Trotz Ihrer Chips ins Geld kommen – Poker Turnierstrategien
In Turnierberichterstattungen amerikanischer Fachzeitschriften fällt häufig der Ausdruck on the bubble. Damit ist die mitunter brenzlige Position direkt vor den Geldrängen gemeint. Die Bubble (Blase) ist der kritische Punkt, wo sich Zuversicht in tiefste Enttäuschung und banges Hoffen in große Erleichterung wandeln, nämlich wenn man in genau dieser Situation aus dem Turnier fliegt (die -Bubble ist geplatzt) oder es passiert einem anderen und man selber ist – Puuuh! – im Geld. Wenn in einem Turnier noch zehn aktive Spieler sitzen und neun Plätze ausgezahlt werden, bringt der nächste rausfliegende Spieler die Blase zum Platzen und geht ohne einen Cent nach Hause (und das nach vielleicht stundenlangem Spiel). Zum Schluss bestimmt immer Ihr Chipstapel, wo Sie das Turnier beenden. Wenn er auf Null geht, legt das Programm Ihren Platz fest. Natürlich wollen Sie innerhalb der Sphäre sein, wo all das schöne Geld zu erwarten ist. und nicht außerhalb der Blase im schmutzigen Spülwasser. Deswegen ist der Chipstapel die kritische Größe, die das Spiel -an der Blase bestimmt.
Auf qualitativ guten Seiten beobachtet man oft ein Phänomen, wenn es auf die Bubble zugeht. Es kommt unter Umständen zu längeren Pausen, ohne das an Ihrem Tisch etwas passiert. Das Programm ist in den, Blatt- für-Blatt-Modus gewechselt. Es gibt dazu meist eine Kurzinformation in einem Fenster auf dem Bildschirm. In diesem Modus müssen an allen Tischen sämtliche Spiele beende! sein, bevor neu gemischt und Karten ausgeteilt werden. Damit wird verhindert, dass Spieler mit wenig Chips in der Hoffnung, an einem anderen Tisch würde zwischenzeitlich jemand anders rausfliegen, extrem verzögert spielen. Versuchen Sie, die Bubble zu ignorieren, und spielen Sie Ihr bestes Poker – denn andere tun das nicht. Manche spielen oft extrem zurückhaltend, wenn es auf die Geldränge zugeht. Daraus erwächst manchmal die Gelegenheit, ein paar Blinds zu stehlen. Überlegen Sie sich bei jedem Blatt, was Sie normalerweise vor dem Flop spielen würden, eine Erhöhung – besonders dann, wenn die Blinds nach Ihnen wenig Chips haben (wenn die anderen schlechte Karten haben, geben sie vielleicht auf, anstatt zu kämpfen, und enden so vielleicht gerade außerhalb der Blase).
Eine Fallstudie über das Ignorieren der Chipstapel
Vermutlich illustriert keine andere Geschichte die Wichtigkeit von Chipmenge und dem Bewusstsein dafür besser als diese über ein Online-Satellite für die World Series of Poker, bei dem Red mitspielte. Nach sechs Sunden No Limit Holdem gegen ein Feld von über tausend Spielern war Red am Finaltisch angekommen. Die ersten beiden würden eine Reise nach Las Vegas und freien Eintritt für das $ 10.000-Haupttumier bekommen. Red saß auf 225.000 Chips, sein Gegner Wilder Affe auf 235.000 und der anämische Kleine Tim hatte magere 10.000. Red saß in der Dealerposition. Kleiner Tim hatte den Small Blind mit 2.000 und Wilder Affe (ein Typ, der schon im ganzen Turnier andere schikaniert hatte) war Big Blind mit 4.000. Red bekam – wie schön – A-A. Er erhöhte auf den dreifachen Big Blind, Kleiner Tim stieg aus, und Wilder Affe ging nach einer Pause all in. Red schrie (er ist bekannt dafür, wenn er aufgeregt ist) und ging mit. Was konnte besser sein, als diesen brutalen Kerl jetzt zu erledigen? Die Karten wurden aufgedeckt, der Affe hielt A-K von verschiedenen Farben. Damit war Red ein 93 %iger Favorit (nur Könige, eine Wunderstraße oder ein flush konnten den Affen noch retten). Er war Favorit, bis der Flop mit K K 7 kam, wodurch sich Reds Chancen auf magere 5 % reduzierten.
Turn und Riverkarten brachten keine Hilfe, Red war eliminiert. Der Kleine Tim würde nach Las Vegas reisen. War es ein Bad Beat? Kein Zweifel. Aber das größere Problem hier (wie immer, scheint es) war Reds Geistesverfassung. Nach zwei, drei Runden des Buttons wäre der Kleine Tim all in gewesen. Er stellte überhaupt keine Gefahr mehr dar. Red hätte leicht jeden Einsatz des Kleinen Tim mitgehen können und zwar wiederholt bis zu dem süßen Moment, wo der Kleine Tim nicht mehr hätte spielen können. Das richtige Manöver hier – sogar mit zwei Assen – wäre ein Ausstieg nach dem all in des Affen gewesen, und zuzusehen, wie Tim ins Schwitzen gerät. Egal gegen welches Blatt Red auch spielte, seine Chance zu verlieren lag bei 7 %, die Chance zu verlieren, wenn er ausstieg, war deutlich geringer (Hinweise auf die Berechnung von Chancen finden Sie in Artikel6). Sie ignorieren die Blase, weil es Ihr Ziel ist, das Turnier zu gewinnen und nicht nur einen kleinen Teil des Preisgeldes. Natürlich möchte jeder Geld gewinnen, und das ist immer schöner, als kein Geld zu gewinnen. Schwaches, ungeschicktes und schüchternes Spiel im Bereich der Bubble mindert aber nur die Chancen, den Großen Preis zu gewinnen. Natürlich sollte es Ihr Ziel sein, in die Geldränge zu kommen, ein Platz jenseits der Blase sollte aber nicht das Endziel sein.
Wenn vor der Blase alle etwa gleich viele Chips haben und sich alle nur aufs Überleben konzentrieren, fällt es Ihnen – der Sie den großen Zusammenhang überblicken – oft leicht, ein paar Blinds extra einzusammeln. Das bedeutet jetzt nicht, dass Sie hyperaggressiv und leichtsinnig werden sollten. Gegner mit guten Karten werden auch jetzt spielen. Aber Sie sollten die Aggressionsschraube ein wenig aufdrehen – besonders wenn alle anderen sich zurücklehnen und warten. Eine Ausnahme wäre, wenn alle Top-Qualifizierer den gleichen Preis bekämen. Wenn zum Beispiel die letzten zehn Spieler exakt die gleiche Poker-Kreuzfahrt gewinnen, ist es egal, ob man sich als Zehnter oder Erster qualifiziert, das Ziel ist nur, unter die ersten Zehn zu kommen. Passen Sie auf, wenn Spieler zum all in gezwungen werden. Wenn sie rausfliegen, sind Sie einen Schritt näher am Geld (wenn Sie unter den letzten Zehn sind, können Sie prima Finaltischerfahrung sammeln, ohne sich große Sorgen über Verluste zu machen). Halten Sie sich aus Kämpfen zwischen Leuten mit größeren Stapeln heraus, wenn Sie über den Bubble hinaus wollen. Wenn Sie mit wenig Chips zwischen zwei dicke Stapel gelangen, können die Ihnen sehr schaden, denn wenn einer von beiden bessere Karten hat als Sie, sind Sie raus.