Wie wichtig kann der River im Texas Holdem werden
Der River ist der Ort, an dem Ihr Pokerblatt zu Boden geht, sowohl wörtlich (es wird aufgedeckt) als auch im übertragenen Sinn – wenn Sie verlieren. Viel Glück! Ich hoffe, Sie gewinnen – es sei denn, Sie spielen gegen mich, dann hoffe ich natürlich, Sie vergeigen fürchterlich. Und, glauben Sie mir, das ist mein Ernst.
Letzte Wettrunde
Rein theoretisch betrachtet bildet die Riverkarte einen großen Unterschied zu allen anderen, weil jetzt jedes Blatt, das schlechteste, das beste und Ihres eindeutig bestimmt sind. Die Karten sind verteilt, jetzt geht es nur noch darum, festzustellen, wer das beste Blatt hat. Nun, fast. Vergessen wir nicht die kleine letzte Wettrunde. Die Aktion auf dem River ist vielleicht derjenigen vor dem Flop dahingehend am ähnlichsten, dass die Einsätze wilde Ausmaße annehmen können. Es können die verschiedensten Einsatz- Egos aufeinanderprallen, von geruhsamen Biertrinkern, die nur Spaß haben wollen, bis zu Rasanzgeschossen mit Überschallgeschwindigkeit.
Kein Tanz, nur checken
Gewöhnlich wird am River aus drei Gründen von allen Spielern geschoben:
✓ Die Gemeinschaftskarten wirken bedrohlich (zum Beispiel enthalten sie fünf Herzkarten oder ein Full House).
✓ Extreme Einsätze in früheren Wettrunden haben die Leute vorsichtig werden lassen (besonders, wenn sich deren Kaufträume nicht verwirklicht haben).
✓ Die Handkarten der Spieler haben die Gemeinschaftskarten total verfehlt.
Wenn Sie in hinterer Position sitzen und alle checken, könnte das eine gute Gelegenheit sein, den Pot einzustreichen. Tatsächlich könnte Ihre Fähigkeit, diesen verirrten Pot zu schnappen, den Unterschied zwischen Gewinn und Verlust ausmachen. Wenn Sie die bisherige Aktion betrachten und die beteiligten Spielertypen mit einbeziehen (Sie haben natürlich bereits das super-clevere Artikel 8 studiert),können Sie unter folgenden Bedingungen entscheiden, ob Sie schieben oder anspielen:
✓ Wenn es rund um den Flop mit zwei gleichfarbigen Karten (sagen wir J(Kreuz) 8(Kreuz) 3(Herz) starkes Wettgeschehen gab, anschließend kühlte die Aktion aber ab, dann handelt e$ sich meist um einen geplatzten Flush. Ballern Sie einen Einsatz los, wenn Sie mit einer der mittleren Gemeinschaftskarten ein Paar haben.
✓ Wenn nur noch die Blinds im Spiel sind, spielen Sie mit einem Paar an.
✓ Wenn jemand bis hierher immer stark gesetzt hat, jetzt am River aber zurückfällt, dann versucht er vermutlich kein Checkraise bei Ihnen, sondern hat bisher versucht, durch Überbieten zu bluffen. Spielen Sie mit einem mittleren Paar oder besser an oder wenn Sie ziemlich sicher sind, dass er aussteigen wird.
✓ Wenn sonst nichts funktioniert, wenn Sie unsicher sind oder Zweifel haben, schieben Sie nur. Es kostet Sie nichts.
Durchs Feuer gehen
Manchmal flippen die Leute am River aus und hauen sich gegenseitig die Einsätze um die Ohren. Sie dürfen bei so furioser Aktion nicht ins Kreuzfeuer geraten. An dem Scharmützel beteiligen Sie sich nur mit einem (nahezu) unschlagbaren Blatt oder wenn Sie es mit einemextrem leichtsinnigen und unerfahrenen Gegner zu tun haben.
Das Wichtigste ist für Sie jetzt, dass Sie das Board korrekt lesen und interpretieren. Passen Sie auf, dass Ihr gutes Blatt Sie nicht blind macht für potenziell bessere Blätter, die mit den Gemeinschaftskarten noch möglich sind. Weil im Laufe einer Hand durchaus hohe Pötte entstehen, kann ein Fehler hier den Profit einer Woche (oder mehr) vernichten. Hier nur ein paar Beispiele, bei denen ich verfolgen konnte, wie Spieler sich selbst zerstörten:
✓ Sie haben den Nut Flush mit einem Board von 10(Pik) 10(Kreuz) 9(Karo) 6(Pik) 2(Pik) und Holecards von A(Pik) 9(Pik) getroffen. Es begann sehr gut mit zwei Paaren und dann kamen auf Turn und River auch noch zwei Flushkarten hinten raus. Jetzt heißt es aufpassen, denn bei aller Freude über den späten Nut Flush bietet das Board auch diverse Full-House-Möglichkeiten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass jemand aus hinterer Position 9-10 spielt. Ebenso hat jeder, der mit einem Pocket Pair von 2, 6 oder 9 gestartet ist, sein Full House fertig. Natürlich sollten Sie mit dem Flush mitgehen, aber für einen Erhöhungskrieg ist er nicht stark genug.
✓ Sie treffen mit dem Board einen Drilling, halten aber nur eine Einzelkarte dazu. Zum Beispiel zeigt fas Board Q(Karo) K(Karo) K(Herz) 7(Herz) 6(Pik) und Sie halten K(Kreuz) J(Kreuz). Ja, Sie haben jetzt den Königsdrilling, aber jeder, der mit einem Pocket Pair (Q-Q, 7-7, 6-6) seinen Drilling getroffen hat, besiegt Sie mit einem Full House.
