühlt er wie ein Stone Killer. Liegt bei einem Spieler eine der beiden Kenngrößen außerhalb des Rasters (über 3 bei „tighter Spielweise“ und unter 7 bei „Aggression“), so befindet er sich außerhalb der mit „tight-aggressiv“ bezeichneten Ecke und einige der Prinzipien gelten für ihn möglicherweise nicht.
Da TAGs die tighte und aggressive Spielweise mit den angrenzenden Ecken teilen, überschneiden sich einige Teile dieses Poker-Artikels mit denen über loose-aggressive beziehungsweise tight-passive Spieler.
Abbildung XV: Tight-aggressive Spieler
Der TAG ist der gefährlichste Gegner. Nahezu alle der besten Profis sind TAGs, genauso wie die besten Spieler in Ihren Partien. Sie kommen nicht, um zu spielen, sondern um zu gewinnen. Für diese Leute ist Poker kein Spiel, zumindest nicht im Sinne einer erholsamen Freizeitbeschäftigung. Sie ordnen fast alles dem Gewinnstreben unter, vielleicht aus ökonomischen Gründen, vielleicht auch, weil sie das Gewinnen an sich so lieben – oft aus beiden Gründen. Sie gewinnen beim Poker Geld. Für einige von ihnen stellt dies die einzige Einkommensquelle dar. Für andere ist es ein „Nebenverdienst“, eine willkommene Aufbesserung ihrer Gehälter oder Renten. All diesen verschafft Poker das Vergnügen am erfolgreichen Wettbewerb und Geldverdienen.
Der tight-aggressive Spielstil ist in keiner Weise natürlich, weil strenge Kontrolle und Aggression nicht natürlicherweise zusammenpassen. Mit sich strenge Leute neigen zur Vorsicht, während aggressive oft Selbstbeherrschung vermissen lassen. Diese Kombination kann man fast nur in Berufen beobachten wie bei Kampfpiloten oder Polizisten. Weil er so unnatürlich ist, entsteht der tight-aggressive Spielstil selten ohne großen Aufwand. Maniacs, Calling Stations und Rocks handeln lediglich nach ihren natürlichen Neigungen, aber „Stone Killers“ werden gemacht, nicht geboren. Diese Spieler haben für die Verfeinerung ihrer Fähigkeiten und die Entwicklung der richtigen Einstellung und Gewohnheiten hart gearbeitet.
Merkmale zur schnellen Wiedererkennung
TAGs sind nicht nur die am schwersten zu schlagenden Gegner, sondern auch am schwierigsten zu erkennen. Die anderen Stile offenbaren die Persönlichkeit des jeweiligen Spielers; man bekommt in der Regel, was man sieht. Da jedoch TAGs für die Entwicklung eines unnatürlichen Spielstils hart gearbeitet haben, besitzen sie oft die Motivation und Disziplin, ein falsches Image aufzubauen.
Einige von ihnen „sprechen loose, aber spielen tight“. Viele dieser Spieler treten charmant und umgänglich auf. Andere wiederum verhalten sich gewollt widerwärtig, um Sie zu ärgern und anzustacheln. Ein paar verhalten sich sogar wie Dummköpfe oder Betrunkene. Warum sollte es sich jemand bewusst mit anderen verscherzen oder sich wie ein Dummkopf oder Betrunkener aufführen? Weil der Respekt der schwachen Spieler ihm weniger wichtig ist als das Gewinnen. Wie es Roy Cooke ausgedrückt hat:
„Nehmen (Sie Ihr) Image an (…), bedienen Sie sich dessen, so gut wie möglich, und versuchen Sie damit das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Und das ist nicht Respekt, sondern das Gewinnen von Chips.“
Wenn sich TAGs entscheiden, ein falsches Image zu vermitteln, wenden sie möglicherweise eines der drei folgenden Prinzipien an:
1. Sie vermitteln das Image, das ihnen den größten Vorteil verschafft, und nicht das, mit dem sie sich am wohlsten fühlen. Sie opfern dem Geld wissentlich Wohlgefühl, Respekt und Zuneigung. Ihr Ziel ist stets, den Vorteil zu vergrößern, indem sie die Gegnerschaft verunsichern.
