Wirtschaftsförderung II im Lotto – grundsätzlich Haushaltsmittel nicht ersetzen
Paragraph 4 des brandenburgischen Lotteriegesetzes legt eindeutig fest, dass eine Erlaubnis für eine Lotterie nur dann ausgesprochen werden darf, wenn keine wirtschaftlichen /wecke verfolgt werden und der Ertrag ausschließlich und unmittelbar der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke dient. Das Gesetz, nicht ohne Absicht reichlich mit Begriffen aus dem steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht versehen, stammt aus dem Jahr 1994. Die Erträge der Lotterie werden in Brandenburg unter den Ministerien verteilt, die sie dann zweckgebunden an berechtigte Antragsteller weiterleiten. 1991 und 1993 hatte sich das Kabinett darauf geeinigt, die Lottomittel auch für sonstige im besonderen öffentlichen Interesse liegende Zwecke zur Verfügung zu stellen. Mit Verabschiedung des Gesetzes ist diese Vereinbarung obsolet geworden.
Das Innenministerium bestätigt ausdrücklich, dass sich der Gesetzgeber im wesentlichen an den in der Abgabenordnung (§§ 52-58) verwendeten steuerrechtlichen Diktionen orientiert habe. Danach sei gemeinnützig, wer die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos (uneigennützig) fördert. Das Ministerium nannte Sport, Jugend- und Altenhilfe, Umwelt-, Landschafts- und Denkmalschutz, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur. Wirtschaftsförderung taucht in der Liste – wie auch in der Abgabenordnung – nicht als förderungswürdig auf.
Das Verbot der Förderung wirtschaftlicher Interessen aus Lottomitteln mißachten die Ministerinnen und Minister in Potsdam permanent. Sie begründen dies damit, dass eine solche Arbeitsplätze sichere oder schaffe und damit ein gemeinnütziger Zweck vorliege. Das ist Humbug und widerspricht der Gesetzeslage. Welche Blüten aber diese versteckte Wirtschaftsförderung aus Lottomitteln treibt, sollen die folgenden Beispiele zeigen.
Als sich im Jahr 1990 die Bezirksverwaltungen von Potsdam, Cottbus und Frankfurt/Oder zusammentaten, um die Wirtschaftsförderung Brandenburg GmbH zu gründen, hatten sie große Ziele. Die Gesellschaft sollte umfassende Beratung und Betreuung sowohl anzusiedelnder als auch ansässiger Unternehmen in Brandenburg bieten. Dies sollte geschehen insbesondere durch Werbung und Informationen über Standortgegebenheiten und Wirtschaftsförderungsmaßnahmen des Landes, die Anwerbung geeigneter auswärtiger Unternehmen, umfassende investitionsbegleitende Beratung und Betreuung und die Beratung und Betreuung bei der Beschaffung von Grundstücken. Zu beachten hatte die Gesellschaft lediglich: Diese Aufgaben werden entsprechend den Leitlinien der Wirtschaftspolitik des Landes Brandenburg wahrgenommen.
Die Gesellschafteranteile haben sich 1991 in der Hand des Landes Brandenburg vereinigt. Die Geschäftsführung übernahm Burkhard Dreher, Diplomvolkswirt aus Dortmund. Vorsitzender des Aufsichtsrats ist der jeweilige Wirtschaftsminister, neben ihm beaufsichtigen Wirtschaftsvertreter, etwa der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmerverbände Berlin/Brandenburg e.V., Hartmann Klemer, die Gesellschaft. Als Dreher ein Jahr später Oberstadtdirektor von Bochum wurde, schied er aus der Geschäftsführung aus, übernahm aber 1996 als Brandenburgs Wirtschaftsminister den Vorsitz des Aufsichtsrats, in dem auch Vertreter der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern saßen. 1997 übernahmen diese einen Teil der Geschäftsanteile, die aber zu drei Vierteln weiter in der Hand des Landes blieben. Heute wirbt das Ministerium im Internet für seine Investoren-GmbH. Wenn Sie in Brandenburg investieren wollen oder Geschäftskontakte suchen, ist Ihre erste Anlaufstelle immer die: Wirtschaftsförderung Brandenburg GmbH (WFB). Es folgen die Namen der Geschäftsführer, Adresse, Telefontind Faxnummer. Der Auftrag der WFB sei es, fasst Drehers Pressesprecher Kenneth Frisse zusammen, für potentielle Investoren ein günstiges Investitionsklima zu schaffen. Die Gesellschaft versuchte dies beispielsweise 1995, als sie die 4. Investorenkonferenz ausrichtete.
