Turnierpoker spielen, die mittlere Spielphase – No Limit Pokerstrategien

Ist es Ihnen gelungen, über die erste Spielphase hinwegzukommen, dann hängt Ihr weiteres Spielverhalten in erster Linie davon ab, wie hoch Sie Ihren Stack aufgebaut haben. Ist dieser eher bescheiden, können Sie sich meist nicht leisten, sich riskanten Spekulationen hinzugeben. Die Mindesteinsätze sind entsprechend höher! Jeder Spieler sieht Ihren Stack und weiß, dass Sie zu Risiko bereit sind. Und genau deshalb werden Sie es vermeiden!

Ausgenommen, das Risiko lohnt sich!
Es war ein Turnier mit 1.500 Anfangschips. Der durchschnittliche Stack lag bereits auf knapp über 3.000, meiner auf 2.200 – also, ich war in keiner sonderlich erfreulichen Situation.

Während ich am Dealerbutton K♣ – Q♣ vor mir liegen hatte, setzte ein Spieler in früher Position All-in (rund 2.000 Chips). Ein weiterer ging mit (knapp unter 2.000); und sogar noch ein dritter, der seinen Stack von über 5.000 investierte. Dann war ich an der Reihe.

In einer solchen Situation, wenn sich in einem Spiel mehrere finden, die aufs Ganze gehen, passiert es sehr häufig, dass sich Asse gegenseitig ausschalten. Ich meine damit, wenn zwei oder gar drei Spieler ein Ass in der Hand halten, dann reduziert sich die Wahrscheinlichkeit auf ein weiteres Ass im Flop auf ein Minimum. Gegen einen einzigen Gegner hätte ich gepasst. Gegen drei Gegner ging ich aus zwei Gründen mit: Erstens aus dem erwähnten Grund, dass vermutlich bereits zwei Asse im Spiel waren; und gegen jedes niedrigere Paar hatte ich die 50:50-Chance. Auch K♣ – Q♣ gegen zwei niedrigere Taschenpaare zur gleichen Zeit genießt eine Gewinnchance von immerhin 40%, was bei einer Verdreifachung des Einsatzes ein durchaus günstiger Prozentsatz ist. Zweitens, sollte ich mich mit diesem Blatt gutkaufen, so würde sich meine Position im Turnier, auf Grund dieses einen attraktiven Pots, einschneidend verbessern.

Also, wir waren vier Spieler im Pot und deckten unsere Karten auf. Meine kennen Sie bereits.

Meine Gegner zeigten:
A♥ – 5♦
A♦ – 9♠
J♠- J♥

In diesem Fall errechnet der Simulator eine Gewinnchance von 39% für mich! Das einzig wirklich gerechtfertige All-in kam natürlich von den beiden Jacks.

Die erste Karte des Flops versetzte mir einen gewissen Schock, doch alles in allem schaute er gar nicht so schlecht aus:
A♣ – 6♥ – 8♣

Gar nicht so schlecht deswegen, weil das Flush in greifbare Nähe gerückt ist. Ohne Treff in Folge wären meine Chancen natürlich auf die Unwahrscheinlichkeit von K – K, Q – Q oder K – Q reduziert gewesen. Aber es folgte günstig:
Turn: 10♣
River: 5♥

Mein Stack war somit auf knapp 8.000 Chips angewachsen, und somit konnte ich mich dem weiteren Turnierverlauf entsprechend strategisch widmen.

Durch das Zusammenlegen von Tischen sind wir immer wieder mit neuen Spielern konfrontiert.
Das Erste, was wir von einem Gegner wissen, ist die Höhe seines Stacks. Hat dieser solide Ausmaße angenommen, so tritt man ihm mit entsprechendem Respekt und entsprechender Vorsicht entgegen. Bringen wir selbst einen ordentlichen Haufen Chips auf den neuen Tisch, so
gelingt es entsprechend leicht, auf diesen Tisch Dominanz auszuüben.

In dieser Spielphase angelangt, noch dazu in guter Chipposition, möchten wir unseren Vorteil gewiss nicht mehr aufgeben. Konfrontationen mit anderen hohen Stacks widmen wir uns nur unter größter Vorsicht. Nun haben wir wieder Zeit. Häufiges Mitgehen kann unsere Position rasch verschlechtern. Der gelegentlich Blindeinsatz alleine jedoch nicht!

Bringen wir nun eine beschränkte Erhöhung gegen einen Spieler in schwacher Position, so wirkt für diesen die Chance, seinen eigenen bescheidenen Stack zu verdoppeln, verlockend – und gerne ist er zu Risiko bereit. Auch mit zweifelhaften Karten tendiert er zum AU-in. Sobald uns unsere Karten vorteilhaft erscheinen, nehmen wir diese Herausforderung auch gerne an. Schließlich ist es unser Ziel, den Stack weiter aufzubauen; und in diesem Fall auch unter Ausschluss des Risikos auf Totalverlust, also Elimination vom Turnier.

