Mit der Equity-Theorie im Texas Holdem Geld verdienen
Unter Equity versteht man den nach dem Wahrscheinlichkeitswert zu erwartenden Anteil aus einem Pot in Prozent ausgedrückt. Dazu ein Beispiel: Heiko spielt mit 20 € an und zwei Gegner gehen mit, wodurch sich 60 € im Pot befinden. Heiko hat sich mit 20 € eine Chance erkauft . 60 € zu gewinnen. Nehmen wir an, seine Gewinnwahrscheinlichkeit beträgt 50 Prozent, dann beträgt seine Equity für den Pot 30 €. Das ist ein Equity-Gewinn, weil die Investition von 20 € (Heikos Einsatz) nun 30 € wert ist. Wenn seine Gewinnwahrscheinlichkeit nur zehn Prozent beträgt, verliert er Equity, denn seine 20 € wären nur noch 6 € wert.
Equity-Theorie ist kein normaler Pokerausdruck. Es ist eine Bezeichnung, die ich für die Mixtur aus Basistheorie, ein wenig Psychologie und Mathematik (in Form von Equity-Berechnungen) benutze. Mir gefällt der Begriff Equity-Theorie, weil er daran erinnert, dass der Schwerpunkt Ihres Spiels auf Equity-Berechnungen oder -Konzepten liegt. Wenn Sie Nachholbedarf bei den mathematischen Aspekten von Poker haben, lesen der nächste Poker-Artikel, bevor Sie hier weitermarschieren. Die weiteren Abschnitte dieses Artikels setzen voraus, dass Sie ein vertieftes Verständnis der Basistheorie von Poker haben, dass Sie bereits gespielt haben, die Theorie angewendet und dabei verstanden haben, was Sie tun. Wenn Sie niemals vorher Poker gespielt haben oder nicht mit der allgemeinen Denkweise vertraut sind, sollten Sie nicht mit diesem Artikel beginnen. Ohne Erfahrung und Basiswissen könnte dieses Artikel einem sich entwickelnden Pokerspiel Schaden zufügen. Wenn Poker neu für Sie ist, überspringen Sie dieses Artikel zunächst.
Das Psycho-Tier mit der Mathe-Bestie kreuzen
In der Musik gibt es seit ein paar Jahren den Trend des mashen, wobei zwei Stücke oder Teile von Stücken elektronisch übereinander gelegt und gleichzeitig abgespielt werden. Im Ergebnis ist das manchmal Krach, manchmal cool und hin und wieder – äh – schaurig. Die Jagd nach neuen Pokertheorien und -Stilen ist ähnlich. Coolness existiert, aber wenn Sie nicht vorsichtig sind, kommen Sie in Situationen, wo Ihr Bankkonto eindeutig leiden wird.
Wissen über Leute (genau Wie Sie) nutzen
Nun, da Sie die Basistheorie des Pokers verstanden haben, werden Sie erkennen, dass Sie verschiedene Dinge über Ihre Gegner (die ebenfalls die Basistheorie verinnerlicht haben) wissen, wie:
✓ welche Art von Händen sie spielen
✓ die Positionen, von wo sie die Blätter spielen
✓ die Art, wie sie in verschiedenen Situationen setzen
Selbst wenn alle Gegner sich entsprechend der Basistheorie verhalten, wird es doch verschiedene Aggressivitäts- oder Passivitätsniveaus bei ihnen geben. Darin unterscheiden sie sich. Mit den Tricks und Techniken des nächsten Poker-Artikels können Sie sich davon einen Eindruck verschaffen. Die Basistheorie und die psychologische Verfassung Ihrer Gegner sind zwei Teile des Equity- Theorie-Puzzles. Ein weiteres Teil ist die Mathematik.
Her mit Spielern, her mit der Mathematik
Betrachten Sie folgendes Szenario: Sie spielen in einen No-Limit-Turnier und sind einer der beiden Finalisten (ich versprach, diesen Poker-Ratgeber würde Ihnen helfen). Sie und Ihr Gegner haben beide 100.000 in Chips. Die Blinds sind bereits sehr hoch mit 5.000 und 10.000. Sie sind im Big Blind. Frank im Small Blind war am Anfang des Turniers sehr zurückhaltend, lockerte aber zunehmend auf und wurde aggressiver. Sie haben Ihre Taktik kaum verändert, sind vielleicht ein wenig konservativer geworden und haben ihn ständig sorgsam beobachtet. In dieser Hand eröffnet er mit einer Erhöhung auf 30.000 und nun sind Sie an der Reihe. Zum Mitgehen müssen Sie noch 20.000 bringen – etwa ein Drittel Ihrer Chips läge dann auf dem Tisch.
