Die häufigsten Fehler im Spiel vermeiden Teil II – neue Pokerstrategien lernen
Gelegentlich werden wir mit einer Reihe von Topkarten verwöhnt. Spiel um Spiel halten wir Träume in unseren Händen – auch wenn sie nicht immer zum Sieg verhelfen, so sind wir doch im Spiel. Und dann, plötzlich, dreht sich alles um. Spiel um Spiel müssen wir passen. Endlich, am Big Blind, halten wir halbwegs spielbare Karten in der Hand; sehen einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass aus 10♥ – 9♣ vielleicht eine Straße werden könnte. Doch nein: Es folgt eine Erhöhung! Eine zweite! Wieder passen wir! Dreißig, vierzig Spiele schon sind wir nicht mehr dabei gewesen.
Und zu allem Übel, einige Male hätten wir mit diesem Müll in der Hand gewonnen!
Und noch dazu, einige Male sehen wir, dass andere ihren Müll spielen und gewinnen!
Während am Tisch Leben herrscht, Action, Chips in den Pot fallen und Pots kassiert werden, sitzen wir irgendwo am Rande, als stille Beobachter – und beginnen uns miserabel zu fühlen! Fragen uns vielleicht sogar, was man über unsere Passivität denken möge. (In Wirklichkeit
kümmert sich niemand um uns, genauso wenig, wie wir uns nicht darum kümmern, wenn andere Spieler passiv in ihrer Ecke sitzen.)
So wie erzählt wird, dass die hässlichste Frau auf der einsamen Insel von Tag zu Tag an Schönheit gewinnt, so erscheinen schlechte Karten in solchen Phasen immer spielbarer zu werden. Hüten Sie sich davor!
Hüten Sie sich auch davor, zu glauben, dass Sie, nach langer Zeit ausnahmslosen Passens, es leichter hätten, zu bluffen! Ihre Gegner haben sich die ganze Zeit über nicht um Sie gekümmert. Sie sind nicht der Einzige, der über lange Zeit hinweg schlechte Karten hat. Kommt plötzlich eine Erhöhung von Ihrer Seite, so wird diese behandelt wie in jeder anderen Situation!
Sie mögen glauben, dass Topkarten für Sie schon lange überfällig seien! Ihr Gegner glaubt das nicht! Ein wirklich guter Gegner, der alle Spieler am Tisch unter Beobachtung hält, wird hier sogar mit größerer Wahrscheinlichkeit erkennen, dass Sie unter Spielhunger leiden! Wir werden in der Folge auch das Thema der Emotionen behandeln – jedenfalls, lassen Sie sich niemals durch lange Phasen schlechter Karten in Ihrem Spiel beeinflussen. Es kann lange dauern, bis das gute Blatt vor Ihnen liegt. Es kann sein, dass Sie trotz dieses guten Blattes verlieren. Es kann auch sein, dass gerade dann alle passen, wenn Sie endlich, nach langem Üben in Geduld, ihr spielbares Blatt vor sich haben! Warten Sie ab und ändern Sie niemals die Wertigkeit der Spielbarkeit. Wenn K – 6 ein schwaches Blatt ist, dann wird es auch dann nicht spielbar, wenn Sie seit einer Stunde nichts Besseres gesehen haben!
Ein weiterer häufiger Fehler ist das ungerechtfertigte Mitgehen nach dem Flop, am Turn oder am River. Von den unverbesserlichen Gambiern, die einer dreifachen Erhöhung mit einer Bauchschussstraße folgen, obwohl sich sogar ein Flush am Tisch anzeigt, abgesehen, auch erfahrene Spieler sind hier nicht immer konsequent.
