Lattek und der große Vertrags-Bluff in 1992 – Fußball Geschichten in Deutschland
Lattek und der große Vertrags-Bluff in 1992
Der Medienrummel war riesengroß. Schon Stunden vor der Pressekonferenz stritten sich die Kamerateams in Schalke um die beste Position. Günter Eichberg, der mächtige Präsident der Königsblauen, hatte geladen und wollte einen ganz großen Coup verkünden. „Der neue Trainer heißt Udo Lattek“, gab der Klinikbetreiber strahlend bekannt und ließ hinterher nähere Informationen zu den getroffenen Absprachen mit dem früheren Kölner Sportdirektor heraus: „Herr Lattek wird von Schalke nur auf Erfolgsbasis bezahlt.“ Das hörte man im finanziell angeschlagenen Gelsenkirchen gerne. Doch es kam noch besser, als Eichberg erläuternd nachschob: „So etwas wie den Udo Lattek habe ich in diesem Fußball-Geschäft noch nichteriebt. Ein wirklich menschlich feiner Typ. Er arbeitet hier in Schalke quasi umsonst.“
Eine dreiste Fehlinterpretation des Vertrages, den Eichberg höchstpersönlich mit Lattek aufsetzte, sogar eigenständig handschriftlich verfaßte. Ein paar Tage später erfolgte die erste Korrektur des Schalke-Bosses: „Natürlich wird Herr Lattek bei uns auch Prämien bekommen. Wie auch die Spieler erhält er für jeden Sieg eine Summe von DM 4.000,-, im Falle eines Unentschiedens immerhin noch DM 2.000,-.“
Doch die Wahrheit sah ganz anders aus. Der Vertrag vom 18. Juni 1992 beweist, dass Lattek ein Vielfaches der von Eichberg zugegebenen Summe gezahlt bekam. Denn anstatt DM 2.000,- waren dem Trainer DM 8.000,- für jeden erzielten Punkt zugesichert worden. Damit hätte Lattek im Siegfalle DM 16.000,- kassiert.
Zuvor aber hatte Eichberg dem Meistermacher früherer Jahre aber bereits ein Startgeld von DM 100.000 zugesagt,
womit sein Aufwand in der knapp sechs Wochen dauernden Vorbereitungszeit abgegolten werden sollte. Viele Fans hatte sich nach dem 2:0-Sieg am zweiten Spieltag 1992 im Dortmunder Westfalenstadion über die überschäumende Freude des Fußball-Lehrers gewundert. Lattek tanzte auf der Außenbahn wie ein wildgewordener Derwisch auf und ab. Den wahren Grund für den Freudenausbruch kann man dem Vertrag entnehmen. Nicht weniger als 1,5 Millionen Mark setzte Eichberg aus, wenn der Trainer mit Schalke nicht nur einen UEFA-Cup-Platz holen würde, sondern auch noch vor dem Rivalen aus Dortmund einlaufen würde. Für die Meisterschaft selbst sah der handschriftliche Vertrag vor, sollte Lattek sogar die stolze Summe von zwei Millionen Mark bekommen, der Pokalsieg hätte ihn immer noch 1,5 Millionen Mark reicher gemacht. Das Erreichen eines UEFA-Cup-Platzes allein hätte Schalke zur Zahlung von einer Million Mark auf das Konto des späteren SPORT-BILD-Chefkolumnisten verpflichtet.
Interessant auch die Zusatzvereinbarungen, die fein säuberlich von Eichberg als „Vermerk“ niedergeschrieben wurden: Mit dem Punkt Übernachtung/ Wohnung war eine luxuriöse Suite im Gelsenkirchener Maritim-Hotel gemeint – obwohl der in Köln beheimatete Lattek nahezu ständig nach Hause fuhr. Kurios auch, dass die Suite nicht gekündigt wurde, als Lattek Anfang 1993 seine Zelte in Gelsenkirchen wieder abbrach. Monat für Monat zahlte Schalke weiter. Auch den weißen Dienst-Mercedes mit dem Kennzeichen GE-UL, der im Vertrag mit „Nutzungskosten für eigenen PKW“ aufgeführt ist. Sogar seine Telefongespräche konnte der Trainer beim Verein abrechnen. Die heutige Nachrichten über die Bundesliga können Sie hier lesen
Wirklich ein Trainer, der nahezu umsonst arbeitete…
Udo Lattek, in der Saison 92/93 der König von Schalke: Er präsentierte sich auf einem Werbestuhl und mit entsprechender Baseball-Kappe.
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