Short-Hand spielen ist nicht schlecht Teil I – neue Pokerstrategien lernen
So nennt man ein Spiel mit merklich weniger als zehn Teilnehmern. Sollte ein Tisch mit zehn Spielern vorübergehend ein oder zwei davon vermissen, sprechen wir üblicherweise noch nicht von Short-Hand. Im Allgemeinen wird dieser Begriff angewandt, wenn sich sechs oder weniger zusammenfinden.
Es gibt somit zwei Möglichkeiten für Short-Hand-Spiele. Entweder ist mangels Besuchern ein Tisch nur halb besetzt, oder es handelt sich um einen Tisch, der grundsätzlich nicht mehr als sechs Plätze anbietet.
Nachdem es eine große Zahl von Spielern gibt, die diese Voraussetzung vorziehen, gibt es sowohl Pokerklubs als auch, und dort noch viel häufiger, Webseiten, die Short-Hand-Tische auf permanenter Basis zur Verfügung stellen.
Was sind nun die markanten Unterschiede? Nehmen wir den typischen und häufig vorzufindenden Tisch mit sechs Spielern als Beispiel: Wir haben nicht neun Gegner, sondern nur fünf. Nicht achtzehn Karten befinden sich in den Händen der Mitspieler, sondern nur zehn. Somit reduziert sich die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Gegner ein Spitzenblatt hält, auf etwas mehr als die Hälfte.
Verfügen wir über ein A mit niedrigem Kicker, erhöht sich die Spielbarkeit schlicht aus dem Grunde, weil die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderer Spieler ebenfalls ein A – und mit höherem Kicker – in der Hand hält, deutlich niedriger ist.
Auf Short-Hand-Tischen werden also schwächere, und somit mehr, Anfangskarten gespielt! Nicht nur, weil die Gewinnwahrscheinlichkeit des einzelnen Blattes auf Grund verringerter Konkurrenz steigt, sondern auch, weil der verbindlich zu erbringende Blindeinsatz uns nun nicht mehr in jedem zehnten, sondern hier in jedem sechsten Spiel trifft.
Diese beiden Faktoren zusammen lockern die Spielweise! Während auf einem durchschnittlich aktiven Zehnertisch meist nicht mehr als drei oder vier Spieler, und oft sogar weniger, den Flop sehen, so sind es auf Sechsertischen sehr häufig vier oder fünf Teilnehmer.
Es gibt Spieler, die auf regulären Zehnertischen gewohnt sind, positiv abzuschneiden, sich auf
Sechsertischen jedoch relativ schwer tun. Bei anderen Spielern ist es jedoch genau umgekehrt. Sicher liegt es an der persönlichen Spielweise, welche der beiden Tischarten wir vorziehen. Ich selbst habe mich, insbesondere in meiner Anfangszeit, auf unterbesetzten Tischen wohler gefühlt; und erst später habe ich mich durch häufiges Turnierspiel (wir sprechen später darüber) an den Zehnertisch gewöhnt. Doch, wie gesagt, nicht jeder ist hier meiner Meinung oder teilt meine Erfahrung. Nachdem die Voraussetzung natürlich für alle Spieler die gleichen sind, kann, was dem einen zum Vorteil gereicht, dem anderen zum Nachteil werden.
Wie bereits erwähnt: Ein Unterschied – und somit möglicher Vorteil – ist die lockere Spielweise der meisten Teilnehmer.
Gelegentlich wird behauptet, dass die Möglichkeit zu bluffen hier höher sei. Meine eigene Erfahrung stimmt damit aber nicht unbedingt überein. Die (fälschliche) Überlegung ist die, dass, wenn weniger Spieler am Tisch sitzen, es somit auch weniger Möglichkeiten von zum Flop passenden Anfangskarten gibt. Dem setzt sich aber die Spielbereitwilligkeit entgegen! Wie ich erwähnt habe, bleiben am Sechsertisch ebenso viele Spieler wie am großen, und oft mehr, mit ihren Anfangskarten im Pot. Das heißt, die Zahl der Opponenten ist zwar vor dem Flop geringer, am Flop aber nicht mehr.
Hier soll aber kein Problem vorliegen, denn, wie in jedem Fall, wir haben alle Informationen zur Verfügung, die uns erlauben, die Wahrscheinlichkeit zu berechnen. Nun aber ein großer Vorteil: Wenn auch die Voraussetzungen zum Bluffen keine günstigeren sind, so fühlen sich doch sehr viele Spieler eher dazu motiviert! Nachdem nun alle mit dieser Erfahrung konfrontiert sind, so steigt auch die Bereitwilligkeit, mit schwächeren Karten mitzugehen, weil der erbrachte Einsatz oder die vorgenommene Erhöhung letztendlich auf einen Bluff zurückzuführen sein könnte.
