Das Spiel in einer loose-passiven Partie Teil II – gute Pokerstrategien lernen
Das Spiel in einer loose-passiven Partie Teil I
Veränderung Nr. 5: Sie benötigen in der Regel für den Sieg eine bessere Hand als üblich. Das ist ganz einfache Mathematik: Je mehr Hände beteiligt sind, desto besser muss Ihre Hand sein, um damit zu gewinnen. Weil so viele Spieler callen, werden viel mehr Straights, Flushs und Full Houses vervollständigt. Für den Sieg reicht ein Paar Asse oder Two Pair mit Assen oft nicht aus. Sogar ein Set mit Assen wird gelegentlich geschlagen.
Veränderung Nr. 6: Der Wert von hohen Karten und unverbesserten Paaren sinkt, während der Wert von Draws stark ansteigt. Draws nehmen wegen der äußerst günstigen Pot- und Implied Odds stark an Wert zu. Da niemand raist, kostet es nicht viel, weiter zu drawen. Weil so oft gute Hände komplettiert werden, verlieren hohe Karten und unverbesserte Paare (mit Ausnahme von Assen) viel von ihrem Wert. Othmers Computersimulation von Stud-Händen zeigt, dass der Profit mit AA2 kontinuierlich ansteigt, je mehr Spieler callen, aber der Profit jedes anderen Paares ab einer bestimmten Gegnerzahl sinkt – und dieser Moment tritt mit kleiner werdenden Paaren immer früher ein. KK2 erreicht zum Beispiel bei vier Gegnern den höchsten Punkt, QQ2 (oder schlechter) bei ungefähr zwei Gegnern.
Seine Simulation hat allerdings einen Haken: Die Gegner halten zufällige Karten und bleiben automatisch bis zum River dabei. Allerdings weist in einigen loose-passiven Partien so mancher Spieler genau diese Charakteristik auf. Wegen der zahlreichen Gegnerschaft verliert man mit hohen Karten oder unverbesserten Paaren viel mehr Hände als in einer normalen Partie. Aufgrund der Wahrscheinlichkeiten sind Sie immer noch im Vorteil, aber nicht annähernd so deutlich, wie Sie es vermutlich gerne hätten. Passen Sie Ihre Strategie an, um diesen veränderten Umständen gerecht zu werden, da sich die Regeln unterscheiden, muss sich auch Ihre Strategie unterscheiden.
Eine loose-passive Partie unterscheidet sich tatsächlich so stark von den in den meisten Poker-Portalen diskutierten Partien, dass die darin enthaltenen Ratschläge nicht optimal sind. Die meisten Ratschläge beruhen auf typischen Partien mit höheren Einsätzen, bei denen in der Regel (aber nicht immer) viel tighter und aggressiver gespielt wird. Mit den Strategien, die dort funktionieren, gewinnen Sie auch in loosepassiven Partien, aber nicht so viel wie möglich. Stattdessen sollten Sie Othmers Buch und die Diskussion über „loose Partien“ in Hold’em Poker for Advanced Players: 215t Century Edition und in Seven-Card Stud for Advanced Players: 21st Century Edition lesen. Die folgenden strategischen Anpassungen stimmen mit den darin enthaltenen Empfehlungen überein.
Anpassung Nr. 1: Der Gewinn des Pots hat oberste Priorität.
Praktisch jede Aktion in einer Partie erfordert einen Kompromiss (zum Beispiel zwischen Maximierung der Potgröße und Ihren Gewinnchancen). In anderen Partien wählen Sie oft Aktionen (zum Beispiel Slowplay mit guten Händen), die Ihre Gewinnchancen reduzieren, aber den Pot sehr stark anwachsen lassen. In loose-passiven Partien steigt der Pot derart schnell an, dass Sie häufig betten, raisen, checkraisen oder etwas anderes unternehmen müssen, um die Gegnerzahl zu reduzieren und dadurch Ihre Gewinnchancen zu erhöhen. „Bei einem sehr großen Pot sollte der wichtigste Aspekt Ihrer Strategie dessen Gewinn sein.“
Anpassung Nr. 2: „Spielen Sie gegen LPAs mehr Hände als gegen bessere Spieler.“ Agieren Sie zu tight, verpassen Sie eine Menge Gelegenheiten. Da fast jeder Spieler dabeibleibt und Raises selten sind, können Sie die vierte Karte beim Stud und den Flop bei Hold’em billig sehen. Sie sollten wegen der sehr guten Pot Odds Blätter spielen, die Sie normalerweise folden würden. Im seltenen Fall eines Raise sollten Sie natürlich das Weite suchen (wenn die Odds keinen Call rechtfertigen).
Da es in der Regel viele Calls und nur wenig Raises gibt, können Sie sich fast so verhalten, als seien Sie als Letzter an der Reihe und als hätten mehrere Spieler vor Ihnen gecallt. Es gilt das gleiche Prinzip der Antizipation wie bei der loose-aggressiven Partie. Dort haben wir empfohlen, im Vorgriff auf Raises tighter zu werden, während wir jetzt empfehlen, im Vorgriff auf viele Calls und wenige Raises looser zu agieren. Wenden Sie bei Hold’em Sklanskys Handgruppen an, aber spielen Sie ein oder (wenn die Partie extrem loose-passiv ist) sogar zwei Stufen looser, als es seinen Empfehlungen für eine normale oder anspruchsvolle Partie entspräche.