Nicht bewegen.
Aussteigen, mitgehen oder…
Schauen Sie zunächst von außen darauf und denken Sie nicht an Ihre Karten. Das sollte einfach sein, weil ich sie noch nicht genannt habe. Aber denken Sie daran, Frank kennt sie ebenfalls nicht, das Konzept ist also gar nicht so weit hergeholt. Besonders unter erfahreneren Spielern ist man sich einig, dass Mitgehen die schwächste Vorgehensweise ist. Entweder erhöhen Sie, um das Spiel unter Kontrolle zu bekommen, oder Sie steigen aus und warten auf bessere Karten. Wenn Sie hier aussteigen, geben Sie zehn Prozent Ihrer Chips in 100 Prozent der Fälle weg. Kampflos.
Sie könnten nur mitgehen, aber wenn Sie sich nicht verbessern (und die Chancen stehen gegen Verbessern), dann müssen Sie entweder bluffen oder anschließend aussteigen und hätten nur mehr verloren. Was wäre schlimmer: Sie versorgen eine zunehmend feindselige Person mit Zusatzmunition. Wie wäre es mit Erhöhen? Nun, die Minimalerhöhung wären 20.000 mehr (weil Sie zumindest genau so viel erhöhen müssten, wie Frank vorher) und dann wäre die Hälfte Ihrer Chips im Pot. An dem Punkt wäre es wie ein Münzwurf, denn wenn Frank einfach mitgeht, wäre genau die Hälfte aller Chips im Pot. Jetzt wäre Aussteigen ein sehr unkluger Vorschlag, weil dann das Chipverhältnis bei 3:1 stünde.
… all in?
Wie wäre es mit maximaler Erhöhung? Alles rein in den Pot?
Sie müssen sich fragen, wie groß die Chance ist, dass Frank passt, wenn Sie all in gehen. Er hat zunehmend aggressiv gespielt. Sie wissen, er spielt entsprechend der Basistheorie und sie sind nur noch zu zweit. Wenn er eine halbwegs stämmige Hand hätte, z.B. zwei Karten höher als 8, würde er vielleicht erhöht haben, um Ihren Big Blind zu schnappen. Vielleicht macht er es ohnehin. In den alten Tagen der Basistheorie hätten Sie ihn vielleicht einfach gewähren lassen. Nicht so im Land der Equity-Theorie.
Sie schätzen, dass er in drei von vier Fällen (75 Prozent) in genau dieser Situation passen würde, wenn Sie all in gingen. Sie haben bisher keine großen Manöver veranstaltet und obwohl Sie etwas aggressiver geworden sind, sind Sie noch nicht mit ihm zusammengerasselt. Die Art, wie er gerade agiert, sagt Ihnen, dass er nicht so stark ist. Vorhin, als er Asse hatte, zitterten seine Hände, jetzt ist er absolut ruhig. Er könnte Respekt zeigen und sich zurückziehen. Hätte er geblufft, wird er nahezu sicher passen. Auf der anderen Seite, wenn er mitgeht, dann vermutlich nur mit einem guten Blatt, und dann ginge es um den Turniersieg.
Die Equity-Gleichung niederschreiben
Der Erwartungswert in Prosa lautet wie folgt: In 75 Prozent der Fälle gewinnen Sie 45.000 direkt. Sie schätzen, er wird so oft aussteigen und Sie gewinnen. Einfach.
Im Hold’em haben beliebige zwei Karten etwa eine 25%-Chance, beliebige zwei andere Overcards zu schlagen. Sie haben also in einem Viertel der Fälle, bei denen Frank nicht aussteigt, sondern mitgeht, eine 25%-Chance, ihn durch pures Glück zu schlagen und 100.000 zu gewinnen. Die schlechte Nachricht ist, Sie verlieren die 100.000 in 25 Prozent der Fälle, weil Sie schon vor dem Flop geschlagen waren.
Als Gleichung sieht das wie folgt aus:
Erwartungswert =(0,75 x 45.000) + (0,25 x 100.000) – (0,75 x 100.000)
= 33.750 -12.500 = 21.250
Boah! Das ist ein positiver Erwartungswert von über 20.000. Der Wert ist riesig, wenn Sie bedenken, dass Aussteigen einen Erwartungswert von 0 hätte.