Wir zählen die Outs, kalkulieren die Quote, errechnen, dass es sich vielleicht gerade noch, knapp ausgehen könnte; sind darauf fixiert, hoffen bereits auf den richtigen Kauf; und plötzlich: Der Spieler vor uns erhöht! Wir sollten passen! Wir wissen, dass wir passen sollten! Trotzdem, ein „aber“ nach dem anderen drängt sich in unsere Gedanken. „Was wäre, wenn die Q♥ nun doch käme?“ (auch wenn es unter 46 unbekannten Karten nur eine einzige gibt!!!) „Was, wenn der Kerl vor mir bluffte?“ „Was, wenn …?“
Sobald wir einen Einsatz leisten, der sich nicht durch die Relation von Wahrscheinlichkeit und Potquote rechtfertigen lässt und der außerdem strategisch völlig sinnlos ist, akzeptieren wir einen Verlust!
So sehr wir uns darüber freuen, wenn uns selbst ein guter Bluff gelungen ist, so sehr fürchten wir es, von anderen ausgeblufft zu werden. Selbst Spielern gegenüber, die ihr vorsichtiges und trockenes Spiel Dutzende Male unter Beweis gestellt haben, ertappen wir uns oft bei dem Gedanken, dass dieser doch irgendwann seine Reputation für einen Bluff nützen muss!
Und somit wären wir bei einem weiteren verbreiteten Fehler, nämlich dem, andere Spieler zu oft des Bluffens zu verdächtigen.
Von ganz wilden Tischen niedrigen Limits abgesehen, wird beim Hold’em nicht übermäßig geblufft. Bluffs sind dann angebracht, wenn von Seiten der Gegner berechtigter Anlass erscheint, dass diese über absolute keine nennenswerten Karten verfügen. Die Wahrscheinlichkeit eines Bluffs lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Somit können wir auch nicht von einer bestimmten Pothöhe ausgehen, ab der es sich lohnen würde, einen Einsatz auf den Verdacht eines Bluffs zu investieren. Grundsätzlich können wir aber davon ausgehen, dass es nur dann sinnvoll ist, einen Spieler eines Bluffs zu verdächtigen, wenn dessen Spielweise, sowohl langfristig als auch im gegebenen Fall, dazu Anlass gibt.
Hüten Sie sich besonders davor, wenn ein Spieler, nachdem er durch allgemeines Passen gewonnen hat, freiwillig seine wertlosen Karten zeigt! Auch wenn es den Anschein erwecken könnte, dass er seine Gegner dadurch bloß verhöhnen möchte, er tut es, dass Sie sich bei seinem nächsten Einsatz daran erinnern werden!!!
Oft nehmen wir mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit an, dass unser Gegner über die passende Karte zur Straße, über den Drilling oder über die Flush verfügt. Wir glauben es ihm! Doch niemand außer uns ist im Pot. Die einzige Möglichkeit, das gute Blatt auch wirklich zu sehen, ist ein Mitgehen unsererseits. Und wir tun es! Und wir sehen, dass wir Recht gehabt haben! Oft sind wir mit unserem guten Instinkt sogar zufrieden! Und ganz vergessen wir, dass wir soeben einen Einsatz verschenkt haben, bloß aus dem einzigen Grund heraus, weil wir es ganz genau wissen wollten!
Bluffen wir selbst zu häufig, ist dies natürlich ein weiterer Fehler! Bluffs und Semibluffs sind nur dann angebracht, wenn sie in die Gesamtstrategie passen; wenn der ganze Aufbau des Spiels, das Verhalten der Gegner und die Gemeinschaftskarten voll berücksichtigt, dazu einlädt.
Waren wir uns mit zwanzig Outs zu sicher, dass wir uns gutkaufen werden, haben den eindrucksvollen Pot gedanklich schon kassiert, und plötzlich fällt die falsche Karte am River, dann kann und darf dies kein Anlass zu einem spontanen Bluff werden!
In solcher Situation wird die Schwäche des Gegners, seine eigene Neugier, sein zu häufiger Versuch, Bluffs aufzudecken, zu unserem eigenen Nachteil. Von der möglichen Transparenz eines derartigen Unterfangens ganz abgesehen!
Sie werden sich im Laufe Ihrer Spielerfahrung sehr oft wundern, warum jemand bei Ihrem letzten Einsatz noch mitgeht, wo es doch so offensichtlich erscheint, dass Sie über unschlagbare Karten verfügen! Ungeachtet, ob es unangebrachtes Misstrauen war oder schlichte Neugier, immer wieder sind es diese einzelnen Einsätze, die am Ende des Spiels unseren Gewinn ausmachen.