Sie können in Early Position Hände der Gruppe 5, in Middle Position Hände der Gruppe 6 oder sogar 7 und in Late Position Hände der Gruppe 7 oder sogar 8 spielen. Sklansky und Malmuth kommen zu genau dem gleichen Schluss: In Middle Position „ist es in einer loose-passiven Partie vollkommen in Ordnung, Hände der Gruppe 6 zu spielen (…) Je schwächer Ihre Gegner sind, desto mehr Hände können Sie spielen.“ Seien Sie innerhalb jeder Gruppe großzügiger bei den Händen, die in Pots mit mehreren Gegnern gut abschneiden – spielen Sie daher eher mit Paaren und Suited Connectors als mit ungleichfarbigen hohen Karten.
Anpassung Nr. 3: Messen Sie Draws mehr Bedeutung bei. Wegen der erhöhten Pot- und Implied Odds sind viele Draws spielbar. Es zahlt sich zum Beispiel – selbst in der dritten Setzrunde beim Stud – oft aus, auf Gutshots oder niedrige Open-ended Straights zu drawen. Bei Hold’em können Sie manchmal erfolgreich auf Gutshots oder Backdoor Flushs drawen. Die große Anzahl an Spielern erzeugt ausgezeichnete Pot Odds und Sie werden – wenn Sie Ihre Hand komplettieren – nahezu immer ausbezahlt, häufig von mehr als einem Spieler.
Beim Hold’em sollten Sie innerhalb jeder Gruppe Draws mehr Wert beimessen als hohen Karten. „Wenn Ihre Karten bei diesen loosen Partien gleichfarbig sind, bedeutet dies einen gewaltigen Vorteil (…) [Bei bestimmten Flops] spielen Ihre Gegner Hände, die Ihre nicht schlagen können, wenn diese sich vervollständigt.“
Niedrige Paare sind ebenfalls Drawing Hands und besitzen in diesen Partien wegen der sehr guten Implied Odds einen deutlich höheren Wert. Treffen Sie ein Set, attackieren Sie. Treffen Sie nicht, können Sie folden, ohne viel investiert zu haben. Tatsächlich gibt es dafür eine einfache Faustregel: Kein Set, keine Bet.
Anpassung Nr. 4: Häufiges Betten oder Raisen, mit dem Hauptziel, mehr Geld in den Pot zu bekommen. Es ist ganz einfach: Sie können Ihre Hand oft nicht mit einer Bet schützen. Viele Leute callen sogar für den Preis von zwei Bets genauso schnell wie bei einer Bet. Da jedoch die meisten loosen Calls einen negativen Erwartungswert besitzen, zahlt es sich aus, mit den meisten guten Händen zu betten und zu raisen.
Kehren wir zu dem Beispiel mit dem Paar Asse zurück. Wir haben gesehen, dass Sie mit Assen gegen neun Kontrahenten mit zufälligen Händen 200 Prozent des Einsatzes gewinnen. Die Calls in einer loosepassiven Partie erfolgen nicht mit gänzlich zufälligen Händen, aber oft kommt es dem ziemlich nahe.
Manche Spieler callen mit nahezu hoffnungslosen Blättern. Sie sollten natürlich mit Assen raisen, aber auch mit viel schwächeren Händen als üblich, wie mit einem Paar Neunen vor dem Flop beim Hold’em oder vier Karten zu einem Flush in der zweiten Setzrunde beim Stud, betten beziehungsweise raisen. Sie werden in den meisten Fällen verlieren, aber die größeren Pots, die Sie gewinnen, werden die Verluste mehr als ausgleichen. Außerdem „kaufen“ Sie mit Ihrem Raise gegen diesen Gegnertyp eher eine Free Card.
Auch hierbei gilt einfache Mathematik. Hat eine Bet einen positiven EV (Expected Value = Erwartungswert), dann gewinnen Sie umso mehr Geld, je größer diese ausfällt und je öfter Sie betten. Da der Vorteil auf Ihrer Seite liegt, zahlt es sich oft aus, so viel Geld wie möglich in den Pot zu holen. Auf dem Flop bei Hold’em können Sie beispielsweise mit Top Pair plus schwachem Kicker oder Middle Pair plus Ass als Kicker betten oder sogar raisen. Vielleicht hat Sie jemand geschlagen, aber viele Spieler callen mit besagtem Middle Pair plus schwächerem Kicker, Bottom Pair oder einem Gutshot. Bei diesen Partien rechtfertigen die Pot Odds häufig diese Calls. Ein paar verlorene Seelen callen vielleicht sogar mit noch weniger. (Wenn jedoch ein Raise einige Spieler verjagt, tun Sie vielleicht besser daran, nicht zu betten, sondern einen Check- Raise anzustreben oder möglicherweise in einer späteren Setzrunde
zu raisen, wenn die Einsätze verdoppelt wurden.