✓ Das Board füllt eine Mehrfachlücke bei Ihren Handkarten und Sie haben eine Straße, z.B. mit Q-9 und Gemeinschaftskarten von K-J-10-2-4. Damit haben Sie – das ist die gute Nachricht – eine Straße bis zum König. Die schlechte Nachricht ist, jemand mit A-Q hat Sie schon besiegt. Gute Spieler verhalten sich in dieser Situation (die sie ungemein lieben) sehr zurückhaltend und checkraisen gern. Aus irgendwelchen Gründen fallen die Leute leichter auf diese lückenhaften Karten herein, als wenn sie 6-7 halten und das Board 10-8-9 zeigt. Die bessere Möglichkeit (J-Q) ist einfach zu offensichtlich.
Natürlich könnten Sie jetzt auf die Beispielhände schauen und sagen: Ja, ja, was soll’s und meine Ratschläge einfach vergessen. Unglücklicherweise passiert es bei leidenschaftlichem Wettgeschehen – besonders bei hohen Einsätzen – oft, dass mit einer guten Hand die Möglichkeit einer noch besseren schlichtweg übersehen wird. Und wenn Sie tatsächlich ein besseres Blatt übersehen, werden Sie nicht nur zahlen, sondern teuer bezahlen. Ein ziemlich sicheres Signal bei No Limit ist, wenn jemand Sie auf dem River nur minimal erhöht (anstatt all in zu gehen) und nach Ihrer erneuten Erhöhung wieder nur minimal erhöht. Das bedeutet meist, der andere Spieler weiß, dass er unschlagbar ist. Er will jetzt das maximal Mögliche von Ihnen gewinnen, ohne Sie mit einem All in abzuschrecken.
In Maßen setzen
Auf dem River passiert es gewöhnlich, dass es einen, vielleicht zwei Einsätze gibt und die folgenden Spieler entscheiden, ob sie mitgehen. Wenn vor einem Spieler gesetzt wurde und er muss sich entscheiden, passiert immer Folgendes (es sei denn, er ist einer der größten Schauspieler der Welt): Der Spieler studiert nochmals das Board und stellt sich ein paar Fragen, vielleicht sogar in der angegebenen Reihenfolge:
✓ Wie war das Einsatzmuster der Person, die gerade gesetzt hat, im Verlauf dieses Spiels?
✓ Wie passt das Einsatzmuster zur Position (und damit zu den Startkarten) des Spielers und den aufgedeckten Gemeinschaftskarten?
✓ Was für eine Sorte Spieler ist er? Locker, zurückhaltend, aggressiv?
✓ Kann mein aktuelles Blatt die Hand, die ich bei ihm vermute, schlagen?
Diese Gedankenschritte sollten Sie auch immer durchlaufen, aber ich meine hier das Beobachten der anderen, weil Sie dabei ein sehr gutes Gefühl für die Stärke deren Blätter entwickeln können. Aus irgendwelchen Gründen lassen selbst Topspieler ihre emotionslose Fassade nach der Riverkarte manchmal fallen, auch wenn noch andere Spieler nach ihnen agieren könnten. Sollten Sie hinter einem solchen nachdenkenden Entscheider sitzen, so bekommen Sie manchmal zusätzliche Hinweise auf die Stärke Ihres Blattes. Allgemein gilt, dass Sie ein besseres Blatt zum Mitgehen als zum Anspielen brauchen. Je mehr Leute mitspielen, desto besser muss Ihr Blatt sein, wenn Sie gewinnen wollen.
Entscheiden, ob jemand zu bluffen versucht
Ein erfahrener Spieler, der auch noch aggressiv ist und Schwäche spürt, wird exakt eines tun, wenn die Riverkarte ihm nicht geholfen hat: Anspielen. Das ist seine einzige Möglichkeit, das bereits investierte Geld zurückzuholen. Sie wissen das jetzt. Das Problem ist allerdings, dass er auch anspielen würde, wenn er seine Karte getroffen hätte. Wie finden Sie also heraus, was genau los ist? Auch hier ist es wieder am wichtigsten, den Spielertyp einzuschätzen und sich folgende Fragen zu beantworten:
✓ Neigt der Spieler zum Bluffen?
✓ Wie lange ist es seit seinem letzten Bluff her und scheint es Zeit für einen neuen Bluff zu sein?
✓ Ist im Board etwas offensichtlich faul und weist auf einen Bluff hin (wie zwei Flush- oder Straightkarten, zu denen sich keine dritte gesellte, oder lauter niedrige Karten, so dass jemand mit hohen Handkarten kein Paar getroffen hat)?
Selbst wenn Sie festgestellt haben, dass der Gegner wirklich blufft, müssen Sie trotzdem sein Nichtblatt besiegen können. Jedes halbwegs gute Paar sollte dazu ausreichen. Die allgemein akzeptierte Regel lautet, dass man beim Mitgehen auf die Potquoten achten muss. Wenn 120 € im Pot sind und Sie 20 € zum Mitgehen bringen müssen, dann müssen Sie sich fragen, ob die Chance, geblufft zu werden, besser als 1:6 ist, und wenn ja, gehen Sie mit. Und was immer Sie tun, merken Sie sich, ob es gegen den Spieler richtig oder falsch gewesen ist. Denn selbst wenn Sie falsch geschätzt haben, dann könnten Sie doch etwas bemerkt haben, was Sie beim nächsten Mal abhält, den gleichen Fehler noch einmal zu machen.