Der Semibluff im Texas Holdem richtig verstehen und anwenden
Bei einem Semibluff spielen Sie ein Blatt etwas stärker an als eigentlich angebracht oder Sie setzen, weil das Blatt noch Entwicklungspotenzial hat. Normalerweise verbinden Sie damit die Hoffnung, dass jemand sofort aussteigt oder dass sich das Blatt anschließend verbessert, wenn der Gegner mitgeht. Ich betrachte den Semibluff wie einen Pitbull-Welpen, der schon mit ziemlich tiefer Stimme bellt. Es klingt böse genug, dass einige Leute draußen bleiben. Und diejenigen, die sich trotzdem auf den Hof wagen? Nun, vielleicht wächst der Kleine schnell genug, dass er zum Zeitpunkt, wenn der Gegner durch die Tür kommt, schon kräftig zubeißen kann. Ich bin sicher, dass Sie aus der Art meiner Ausführungen erkennen, dass der Semibluff eines meiner beliebtesten Manöver ist.
Wann sollte man semibluffen?
Die Bedingungen für Semibluffen sind nahezu identisch mit denen des regulären Bluffs. Der größte Unterschied ist, dass Sie mit einer Kaufoption spielen und setzen, während sich ein reiner Bluff mehr auf die bereits vorliegenden Karten bezieht. Hier kommt ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie hätten K(Herz) 10(Herz) und der Flop bringt Q(Karo) Q(Herz) 9(Herz). Sie sitzen in hinterer Position und vor Ihnen spielt jemand an. Ihre Erhöhung wäre jetzt ein Semibluff. Sie haben noch keine nutzbringende Hand, allerdings Ansätze zu Straight, Flush, sogar zu einem Straight Flush. Die verborgene Schönheit der Erhöhung ist nun, dass jemand vielleicht denkt, Sie hätten drei Damen und versuchten, andere Flush- und Straightaspiranten herauszudrängen.
Ein weiteres Beispiel: Sagen wir, Sie haben A(Pik) 3(Pik) in hinterer Position und der Regenbogen- Flop ist 9(Pik) 5(Herz) 3(Kreuz). Ein wirklich blutleerer, wackeliger Flop – und die Chance ist gut, dass niemand sich hier engagieren wird. Eine Erhöhung nach diesem Flop ist kein so schlechtes Spiel an sich, und wenn man bedenkt, dass Sie noch ein Ass treffen könnten oder sich ein verrückter Flush hinten heraus ergeben könnte, dann handelt es sich auch hier um einen (weit hergeholten) Semibluff. (Wenn jetzt jemand mitgeht und auf dem Turn ein weiteres Pik fällt, könnten Sie einen neuen Semibluff versuchen. Der Gegner wird Sie nahezu sicher auf einen Drilling einschätzen, weil niemand glaubt, Sie seien so verrückt, jetzt noch auf eine weitere Pikkarte zu hoffen.)
Warum semibluffen?
Es gibt eine Reihe von Gründen, warum man einen Semibluff erwägen sollte:
✓ Wenn jemand aussteigt, bekommen Sie dessen Geld in jedem Fall. Es gibt keine bad Beats, und es werden keine Glückskarten dazugekauft, Sie gewinnen einfach direkt. Je öfter Ihnen das am Pokertisch gelingt, desto besser wird Ihr Spiel auf lange Sicht sein. Durch Semibluffen erhalten Sie die Chance, dass das passiert.
✓ Durch Semibluffen testen Sie die Bluffgewässer. Weil es kein reiner Bluff ist, fühlen Sie sich vielleicht nicht (bewusst oder unbewusst) ganz so unbequem dabei, weil durch die Zukaufmöglichkeit immer noch Verbesserungspotenzial da ist. Dieses gute Gefühl wiederum kann Ihre Spielweise viel natürlicher für andere aussehen lassen und sie eher zum Aussteigen veranlassen. Wenn Sie diese Art von emotionaler Unterstützung und Sicherheit für Ihr Bluffverhalten entwickeln, wird es Ihrem Spiel durchaus helfen.
✓ Semibluffen ist für die Gegner schwerer zu erkennen und auszuwerten, selbst nachdem sie Ihre Karten gesehen haben. Besonders, wenn die anderen Spieler
am Tisch etwas übermüdet sind und das Spiel nahezu auf Autopilot abläuft, ist es für sie manchmal schwer zu erkennen, was da gerade passiert ist. Vielleicht markiert jeder Sie im Geiste als ein wenig verrückt oder einfach als schlechten Spieler. Aber dieser Ruf wird Sie überhaupt nicht stören, besonders wenn dadurch die anderen Spieler einen falschen Eindruck bekommen.
Erwischt – Was nun?
Zunächst einmal müssen Sie akzeptieren, dass man Sie beim Bluffen ertappen wird. Es gehört zum Spiel. Wenn es passiert, flippen Sie nicht aus und lassen Sie sich davon nicht verunsichern. Es ist stattdessen wieder einmal Zeit, dass Sie das Ganze mit den Augen des Gegners betrachten. Das wird viel einfacher sein, als Ihre Strategie vor dem Bluff zu bewerten, denn oft wird der Gegner einfach nur dasitzen und in Länge und Breite darüber parlieren, warum er gerade wusste, dass Sie nicht die Wahrheit gesagt haben und dass Sie noch nie gut geblufft haben, und jede Menge ähnlichen Schwachsinn, den Sie eigentlich nicht hören wollen (dem Sie allerdings gut zuhören sollten).
Ihr Bluff teilt den anderen sofort mit, dass Sie allerdings die Fähigkeit zum Bluffen in Ihrem Arsenal mitbringen. Damit bringen Sie eine neue Portion Unsicherheit in die Wahrnehmung der anderen. Sie werden jetzt eventuell Ihr Spiel völlig neu überdenken und erkennen, dass Sie sehr wohl in der Lage sind, Dinge zu tun, die man Ihnen nicht zugetraut hatte. Ziemlich sicher schätzt man Sie jetzt als lockerer ein, egal, wie verhalten oder locker Sie vorher gespielt haben. Das bedeutet, die anderen werden zukünftig mehr mitgehen, wenn Sie im Spiel sind. Deswegen müssen jetzt Ihre Ansprüche an Startkarten etwas hochgeschraubt werden. Allerdings sollten Sie keinesfalls ängstlich werden, sondern in der richtigen Situation weiterhin stark anspielen. Weil die anderen jetzt viel eher mitgehen werden, werden Sie eventuell mit ein paar großen Einsätzen alles wieder hereinholen, was Sie im Bluff investiert haben. So gesehen war Ihr Bluff eine reine Werbemaßnahme.
Vielleicht erweckt es in anderen Spielern auch den Eindruck, Sie seinen nicht in der Lage, Teils beim Gegner zu erkennen, wenn er ein Monsterblatt hält, und Sie das in Ihrer Aufregung vor dem Bluff übersehen haben. Das wiederum könnte dafür sorgen, dass die anderen nicht ganz so wachsam Ihnen gegenüber sind (denn Sie scheinen ja ein Ignorant zu sein, wenn Sie das nicht haben kommen sehen). Deswegen können Sie vielleicht plötzlich viel mehr Informationen über die anderen entdecken (besonders, wenn Sie in einem Pot Mann gegen Mann spielen).