Lotto Fallbeispiel 2 in Rheinland-Pfalz – hol dir die Millionen Teil 1

Der rheinland-pfälzische Lottokönig heißt Rolf Weiler. Sechs Richtige hatte er nie, aber der frühere Bürgermeister von Lahnstein war bis 1997 Geschäftsführer der Sport-Toto GmbH Staatliches Zahlenlotto Rheinland-Pfalz. Die Gesellschaft, ansässig in Koblenz, liegt – anders als in den anderen Bundesländern – in den Händen der Sportbünde, die auf der Basis eines Geschäftsbesorgungsvertrags dem Land das Lottogeschäft abnehmen. CDU-Mann Weiler war auch lange Jahre Präsident des Landessportbundes Rheinland-Pfalz, des Dachverbands der drei regionalen Sportbünde der Pfalz, des Rheinlands und von Rheinhessen. Ein einflußreicher, ein mächtiger Mann. Unter seiner Ägide kreierte die PR-Abteilung der Sport-Toto GmbH den Werbespruch: Hol dir die Millionen!

Die Millionen holten sich nicht nur die Spieler, sondern auch die Lottobeschäftigten, allen voran Weiler. Dessen Parteifreund Wolfgang Brix, seit 1984 Präsident des Rechnungshofs in Speyer und zuvor Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, schenkte Weiler mit seinem letzten Bericht vor der Pensionierung im Jahr 1995 kräftig ein: Die Geschäftsführung der Sport-Toto GmbH lebe auf zu großem Fuße, erklärte Brix. Während die Arbeitslosen Lotto spielen und auf Millionen hoffen, haben die oben bei der Sport-Toto GmbH in Koblenz abkassiert. Weiler nannte die Vorwürfe nahezu grotesk.

Doch nach und nach gelangten Zahlen an die Öffentlichkeit: Die Kassen der Sport-Toto GmbH waren stets prall gefüllt, denn sie durfte bis 1984 stolze 12,6, dann sogar 12,9 Prozent der Spieleinsätze für die Geschäftsbesorgung abzweigen, jährlich an die 90 Millionen €. Geld, das verteilt werden muss. Fast 18 500 € ließen es sich die Sport- Toto GmbH, deren Tochter Sport + Reisen GmbH (S + R; gehört der Sport-Toto GmbH zu 20 Prozent, außerdem den drei Sportbünden und dem Landessportbund, dessen Vorsitzender Weiler bekanntlich war) sowie der Landessportbund 1990 kosten, den 70. Geburtstag eines Verwaltungsratsmitglieds zu feiern. Zwei Jahre später bekam der Mann einen Aktenkoffer für 806 €. 1991 durften sich die Mit-glieder des Verwaltungsrats und der Gesellschafterversammlung über 13 Verwöhngutscheine zum Preis von je 850 € freuen, die je zwei Übernachtungen und Essen in einem Romantikhotel nach Wahl beinhalteten.

1993 feierte ein Vertreter des Finanzministeriums im Verwaltungsrat seinen 60. Geburtstag. Ihm schenkte die Firma ein Farbfernsehgerät. Die Liste solcher Aufmerksamkeiten, die der Landesrechnungshof zusammentrug, ist lang. Die Rheinpfalz meinte, Weiler führe den Glücksspielkonzern wie ein Fürst von Gottes Gnaden. Die Geschäftsführung hielt solche Zuwendungen für angemessen, schrieben die Rechnungsprüfer. Und fügten lakonisch hinzu: Dem vermag sich der Landesrechnungshof nicht anzuschließen. Auch die Spendenpraxis der Geschäftsführung stieß auf Kritik. 120 750 € wurden 1993 nach Gutdünken vergeben, mit Einzelbeträgen bis 32 000 €. Der Rechnungshof meinte hierzu: Eine solch großzügige Spendenpraxis widerspricht der Aufgabenstellung der Gesellschaft.