Haben wir einen Spieler vor uns, dessen Stack ebenfalls beträchtliche Ausmaße angenommen hat, so wird sich dieser, üblicherweise, entsprechend vorsichtig geben; auch er zieht es vor, die schwächeren Spieler langsam auszusaugen.

Antwortet der Spieler mit respektablem Stack auf unsere Erhöhung mit einer weiteren, dann sollten wir grundsätzlich vom Schlimmsten ausgehen. Und damit meine ich wirklich das unschlagbare Blatt. Zu groß war die Anstrengung, so weit vorzuschreiten, dass wir plötzlich den Erfolg durch unüberlegte Entscheidungen oder riskante Spekulation aufs Spiel setzen. Ohne wirklichen Anlass, ohne deutlichen prozentuellen Vorteil, möchten wir kein Risiko eingehen, uns plötzlich aus dem Turnier werfen zu lassen.

Manche Spieler werden allerdings gerade in dieser Phase, die Scheu vor der Konfrontation ausnützend, über alle Maßen aggressiv. Trotzdem, wir sollten uns nicht provozieren lassen. Auch wenn die Stackhöhe dieses Gegners beängstigende Ausmaße anzunehmen scheint, bis zum Turniersieg ist es noch ein weiter Weg. Ist das Glück auch vorübergehend auf seiner Seite, ohne das richtige Blatt in der Hand können wir ihn nicht aufhalten. Am besten mag es in solchen Fällen sein, Begegnungen mit diesem Spieler weitgehend auszuweichen. Irgendwann mag er wohl mit seinem Stil gegen ein hohes Taschenpaar anrennen. Auch wenn er seine Chips gegen einen anderen Spieler verlieren sollte, sind wir zufrieden, weil sich allein dadurch unsere eigene Position verbessert.

Natürlich gibt es zu jedem Zeitpunkt, auch unter den allergünstigsten Voraussetzungen, unliebsame Überraschungen! Das ist Poker! Damit müssen wir leben. Langfristig werden wir aber trotzdem mehr Turniersiege für uns buchen als ein Glückskind, das uns durch Kauf am River eliminiert. Lassen wir ihm die Freude – für dieses Mal!

Eine besonders interessante Phase des Turniers ist die, wenn, sagen wir, an die ersten zwanzig Preisgelder bezahlt werden und nur noch knapp über zwanzig Spieler aktiv sind. Plötzlich wird jeder äußerst zurückhaltend. Alle Dynamik friert zu hartem Eis! Jeder wartet darauf, dass ein anderer ausscheidet.

Vor allem die niedrigsten Stacks kalkulieren, ob Sie noch einen Blindeinsatz überleben können. Hoffen dabei, dass ein anderer, der seine letzten Chips als Big Blind einbringt und dem das wundersame Blatt versagt bleibt, zwangsweise vor ihm ausscheidet.

Mit entsprechendem Geschick ist dies natürlich die allerbeste Phase, durch vorsichtige Bluffs einige Blindeinsätze zu kassieren.

Endlich ist das Feld auf einundzwanzig geschrumpft! Jetzt fehlt noch einer! Dieser eine zu sein, dieses Schicksal will nun wirklich niemand übernehmen. Es kommt zu einer Erhöhung vor dem Flop, und alle passen, inklusive die Blinds. Dann gibt es wiederum keinen einzigen Einsatz. Big Blind ist gerettet. Und das Ganze wiederholt sich. Spiel um Spiel! (21 Spieler verteilen sich übrigens auf drei Tische mit jeweils 7.)

Endlich ist ein Spieler am Big Blind, dessen Chips dadurch zu Ende gehen. Er kann den Einsatz gar nicht mehr zu Gänze erbringen. In brüderlicher Einigkeit hofft das Feld der Teilnehmer, dass zumindest einer ein Blatt zum Mitgehen hat. Ja, es findet sich ein Caller, Big Blind ist bereits All-in, die Karten werden aufgedeckt; Flop, Turn und River liegen am Tisch. Endlich, der Einundzwanzigste ist draußen. Jetzt geht’s los!

Üblicherweise ändert sich die vorangegangene verschlafene Spielweise spontan zu übertriebener Aggressivität. Plötzlich geht es nicht mehr darum, sich ins Geld zu spielen. Nein, jetzt muss der Stack anwachsen. Keinen Unterschied macht es (bei den üblichen Preisstrukturen), ob wir als zwanzigster oder als elfter ausscheiden! Wichtig aber ist, mit wie vielen Chips wir am Final Table – am Tisch der letzten zehn – sitzen!

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