2. Das Image ist falsch, aber glaubwürdig. Ein unglaubwürdiges Image ist wertlos, aber ein zutreffendes gestattet den anderen, daraus Schlüsse zu ziehen und eine Gegenstrategie zu entwickeln. TAGs finden die Balance, nicht zu viel von sich zu verraten und derart abwegig zu handeln, dass niemand ihnen dies abkauft.
3. Ihr Image basiert auf einer realistischen Einschätzung ihrer selbst und der jeweiligen Situation. Auf diese Weise können sie die widersprüchlichen Erfordernisse zwischen dem idealen Image und den eigenen Grenzen ausgleichen. Das profitabelste Image ist möglicherweise nicht das glaubwürdigste, während das glaubwürdigste eventuell nicht profitabel ist.
Da sich hinter jeder Fassade ein TAG verbergen könnte, müssen Sie alle Merkmale sorgfältig interpretieren. Stellen Sie sicher, dass Sie es mit der Realität zu tun haben und nicht mit einem gewollt falschen Image. Achten Sie weniger auf deren Worte, ein sorgloses und leichtfertiges Verhalten oder eine scheinbar loose Spielweise, die TAGs zur Täuschung ausführen, sondern darauf, wie viele Hände sie spielen, wie oft sie bis zum River dabeibleiben und besonders darauf, wie oft sie raisen, aber den Pot nicht gewinnen.
Wenn jemand häufig foldet, aber einige Pots sehr aggressiv angreift, frühzeitig raist, aber foldet, wenn es nicht nach Plan läuft, und selten bis zum Showdown mitgeht, ohne dann auch zu gewinnen – manchmal mit mittelmäßigen Händen -, handelt es sich ziemlich sicher um einen TAG. Dieses Muster weist bei einem anders wirkenden Spielertyp stark auf einen Stone Killer hin.
Erinnern Sie sich: Diese Spieler sind selektiv aggressiv. Sie wollen keinen fairen Kampf oder ein ausgeglichenes Spiel. Sie gewähren viel Action, aber nur, wenn sie im Vorteil sind. Mit einer Hand zu raisen und zu reraisen, die nur geringfügig besser ist als die anderen, hat nichts mit Zockerei zu tun, sondern mit großem Poker.
Natürlich ist nicht jeder TAG ein guter Schauspieler. Vielleicht versuchen TAGs, Sie zu täuschen, aber einige können Sie entlarven, wenn Sie hart daran arbeiten. Achten Sie dabei auf die folgenden Merkmale.
Merkmal Nr. 1: Disziplin. Die Eigenschaft „diszipliniert“ beschreibt diesen Spielertyp am besten. Es erfordert größte Disziplin, um all die für diesen Spielstil erforderlichen unnatürlichen Dinge umzusetzen. Man muss dafür seinen Wunsch, zu zocken, Kontakte zu knüpfen, zu entspannen und alles andere, was die meisten von uns am Pokertisch machen, unter Kontrolle halten. Ihre Disziplin bestimmt ihr ganzes Handeln.
Merkmal Nr. 2: Wachsamkeit. Diese Spieler sind nahezu immer wachsam. Sie fummeln selten mit ihren Chips herum und erkundigen sich selten nach der Einsatzhöhe oder wer gerade dran ist. Sie wissen, was vorgeht.
Merkmal Nr. 3: Konzentration, selbst nach einem Fold. Die
meisten Spieler schalten ab, nachdem sie gefoldet haben, aber der TAG „arbeitet“ in der Regel weiter, verfolgt die Action, lernt, wie die anderen Spieler agieren, und plant seine zukünftige Strategie.