Das bedeutet, dass es hier und jetzt genau richtig ist, alle Chips in den Pot zu schieben! Aber Sie müssen sich über die Folgen Ihrer Aktionen klar werden. Wenn Sie all in gehen und Frank steigt aus, wird er sich lebhaft daran erinnern und wissen, wozu Sie in der Lage sind. Jedes Mal, wenn Sie all in gehen und jemand steigt deswegen aus, wird es wahrscheinlicher, dass er beim nächsten Mal nicht wieder aussteigt. Wenn diese Wahrscheinlichkeit steigt, ändert sich auch das Ergebnis der Gleichung für den Erwartungswert in negativer Hinsicht.
Das Kleingedruckte
Es gibt hier eine Menge von Annahmen und unabhängig von meiner knackigen Gleichung im vorigen Abschnitt ist vieles deutlich weniger wissenschaftlich, als ich es erscheinen lassen möchte. Die große Frage ist eigentlich: Wie wahrscheinlich wird Frank passen? Je eher er aussteigt, desto besser ist das All-in-Spiel. Sie können die Gleichung mit verschiedenen Werten durchspielen, wenn Sie möchten. Die Gewinnschwelle liegt mit den gegebenen Bedingungen bei 27 Prozent. Wenn Frank öfter aussteigt als in 27 Prozent der Fälle, dann ist es aus rein Equity- theoretischen Erwägungen richtig, all in zu gehen. Wenn es weniger wahrscheinlich ist, nun, dann könnten Sie zumindest einmal einen Blick auf Ihre Karten werfen.
Erwarten Sie nicht (und versuchen Sie es nicht), diese Berechnungen in der Hitze des Gefechts am Pokertisch zu machen. Dies ist ein Poker-Ratgeber, nicht die Aufnahmeprüfung für die mathematische Fakultät der Humboldt-Universität. Sie sollten ein wenig mit der Idee spielen, um ein Gefühl zu entwickeln, was in Situationen wie oben beschrieben erforderlich ist.
Nehmen Sie bitte nicht an, dass alle Erhöhungssituationen unter allen Umständen so enden, dass ein Gegner in 27 Prozent der Fälle aussteigt. Dieser Wert ergibt sich nur in unserem Beispiel. Das wichtige Konzept dieses Artikels ist nicht das Zahlenwerk oder dessen Herleitung, sondern dass es andere Blickrichtungen auf Poker gibt. Eine tiefere Form des Spiels, wenn Sie so wollen.
Die Karten spielen
Beachten Sie, wenn Sie nicht in Ihre Karten geschaut hätten und all in gegangen wären, hätte Frank viel mehr Antrieb verspürt, mitzugehen. Im Moment, wo er sich entscheidet, mitzugehen, sinken Ihre Gewinnchancen enorm (natürlich unter der Annahme, Ihre Karten wären schlechter). Wie Sie sehen, befinden wir uns in einem anderen Land. Ist das Bluffen? Eine Art vielleicht. Man könnte darüber debattieren, ob es Bluffen auf mathematischer Grundlage ist. Wichtig ist, daran zu denken, dass All-in-Gehen hier die korrekte Methode ist, selbst wenn man nur eine 1:4-Chance hat, die Hand zu gewinnen.
Es ist mehr ein Testen des Entschlusses, wie jemand sein Blatt relativ zur Basistheorie spielen will. In Wirklichkeit stecken Sie Ihre Nase unter die Bodenbretter im Haus der Basistheorie, um nach Schwachstellen im Fundament zu suchen (tatsächlich ähnelt es aber mehr einem Klingelstreich). Wenn Sie Ihre Karten ansehen und ein gutes Blatt entdecken, können Sie so wie immer spielen: erhöhen, slowplay oder all in – was immer für den Gegner und die Situation angemessen scheint. Wenn Sie nichts haben, sollten Sie trotzdem keine Angst haben, all in zu gehen, wenn die Chance, dass er passt, nach Ihrer Einschätzung hoch genug ist (solange Sie Ihren Bluff nicht durch einen Teil verraten).
