Warum spielen Sie Poker – die Frage aller Fragen beatworten
Stellt man diese Frage, so antworten die meisten „Um Geld zu verdienen“, aber machen sich dabei selbst etwas vor. Erstens verlieren die meisten und jeder Verlierer, der behauptet, Geld zu gewinnen, verkennt die Realität. Zweitens machen wir kaum etwas aus nur einem einzigen Grund. Zum Beispiel arbeiten die meisten von uns nicht allein um des Geldes willen, sondern auch, um andere Bedürfnisse zu erfüllen – wie zum Beispiel, um einen Beitrag zu etwas zu leisten, respektiert zu werden, beschäftigt zu sein und andere Menschen zu treffen. Wenn wir nicht nur um des Geldes willen arbeiten, wie kann dann jemand behaupten, nur des Geldes wegen zu spielen?
Der Grund liegt darin, dass Poker ein Macho-Spiel mit einer Macho- Kultur ist. Das einzige Ziel beim Pokern ist, dem anderen das Geld wegzunehmen. Macho-Gehabe ist dabei so wichtig, dass manche Leute, denen das Gewinnen gar nicht so wichtig ist, behaupten, sie spielten nur, um zu gewinnen. Wir Menschen sind Konkurrenz-Wesen – und konkurrieren in fast allem: beim Pokern, Golf spielen, mit unseren Autos, Häusern und gesellschaftlichen Stellungen, was auch immer. Wir spielen, weil wir gern wetteifern, und viele Menschen nehmen Spiele sehr ernst – selbst wenn es dabei gar nicht um Geld geht. Es gibt ein bekanntes Poster mit dem Aufdruck: „Beim Tennis geht es nicht um Leben und Tod – sondern um viel mehr.“
Da sich der Erfolg beim Poker an dem Geld misst, das wir dabei gewinnen oder verlieren, kommt dem Geld naturgemäß eine höhere Bedeutung zu. Viele Golfspieler spielen, um Geld zu verdienen, aber keiner von ihnen würde laut sagen: „Ich spiele um des Geldes willen.“ Sie spielen zum Spaß – und dass dabei Geld gewonnen werden kann, ist ein angenehmer Nebeneffekt.
Der Mythos, Menschen würden nur oder fast ausschließlich des Geldes wegen spielen, wird von vielen Pokerbüchern genährt. Wenn deren Autoren nicht gewinnen, haben sie auch nichts zu essen. Da für sie das Gewinnen so wichtig ist, erliegen sie der egoistischen Täuschung, zu glauben, dass ihre Leser die gleichen Prioritäten setzen. Zum Beispiel behauptet der Autor eines bekannten Pokerbuchs, Geld zu gewinnen sei der einzige Grund, Poker zu spielen. Das ist völliger Blödsinn! Viele Menschen wollen viele Pots gewinnen, auch wenn das bedeutet, dass sie dabei Geld verlieren. Der Kick, den ihnen der Gewinn all dieser Pots gibt, ist ihnen wichtiger als das, was unterm Strich herauskommt. Warum sonst sollten sie so häufig loose spielen? Sie wissen, dass diese loose Spielweise sie teuer zu stehen kommt, aber der Kick, den ihnen der Gewinn vieler Pots gibt, ist ihnen wichtiger als das Geld.
Für die meisten von uns ist Poker ein Spiel und kein Geschäft. Wir spielen aus unterschiedlichen Gründen, aber meistens, weil wir Spaß daran haben. Die dabei gewonnenen oder verlorenen Dollar erfüllen im Wesentlichen den gleichen Zweck wie das Handicap beim Golfspiel – es ist einfach eine Art, den Spielstand zu ermitteln.
Viele Menschen werden vom Wettkampf angetrieben, vom Gewinnen als solches, dem Verbessern ihres Handicaps und nicht vom Geld. Dazu kommt, dass jeder-selbst der gewinnorientierteste Profispieler – noch von anderen Gründen angetrieben wird, zum Beispiel von der Sehnsucht nach Aufregung, Wettbewerb, dem Wunsch, Kontakte zu knüpfen, oder einfach angenehmem Zeitvertreib.
Jeder, der behauptet, Menschen spielten, um ihre Gewinne zu maximieren, übersieht, was in den meisten Pokerspielen abläuft. Zum Beispiel wenden sich viele Spieler absichtlich vom Geschehen ab oder bitten andere, ihre Karten nicht zu zeigen, da sie so nicht gewinnen wollen. Manche Spieler wollen nicht die Nuts haben, wenn sie sich im Heads-Up mit einem Freund befinden. Und beinahe jeder – dazu gehöre ich selbst auch – nimmt ab und an idiotische Risiken in Kauf, wie beispielsweise das Spielen einer schwachen Hand, das Ignorieren der Pot Odds oder die Konfrontation mit einem besseren Spieler.
Sie können weder ihre eigenen Motive noch die eines anderen Spielers verstehen, ehe Sie nicht verstanden haben, dass das Beharren darauf, die meisten Menschen würden nur des Gewinnens wegen spielen, falsch ist Dieser Standpunkt ist identisch mit dem Grundsatz der Ökonomen, Geschäftsleute wollten ihren Profit maximieren. Bis vor kurzem war die Gewinnmaximierung eine Sache des Glaubens, die Grundlage ihrer Disziplin. Niemand traute sich, dies anzuzweifeln. Schließlich betrachtete Prof. Simon, ein ehemaliger Kollege von mir an der Carnegie-Mellon-Universität, die Arbeitsweise von Geschäftsleuten genauer. Er schrieb, dass die Wirtschaftswissenschaftler Unrecht hätten: statt Gewinnmaximierung streben beinahe alle Geschäftsleute Zufriedenheit an, da der Versuch der Maximierung sie zwingen würde, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollen.
Traditionelle Wirtschaftswissenschaftler sind daraufhin die Wände hochgegangen. Sie schwadronierten und geiferten und warfen ihm fast Ketzerei vor. In einem früheren Jahrhundert wäre er sicherlich verbrannt worden, denn die „Tatsache“, dass Geschäftsleute Gewinnmaximierung betreiben, war für sie ebenso offenkundig, wie die „Tatsache“, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Aber Simon ging aus der Debatte als Sieger hervor und zwar auf genau die gleiche Art und Weise, wie neuzeitliche Wissenschaftler die Betrachtung des Sonnensystems revolutionierten: Er lieferte einen unwiderlegbaren Beweis. Für seine Analyse der Entscheidungsinstanzen von Geschäfts-leuten erhielt er den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Und man kann schlecht behaupten, ein Nobelpreisträger sei nicht bei Sinnen.
Simons Prinzip der Zufriedenheit bedeutet, dass wir – ich, Sie und praktisch jeder andere – einen zufriedenstellenden Betrag gewinnen wollen oder zumindest vermeiden wollen, zu viel Geld zu verlieren. Wir sind nicht bereit, alles für einen höchstmöglichen Gewinn zu tun. Wir müssten Poker als Arbeit betrachten, aber für uns ist es keine Arbeit. Es ist ein Spiel und das sollten wir niemals vergessen. Um Ihre eigenen Motive verstehen zu können, sollten Sie sich eine weitere Frage stellen: Warum spielen Sie so, wie Sie spielen? Jeder Spielstil befriedigt bestimmte Bedürfnisse und behindert andere. Zum Beispiel spielen Calling Stations und Maniacs nicht, weil sie gewinnen wollen (egal, was sie behaupten mögen). Calling Stations spielen, um soziale Kontakte zu pflegen und sich die Zeit zu vertreiben. Maniacs sind im wahrsten Sinne des Wortes süchtig nach Action.