Merkmal Nr. 4: Nervenanspannung. Einige TAGs können ihren Siegeshunger nicht verbergen. Wenn Sie beispielsweise den Versuch unternehmen, mit ihnen ein Gespräch zu beginnen, ignorieren sie diesen oder reagieren vielleicht sogar ausgesprochen rüde darauf. Die Anspannung ist derart groß, dass man fast hören kann, wie ihr Gehirn arbeitet. Nahezu alle TAGs sind vom Siegeswillen besessen – und einige von ihnen stellen das allzu deutlich zur Schau. Sie schießen quer, beschweren sich über geringfügige Regelverletzungen, werden böse, wenn jemand, der noch gar nicht dran ist, einen Zug macht, kassieren mit voller Absicht die letzten Chips eines schwachen Spielers und verbreiten in der Regel ein zu angestrengtes und ernsthaftes Klima. Sie sollten es besser wissen, aber ihr Siegeshunger überwiegt ihr Urteilsvermögen. Tatsächlich könnte ein TAG mit Unverständnis reagieren, wenn man ihm vor Augen führt, dass seine Heftigkeit andere Spieler vergrault. Er ist stolz darauf und kann nicht verstehen, was es daran auszusetzen gibt.
Merkmal Nr. 5: Heimliche Geringschätzung. TAGs wissen, dass sie gut sind, und einige von ihnen schauen auf die schwächeren Spieler herab. Normalerweise sind sie beherrscht genug, diese Geringschätzung zu verbergen. Sie kritisieren zum Beispiel selten miserable Spielzüge, weil sie die schwächeren Spieler nicht ausbilden oder verjagen möchten. Ein paar begehen jedoch diesen Fehler und noch mehr drücken ihre Geringschätzung dadurch aus, wie sie schwache Spieler ansehen oder mit ihnen diskutieren. Wie sonst auch, sollten Sie beobachten, wie andere auf diese Spieler reagieren.
Wiedererkennungsmerkmal Nr. 1: Unterkühltheit. Wenn niemand einen offensichtlich bekannten Spieler begrüßt, handelt es sich vermutlich um einen tighten Spieler; kaum einer hat es gerne mit einem solchen Spieler zu tun. Unterkühltheit allein vermittelt Ihnen jedoch nicht, ob es sich um einen passiven oder aggressiven Spielertyp handelt. Achten Sie auf die folgenden Merkmale, wenn sie mit Unterkühltheit einhergehen.
Wiedererkennungsmerkmal Nr. 2: Respekt und Sorge, besonders von Seiten der guten Spieler. Das deutet auf ein tight-aggressives Spielverhalten hin. Wenn zum Beispiel ein starker Spieler seinen Platz wechseln und sich links von dem Neuling hinsetzen möchte, ist dieser wahrscheinlich aggressiv. Spüren Sie zudem Unterkühltheit, handelt es sich vermutlich um einen tight-aggressiven Spieler. Wenn ein guter Spieler die Partie wechseln möchte, könnte der Fremde tight-aggressiv sein.
Wiedererkennungsmerkmal Nr. 3: Feindseligkeit, Angst oder sogar Geringschätzung von Seiten der schwachen Spieler. Wenn die schwächeren Spieler, besonders die loose-passiven, verängstigt zu sein scheinen oder den Tisch verlassen möchten und Sie außerdem Unterkühltheit verspüren, handelt es sich vermutlich um einen tight- aggressiven Spieler. Sie fürchten nicht nur seine Fähigkeiten, sondern auch seine Heftig- und Rücksichtslosigkeit.
Wiedererkennungsmerkmal Nr. 4: Bemerkungen über Zähig-, Heftig- und Rücksichtslosigkeit. Diese Gefühle werden manchmal offen ausgedrückt. Achten Sie auf Äußerungen wie: „Der übertreibt es ziemlich.“ – „Der verliert nie.“ – „Für den ist Pokern alles andere als ein Spiel.“ – „Ich liebe es, wenn er verliert.“
Unglücklicherweise kommt es aber eher selten vor, dass diese Gefühle direkt geäußert werden. Da TAGs so schwer zu schlagen sind, müssen Sie sehr konzentriert nach subtilen Signalen Ausschau halten. Und weil diese Spieler so gefährlich sind, sollten Sie sehr hart daran arbeiten, sie zu identifizieren.
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