Aus der Sicht von Frank
Wann immer Sie gegen jemanden in einem Kartenspiel antreten, macht es Sinn, die Situation aus dessen Blickwinkel zu betrachten. Wenn er ein Monsterblatt wie Q-Q, K-K oder A-A hat, wird er sich freuen (besonders, wenn er Ihre Karten sieht), weil er mit einem ziemlich hohen Vorteil von etwa 85 Prozent dasitzt (vorausgesetzt, Sie haben eine relativ normale Hand). Wenn es nicht einen Blitzstrahl des Glücks gibt, werden Sie vermutlich mit hoher Wahrscheinlichkeit den bitteren Geschmack des Untergangs kosten müssen. Wenn er ein ziemlich blutleeres Paar wie 6-6 hält, kommt er beim Mitgehen mächtig ins Schwitzen. Bei einem Münzwurf wäre er leichter Favorit, wenn Sie kein Paar hätten, er wäre aber vernichtet, wenn Sie ein höheres Paar hätten. Und er weiß in keiner Weise, welche Karten Sie haben. Es stimmt, er muss etwa ein Drittel seiner Chips aufgeben, wenn er jetzt aussteigt, aber das wäre besser, als nahezu vollständig terminiert zu werden, wenn er mitgeht und Ihr Paar höher ist.
Wenn er einen Satz höherer verbundener Karten wie Q-J spielt, wird er vermutlich ebenfalls aussteigen, weil er denken muss, Sie spielen ein Ass oder mindestens einen König. Wenn er ein Ass spielt, wird er vielleicht widerwillig mitgehen. Die Ausnahme wäre, wenn sein Kicker wirklich niedrig ist. Dann könnte er ebenfalls aussteigen. Wenn er geblufft hat, steigt er nahezu todsicher aus. Wer schießt schon weiter, wenn er vorher geblufft hat und ein All in vor sich sieht? Wie Sie sehen, gibt es viele Gründe, warum er no gracias sagen könnte … einer davon reicht aus.
Zurück auf Feld 1
Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, das Besondere an Equity-Theorie, so wie ich sie in diesem Artikel beschreibe, ist, dass jemand Gegenmaßnahmen einleiten kann, wenn er weiß, was Sie tun wollen. Das könnten so kleine Bosheiten sein, wie in 75 Prozent der Fälle nicht zu passen oder nur auf Sie loszugehen, wenn er eine ernsthaft gefährliche Hand hat, mit der er Sie augenblicklich erledigen kann. Wenn solche Dinge geschehen, müssen Sie – genau wie beim Rochambeau – die Strategie, den Stil, die Theorie wechseln und nach unvermeidbaren Lücken im Spiel des Gegners suchen. Wenn Sie Stein wählen wollen und der Gegner greift zum Papier, dann müssen Sie zur Schere wechseln.
Jedes Mal, wenn Sie an Ihrer Spielphilosophie etwas ändern oder anpassen, wird zunächst Ihr Spielkapital etwas leiden. Es braucht eine Weile, Neues auszuprobieren und sich Veränderungen anzupassen. In mancher Hinsicht ist es stellenweise wie ein Neuanfang. Erwarten Sie nicht, sofort besser zu werden. Aber beobachten Sie sich selbst – was Sie tun und was Sie erreichen. Wenn Sie keine Verbesserungen finden, sind Sie vielleicht auf dem falschen Dampfer. Und werden Sie nicht nervös. Dieses Artikel ist ohne Frage das am meisten anstrengende in diesem Poker-Ratgeber. Alles vorher und nachher ist leichter. Ich wollte nur sicherstellen, dass Sie für Ihr Geld auch etwas bekommen. Später, wenn Ihr Spiel sich verbessert hat, können (und sollten) Sie auf dieses Artikel zurückkommen.
Doyle Brunson, Equity Theoretiker
Doyle Brunson gehört (neben Johnny Chan und Phil Hellmuth) zu den drei Spielern auf der Welt, die die meisten Weltmeistertitel und zugehörigen Bracelets gewonnen haben, nämlich jeweils zehn (Hellmuth liegt aktuell bei neun). Wenn man bedenkt, wie die Teilnehmerfelder in Turnieren von Jahr zu Jahr wachsen, dann könnten das Rekorde sein, die noch eine Weile an der Spitze der Liste zu finden sein werden. Brunson ist berühmt für seinen Ausspruch, dass er die meisten Spieler schlagen könnte, ohne seine Karten überhaupt anzuschauen (natürlich vorausgesetzt, der Gegner weiß nicht, dass er nicht nachgeschaut hat), und zwar allein aufgrund seiner Beobachtungen und seiner Einschätzung des Gegners. Damit spricht Brunson die Essenz der Equity-Theorie an. Erinnern Sie sich an das
Beispiel in diesem Artikel: Ich erwähnte, dass die Karten ausgeteilt und gespielt werden, ohne dass man sie anschaut. Nun, Doyle hält sich selbst vielleicht nicht für einen Equity-Theoretiker, aber aus dem Blickwinkel der Mathematik ist er eindeutig der Dekan der Fakultät.