Und ebenso werden Sie sich wundern, wenn Sie mit Q – 10 in der Hand, K-J-x-x-xam Tisch, aggressiv erhöhen, jemand geht mit und zeigt im Showdown nichts besseres als A – 10. „Wir konnte er mit diesem Schrott mitgehen?“, mögen Sie sich fragen, während er die Chips vor sich aufstapelt. Es mag sein, dass er Sie durchschaut hat! Vermutlich wäre er aber auch dann mitgegangen, hätten Sie einen K oder einen J im Bunker gehalten! Und im nächsten vergleichbaren Spiel wird er es wieder tun!
Ein weiterer Fehler ist das mangelnde Beobachten und Analysieren des Spiels der Gegner. Natürlich erfordert es enorme und ständige Konzentration, jedem Verhalten jedes Gegners am Tisch Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu kommen Unterhaltungen, Ablenkungen, die eigenen Karten, das Berechnen der Outs und der Potquote. Wollen wir uns aber langfristig als Sieger unter Beweis stellen, dann dürfen wir vor keiner Mühe zurückschrecken, die uns diesen Sieg garantiert.
Jeder Spieler hat seine eigene Spielweise. Mancher ist übervorsichtig, was uns oft dabei hilft, hohe Verluste mit dem zweitbesten Blatt zu vermeiden. Allerdings, wenn von so einem Spieler keine Erhöhung folgt, können wir nicht darauf schließen, dass er mittelmäßige Karten hat oder auf einen guten Kauf wartet. Er könnte das gute Blatt bereits in der Hand halten.
Andere Spieler zeigen nur dann aggressives Verhalten, wenn sie wirklich gute Karten haben. Wiederum andere erhöhen auf gute Kaufchancen. Manche Spieler bluffen häufig, andere nie! Es gibt Spieler, die bluffen, zumindest gelegentlich, aus der ersten Position heraus – sogar gegen mehrere Gegner. Andere bluffen nur als Letzte, nachdem alle gecheckt haben.
Sie können sich nicht wirklich alle Details während einer ganzen langen Sitzung merken. Doch je mehr Sie dem Geschehen Beachtung schenken, desto leichter werden Sie sich tun, mit Konfrontationen umzugehen. Sie werden sich erinnern, dass dieser oder jener Spieler in einer ähnlichen Situation in einer bestimmten Weise reagiert hat.
Insbesondere, wenn Sie selbst gepasst haben, hält Sie nichts vom aufmerksamen Beobachten der Gegner ab. Solange Sie am Pokertisch sitzen, gibt es keine Zeit zum Entspannen oder zum „Vor-sich-hin- Träumen“. Sie nutzen diese passiven Minuten zur Analyse der Gegner. Sie denken mit, aus welchem Grunde er wohl erhöht haben könnte. Sie versuchen, seine Karten einzuschätzen. Ebenso versuchen Sie, die Karten dessen zu erraten, der eben mitgegangen ist. Und, sobald der Flop gefallen ist und eine neue Einsatzrunde folgt, fahren Sie damit fort. Und je mehr Sie sich dieser Praxis widmen, desto häufiger werden Sie feststellen, dass Sie mit Ihrer Vermutung Recht gehaben haben. Und ist dieses ständige Beobachten, Analysieren, Einschätzen zur Gewohnheit geworden, dann werden Sie es mit Selbstverständlichkeit – und ohne sonderliche Extraanstrengung – auch in den Spielen praktizieren, in denen Sie selbst im Pot sind. Es mag sein, dass von all den Punkten, die einen guten Pokerspieler ausmachen, das Reading, das Einschätzen des Gegners, der schwierigste, letztendlich aber auch der wichtigste ist. Je mehr Gegner Sie erfolgreich analysiert und durchschaut haben, desto leichter wird es Ihnen mit der Zeit auch fallen, neue Spieler am Tisch, Spieler, die Sie zum ersten Mal vor sich sehen, schon nach kurzer Zeit zu katalogisieren.