Dafür bekam die Gesellschaft 80 000 € an Lottomitteln aus dem Wirtschaftsministerium ihres ehemaligen Geschäftsführers und aktuellen Aufsichtsratsvorsitzenden Burkhard Dreher. Im selben Jahr überwies das Ministerium der GmbH noch 14 564 € zur Förderung einer Jagdveranstaltung zwecks Beteiligung bei Akquisition von Investoren. Konkret sei es dabei um Verhandlungen mit einem französischen Investor gegangen. Bei einer Abendveranstaltung, die auch eine Jagdkomponente gehabt habe, so Frisse, hätten hochrangige Politiker mit den Firmenchefs gesprochen. Auch die Dolmetscher seien mit dem Geld bezahlt worden. Frisse verteidigt die Ausgabe: Andere Länder leisten sich da viel mehr.
Das mag sein. Aber nicht aus Lottomitteln. Daran ändert auch nichts, dass 1991, als Dreher bei der Wirtschaftsförderung Brandenburg wirkte, der Gesellschaftszweck um den üblichen Zusatz erweitert wurde: Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Die Gesellschaft ist selbstlos tätig, sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Lottokompatibel ist die Gesellschaft damit noch lange nicht. Burkhard Dreher sagt es in der Broschüre Bilanz der guten Taten selbst: Es gehe darum, 800 kleinen und mittleren Unternehmen mit 2500 Beschäftigten auf die Beine zu helfen, die im weitesten Sinne technologische Anwendungsfelder erforschen und entwickeln. Sie kämpften ums Überleben und täten sich in überregionalen Märkten noch schwer, weil ihnen die Erfahrung in der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern noch fehle. Durch Lottomittel finanzierte Maßnahmen wie die Technologiekonferenzen sollen die Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen stärken und kleinen und mittleren Unternehmen innerhalb der nächsten Jahre Wettbewerbsvorteile auf internationalen Wachstumsmärkten verschaffen. Ein lobenswertes Streben – solange Burkhard Dreher zur Finanzierung seinen Ministeriumshaushalt bemüht.
An der Technologie- und Innovationsagentur GmbH (T.IN.A.) ist die Wirtschaftsförderung Brandenburg GmbH ebenfalls beteiligt, wie auch die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern der drei Bezirke Potsdam, Cottbus und Frankfurt/Oder. Ihr Geschäftsführer, Klaus-Peter Schulze, hatte bei der Gründung die geschäftsmäßige Adresse: Potsdam, Heinrich-Mann-Allee 107. Dies ist (auch) der Sitz des Wirtschaftsministeriums. Er konnte damals wohl noch nicht ahnen, dass der Wirtschaftsminister bald Burkhard Dreher heißen würde. Seine Liste der Teilnehmer der Aufsichtsratssitzung vom 6. Juni 1994 verzeichnete Klaus (!) Dreher, Oberstadtdirektor der Stadt Bochum. Zuvor, als Stadtdirektor der Stadt Dortmund, war Dreherrichtiger Vorname: Burkhard – mit drei Fünfteln der Arbeitszeit in die Staatskanzlei des Landes Brandenburg abkommandiert, um den Potsdamern als Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landes Brandenburg – so sein Lebenslauf auf der Internetseite seines Ministeriums – beim Aufbau Ost zu helfen. Trotz der Wahl zum Oberstadt-direktor Bochums hielt Dreher Kontakt zum Land Brandenburg und saß im Aufsichtsrat der T.IN.A.
Als Minister kehrte er am 11. Oktober 1994 zurück. Professor Schulze hat er den falschen Namen offenbar verziehen. Knapp 300 000 € ließ sich Burkhard Dreher die Vorbereitung und Durchführung der 3. Technologiekonferenz Brandenburg am 4. und 5. Dezember 1995 in Potsdam kosten, weitere 50 000 € bekam die T.IN.A. im darauffolgenden Jahr für eine nicht näher bestimmte Forschungs-, lnnovations- und Technologieveranstaltungsreihe – alles aus Lottomitteln.