Von 1989 bis 1993 gab die Lottogesellschaft eine halbe Million € für die Bewirtung von Gästen aus, 870000 € für Reisen. Der inzwischen fertiggestellte Neubau, der mehr als 40 Millionen € kostete, erinnert die rheinland-pfälzischen Tipper jeden Tag daran, wo ihre Spieleinsätze bleiben. Dabei legt Paragraph 6 des Lotteriegesetzes fest: Der Veranstalter hat die Kosten der Veranstaltung so gering wie möglich zu halten. Damit sollen die Veranstalter einen möglichst breiten Raum für Zweckertrag und Gewinne der Spieler lassen. Unverschämt üppig gefüllt war vor allem der große Topf, aus dem die beiden Geschäftsführer ihre Einkünfte bezogen: Die Koblenzer Sport- Toto-Gesellschaft hat Weiler in den fünf Jahren genau 56 Prozent Gehaltserhöhung genehmigt – 1993 lag sein Jahressalär bei 464168 €. Allein damit verdiente Weiler fast so viel wie der Bundespräsident, der aus seinen Dienst-bezügen aber seine Hausangestellten in der Dienstvilla bezahlen muss. 345 931 € bekam der zweite Geschäftsführer, Erich Holzmeier – 40 Prozent Zuwachs in fünf Jahren. Als Leistungsprämie wurden den beiden Beträge in Höhe von 45 000 und 40 000 € ausgezahlt. 1994 sollen sich die Gehälter der beiden Geschäftsführer noch einmal um neun beziehungsweise zehn Prozent erhöht haben.

Die fünf außertariflich bezahlten Mitarbeiter – Weiler, dessen Co-Geschäftsführer Erich Holzmeier, ein Prokurist, ein Handlungsbevollmächtigter und ein Abteilungsleiter – erhielten in fünf Jahren Leistungsprämien von insgesamt 596 500 €.

Als Reporter des Südwestfunks recherchierten, seien plötzlich, so berichtete die Süddeutsche Zeitung, ganze Heerscharen von nervösen Vorgesetzten zur Filmabnahme im Schneideraum aufgetaucht. Das könnte seinen Grund darin haben, mutmaßten die Journalisten in Baden-Baden, dass Weiler auch Vorsitzender des Verwaltungsrats der Rundfunkanstalt war.

Apropos Verwaltungsrat: Das Lottokontrollgremium stimmte all dem zu. Die üppigen Geschenke in den zurück-liegenden Jahren haben da sicher nicht geschadet. Die Entschädigungen für die mühevolle Aufsichtstätigkeit wohl auch nicht: Die Mitglieder der Aufsichtsgremien stecken jährlich einen Betrag ein, für den Otto Lotto fünf richtige Kreuze gemacht haben müsste: Mehr als zusammen 100 000 € erhielten die sieben Mitglieder des rheinland-pfälzischen Lottoverwaltungsrats pro Jahr, wovon der Vorsitzende 24 000 € eingesackt hat – für vier bis fünf Sitzungen. Der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung strich für seine Bemühungen – eine Sitzung pro Jahr – 16 000 € ein. Im Vergleich mit anderen Gesellschaften sind auch diese Zahlungen außerordentlich üppig geraten: Hannover lässt sich seinen neunköpfigen Aufsichtsrat, der 1996 ganze drei Mal tagte, 44 918,50 € kosten. Im Jahr zuvor gab die Gesellschaft für ihre Aufpasser sogar 49 000 € aus. Im Saarland erhalten die sieben Politiker und Sportfunktionäre seit den achtziger Jahren rund 40 000 € – ein Zubrot von rund 6000 € für jeden.

Die Regelung wurde 1980 eingeführt: Jedes Mitglied des Aufsichtsrats erhält eine jährliche Aufwandsentschädigung. Über die Höhe der Aufwandsentschädigung beschließt die Gesellschafterversammlung. Vorsitzender der Gesellschafterversammlung ist der Vorsitzende des Aufsichtsrats. Hessen zahlte 1996 für fünf Aufsichtsrats-mitglieder 26 000 €. Die Schwaben in Stuttgart waren sparsamer, gaben für fünf Aufsichtsräte 21150 € aus. Der Osten zieht nach: Brandenburg zahlte seinem Lottoaufsichtsrat, bestehend aus zwei Ministerialdirigenten, je einem Staatssekretär im und außer Dienst sowie einem Vorstandsvorsitzenden einer Bank, 13 500 €, Sachsen-Anhalt gab für die Aufseher 14 200 € aus.