Das bedeutet wiederum, dass, wenn Sie gute Karten in der Hand halten, es am Sechsertisch paradoxerweise seltener als am Zehnertisch passiert, dass alle anderen passen. Ergo: Die seltenen wirklich guten Karten führen zu höheren Gewinnen.
Die gesteigerte Bluffbereitwilligkeit führt auch dazu, dass in Fällen geringerer Spielbeteiligung öfters Versuche unternommen werden, einzelne Gegner (durch Platzieren eines Einsatzes in jeder Runde) aus dem Pot zu pressen. Verfügen wir hier über ein schwaches Paar oder oft sogar lediglich über ein einziges A, so kann auch dies zu willkommenen Gewinnen führen.
Nachdem allgemein mehr Karten spielbar werden, sind wir somit auch wesentlich öfter im Spiel. Ansonsten oft wirklich langweilige Phasen, eine und oft sogar zwei Stunden, Spiel um Spiel zu passen, passieren uns hier wesentlich seltener. Auch nimmt jedes einzelne Spiel natürlich weniger Zeit in Anspruch. Nachdem wir als gute und überlegene Spieler davon ausgehen, dass wir in jedem Spiel über einen prozentualen Vorteil verfügen, sollte hier die höhere Anzahl von Spielen pro Stunde auch zu höheren Einnahmen führen.
Als Nachteil wird gelegentlich auch erwähnt, dass der Blindeinsatz öfter zu erbringen sei. Ein Nachteil, der auf alle Spieler gleichermaßen zutrifft, neutralisiert sich naturgemäß als solcher. Wenn Sie wollen, können Sie, aus folgendem Grund, diesen Umstand gerne auch als Vorteil bezeichnen:
Die anderthalb Blindeinsätze sind der Kern des Pots! Ihr danach erbrachter Einsatz, gerechtfertigt durch Ihre Karten, wird von einem anderen Spieler gehalten, der ebenso über entsprechende Karten verfügt. Es ist das erste Ziel im Pokerspiel, diesen Blindeinsatz, der ohne Karteneinsicht, also auf rein zufällig zugeteilte und somit aller Wahrscheinlichkeit nach schlechte Karten erbracht worden ist, zu kassieren.
Haben Sie am Zehnertisch neun Gegner, mit denen Sie den Wettstreit um den Blindeinsatz austragen, so sind es hier nur fünf! Ein überaus bedeutender Vorteil am Sechsertisch ist die wesentlich höhere Summe von Informationen über das Spielverhalten der Gegner! Allein schon der Umstand, dass Sie nur fünf Spieler unter Beobachtung halten, gibt Ihnen viel mehr Zeit, sich dem einzelnen zu widmen. Natürlich ist es wesentlich leichter, die spezifischen Merkmale, Hand-lungen, Eigenschaften, Fehler, Tendenzen von entsprechend weniger Spielern im Gedächtnis zu behalten. Durch das schnellere Spiel und die häufigere Beteiligung am Pot sammeln Sie die angebotenen Informationen auch rascher ein. Nicht jedes zehnte Spiel, sondern jedes sechste gewinnt der Einzelne im Durchschnitt. Somit ist er auch öfters am Showdown beteiligt. Rascher und umfassender erstellen Sie das Profil für jeden Ihrer Gegner.
Beim Zählen der Outs und Berechnen der Potquoten gibt es natürlich keinerlei Unterschied, verglichen mit dem Zehnertisch. Widmen wir uns somit der Spielbarkeit der Anfangskarten:
Wenn Sie als Erster, also neben dem Big Blind, das Wort haben, dann haben Sie nicht neun, sondern nur fünf Spieler vor sich. Das bedeutet, dass Sie in einer ähnlichen Situation sind wie in der mittleren Position am Zehnertisch. Dementsprechend können Sie auch die Spielbarkeit der Karten bewerten. Kurz, alle Karten, die in unserer Tabelle und in späterer Analyse als für die mittlere Position spielbar bewertet worden sind, können im Short-Hand-Spiel als immer spielbar eingestuft werden.
Vor Assen mit niedrigem Kicker haben wir gewarnt. Warum? Weil die Wahrscheinlichkeit entsprechend hoch ist, dass sich unter den anderen achtzehn verteilten Karten ein weiteres Ass befindet.
Halten Sie unter zehn Spielern ein A in der Hand, dann befindet sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 74,31% zumindest ein weiteres A in der Hand eines Gegners. Unter sechs Spielern reduziert sich dieser Faktor auf 49,59%!
Das nachfolgende Beispiel, ein Spiel mit A und niedrigem Kicker analysierend, ist zwar auf den Sechsertisch abgestimmt, kann sich aber, bei reduziertem Feld, natürlich auch jederzeit auf einem Zehnertisch zutragen.
Ihr Platz ist direkt neben Big Blind (UTG), Sie erhalten A♥ – 3♠, bringen den ersten Einsatz, und es gibt vier weitere Caller. Es folgt der Flop:
7♦ – 10♥ – A♣