Nichts gegen die Gesellschaft an sich: Die T.IN.A soll bis /.um Jahr 2004 die Technologiekonzeption der Landesregierung umsetzen helfen und die Vernetzung kleinerer und mittlerer Unternehmen mit der Wissenschaft stärken, um sie – unvermeidlich dieser Zusatz zu einer Pressemitteilung des Ministeriums – für den internationalen Wettbewerb fit zu machen. Kenneth Frisse sagt: Die T.IN.A ist unser Dienstleister für unsere Technologie- und Innovationspolitik. Sie werde aus Haushaltsmitteln des Bundes und des Landes finanziert. Und aus Lottomitteln, wäre zu ergänzen. Andere Länder finanzieren diese Agenturen korrekt aus Haushaltsmitteln. Burkhard Dreher hält es anders und kündigte jetzt die Gründung einer Technologiestiftung Brandenburg an. Mal sehen, woher das Kapital kommen wird!
Als sich am 10. und 11. September 1997 die Uckermark im brandenburgischen EU-Verbindungsbüro zu Brüssel als Wirtschaftsstandort präsentierte, reisten Vertreter der Kreisverwaltung, der Wirtschaft, des Handwerks und der Landwirtschaft, Bürgermeister und Amtsdirektoren nach Belgien. Charly’s Treff, ein Partyservice aus Schwedt-Heinersdorf gut bekannt für Organisieren von Hochzeiten und Geburtstäge, sorgte dafür, dass die geschätzten Interessenten uckermärkische Spezialitäten kennenlernten, die Uckermärkischen Bühnen Schwedt gaben ihre über die Grenzen der Uckermark hinaus bekannte Show mit Hits aus den achtziger Jahren. Ziel war es, erläutert die Sprecherin von Landrat Joachim Benthin, die Region bekannt zu machen. Wir haben ja große Probleme in wirtschaftlicher Hinsicht. Wem sich die Uckermark bekannt machen wollte? Na, der EU-Kommission wegen der Fördermittel und den Beamten und Politikern in der EU. Schirmherr – auch das verdeutlicht den Sinn der Übung – war Wirtschaftsminister Burkhard Dreher. Mit ihm eilte auch der damalige Umweltminister Matthias Platzeck nach Brüssel, zum Wohl der Uckermärkischen Wirtschaft. Zu den Gesamtkosten steuerte der Minister 30 000 € bei, aus Lottomitteln.
Wenn Lotteriemittel auf diese Weise zweckentfremdet oder gar direkt an Wirtschaftsunternehmen vergeben werden, dann dient das Spiel, aus dem die Fördermittel stammen, wirtschaftlichen Zwecken. In Brandenburg ist die Regierung offenbar der Meinung, sich durch windelweiche Formulierungen über die Gesetze hinwegsetzen zu können: Nicht nur Henry Maske erwähnt in der Bilanz der guten Sache die Wirtschaftsentwicklung als ein Gebiet, auf dem Lotterieerträge helfen. Auch Finanzministerin Wilma Simon erweitert im selben Heft die Gruppe der Destinatäre, indem sie sich offensichtlich auf die veralteten Beschlüsse der Landesregierung aus den Jahren 1991 und 1993 beruft. Sie erklärt dort, die Lottomittel dürften für soziale, kulturelle, sportliche und sonstige im öffentlichen Interesse liegenden Zwecke verwendet werden. Offenbar hat, auch nach Verabschiedung des Gesetzes über die Lotterien und Ausspielungen im Land Brandenburg, jedes Ministerium seine eigenen Vorstellungen, wie die Einsätze der Toto- und Lottospieler zu verwenden sind. Parlamentsbeschlüsse scheinen da nicht viel zu zählen.
Wenn die Kassen knapp sind, die Umsätze beim Lotto aber und mit ihnen die Erträge steigen, dann ist die Verlockung für Politiker offenbar groß, sich letztere für ihre /wecke anzueignen. Sein soll und darf das freilich nicht: Schließlich sollen Lottomittel grundsätzlich Haushaltsmittel nicht ersetzen, bemerkte die Landesregierung ausdrücklich noch einmal auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Thomas Lunacek (CDU) hin.