Der Präsident des rheinland-pfälzischen Rechnungshofs, Wolfgang Brix, äußerte sich in einem Radiointerview empört über all die exorbitanten Gehälter und Tantiemen, wenn wir auf der anderen Seite überlegen, ob wir 12 000 oder 13 000 € steuerfrei machen oder nicht und uns darüber im Bund in die Haare kriegen. Das Finanzministerium, so war später zu hören, wolle mit Rücksicht auf die ohnehin überhöhten Vergütungen auf einen Verzicht der Zahlung sämtlicher Jahresprämien drängen.

Die Sport-Toto GmbH verteidigte sich ungerührt, die Vergütungen bewegten sich nachweislich im Rahmen vergleichbarer Wirtschaftsunternehmen. Brix meinte dagegen: Der Schwierigkeitsgrad der Geschäftsführung aufgrund der Monopolstellung des Unternehmens bei den Lottogesellschaften ist begrenzt. Doch Toto-Lotto war nicht Weilers einzige Einnahmequelle: Weiler leitete auch die Sport + Reisen (S + R) GmbH, eine zwanzigprozentige Tochter der Sport-Toto GmbH. Die Höhe der Gehälter, die Weiler und ein Lottoprokurist als Geschäftsführer der S + R erhielten, blieb zunächst unbekannt. Später gab Weiler an, dafür monatlich eine Entschädigung von 3500 € erhalten zu haben. Als Weiler und sein Prokurist Egbert Daubländer 1996 die Sport + Reisen GmbH verließen, gab es fürs vorhergehende Jahr noch einmal 30 000 € an Tantiemen. Der größte Teil soll an Weiler gefallen sein. Die Grünen sprachen im Landtag von einem Abkassiersumpf und einer politisch gedeckten Vetterleswirtschaft. Weiler zahlte den Betrag schließlich zurück. Nachfolger als Geschäftsführer bei S + R wurde Lottoprokurist Rolf-Peter Leonhardt. Nur fünf Monate nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten des Landessportbunds trat Weiler auch von diesem Amt zurück. Er wolle weiteren Schaden, der durch die öffentliche Diskussion um seine Tätigkeit als hauptamtlicher Geschäftsführer der Sport-Toto GmbH entstanden ist, vom Landessportbund abhalten. Lottogeschäftsführer blieb er, bis sein Vertrag im Oktober 1997 auslief.

Als sich die rheinland-pfälzische Landesregierung daran-machte, ihr Lottogeschäft neu zu ordnen, gab es auch Vor-schläge zur Höhe der Geschäftsführergehälter. SPD und FDP befürworteten maximale Gehälter von 200 000 € jährlich. Der Rechnungshof hielt einen der beiden Chefposten für entbehrlich, wie er in seiner Unterrichtung dem Landtag empfahl. Auch der Verwaltungsrat sei mit sieben Mitgliedern – davon zwei Vertretern des Landes – überbesetzt.

Auch Finanzstaatssekretär Thilo Sarrazin erklärte nun, die Regierung erwarte ein sparsameres Geschäftsgebaren der Sport-Toto GmbH. Die Quote von 12,9 Prozent, die bis dato für die Geschäftsbesorgung abgezweigt worden war, sollte auf 11,4 Prozent gedrückt werden. Außerdem wurden auch bei der Sport + Reisen GmbH die volle Transparenz und das Prüfungsrecht durch den Rechnungshof verlangt. Ein entsprechender Beschluss des Landtags war der Gesellschaft bereits durch ein Ministerschreiben vom 4. April 1996 mitgeteilt worden. Doch die Lotteriemacher taktierten. Am 12. September 1996 boten sie einen Kompromiss an, der nach den Worten Sarrazins unzureichend war. Die Gesellschaft habe vorgeschlagen, die Kapitalerträge aus dem Auftragsgeschäft in Höhe von einer Million € an das Land abzuführen – die Zinsen also, die durch die kurzfristige Anlage der Spieleinsätze anfallen. Die übrigen Kapitalerträge wollte die Gesellschaft behalten – 1995 rund 4,3 Millionen €. Auch die Bearbeitungsgebühren – netto 8,5 Millionen € – sollten, statt ans Land abzufließen, nun bei der Gesellschaft bleiben. Dafür stimmten die Koblenzer der Kürzung der Geschäftsbesorgungsvergütung zu – allerdings nicht auf 11,4 Prozent, sondern lediglich auf 11,7 Prozent. Auf eine Gewinnabführung sollte verzichtet werden, weil mit den Kosten für die Online-Einführung ohnehin keine Gewinne mehr erwartet würden, hieß es zur Begründung.

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