Lotto Fallbeispiel 2 in Rheinland-Pfalz – hol dir die Millionen Teil 2
Lotto Fallbeispiel 2 in Rheinland-Pfalz – hol dir die Millionen Teil 1
Dieser Vorschlag reichte dem Finanzministerium nicht. Zähle man alle Elemente zusammen, resümierte Thilo Sarrazin, so hätte das Land bei diesem Modell künftig sogar noch weniger bekommen als zuvor. Nicht zuletzt wegen dieses unbefriedigenden Angebots kündigte das Land am 17. Oktober 1996 den Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Toto-Lotto GmbH. Sarrazin gab bekannt, man wolle die Gesellschaft nach Ablauf des Vertrags in der Obhut des Landes sehen.
Dazu wird es wohl nicht kommen. Es darf heute davon ausgegangen werden, dass die Neuregelungen einvernehmlich getroffen worden sind. Denn die schließlich beschlossene Kürzung der Geschäftsbesorgungsvergütung von 12,9 auf 11,4 Prozent entpuppt sich auf den zweiten Blick kaum als Einsparung. Bei Spieleinsätzen von 660 Millionen € (1996) dürfte die Gesellschaft beim alten Satz 85 Millionen € für den Betrieb der Lotterien behalten. Bei 11,4 Prozent, wie es die neue Regelung vorsieht, bleiben rund 75 Millionen €. Doch allein die Bearbeitungsgebühren, welche früher abgeführt werden mussten, die heute aber die Gesellschaft selbst behalten darf, machen mehr als 13 Millionen € aus, nach Abzug der Lotterie- und der Mehrwertsteuer bleiben rund neun Millionen €. Schon dadurch ist die neue Regelung kaum ungünstiger für die Toto-Lotto GmbH als die alte. Es handelt sich um einen Etikettenschwindel, der wohl dazu diente, Presse und Opposition ruhigzustellen. Darüber hinaus darf die Gesellschaft die Kapitalerträge, die aus der Anlage von Spieleinsätzen der Tipper entstehen, behalten.
1996 weist der Geschäftsbericht mehr als 2,5 Millionen € an Zinserträgen aus. Es sieht so aus, als habe die Lotteriegesellschaft sich bei den Verhandlungen erneut durchgesetzt. Sarrazin hätte die Lotterie lieber in Landeseigenverwaltung genommen. Der Staatssekretär, inzwischen bei der Treuhandliegenschaftsgesellschaft in Berlin tätig, musste damals jedoch erklären, er sehe für eine Alternative zur bisherigen Regelung keinen Bedarf, sofern eine einvernehmliche Neuregelung hinsichtlich der Geschäftsbesorgungsvergütung, der Kapitalerträge sowie der Gewinnverwendung zustande kommt. So wie die Dinge in Rheinland-Pfalz geregelt seien, bleibe die Lotterie, was sie war: eine fortlaufende Versuchung.
In Rheinland-Pfalz ist nicht das Land, sondern sind die Sportbünde von Rheinland, Pfalz und Rheinhessen Lotto-gesellschafter. Selbstbewußt formulieren die Lottoherren auf ihrer Web-Seite, dass die Vertreter der Landesregierung im Verwaltungsrat nur eine beratende Funktion hätten. Weil den verantwortlichen Sportbünden ein Fixbetrag aus den Erträgen der Lotterie zufließt, haben sie nichts davon, wenn in der Toto-Lotto GmbH noch so eisern gespart wird. Das sei der Fehler im Vertrag, weil es für die Gesellschafter nicht attraktiv ist, […] sparsam zu wirtschaften.
Den gleichen Konstruktionsfehler haben auch andere Länder zu beklagen, etwa Hessen: Das dortige Gesetz über das Zahlenlotto und Zusatzlotterien schreibt vor, dass der Überschuss an das Land Hessen abzuführen sei. Überschuss sei der Betrag, der nach Abzug der Betriebsaufwendungen, der an die Spielteilnehmer auszuschüttenden Gewinne und der Leistungen an den Landessportbund Hessen e.V., an die Liga der Freien Wohlfahrtspflege sowie an den Hessischen Jugendring verbleibt. Wichtig ist der erste Punkt: Die Betriebsaufwendungen können demnach beliebig hoch sein, denn die Gesellschaft darf sie vom Umsatz abziehen und muss nur abgeben, was übrigbleibt. Auch die Regelung im Saarland birgt diese Schwäche (siehe weiter unten).
Und so wunderte sich in Mainz niemand, dass nach mehr als drei Jahren auch alle Forderungen und Versprechungen vergessen waren. Die beiden Geschäftsführer erhielten 1996 zusammen noch immer 745 000 €. Zwei Prokuristen ergänzen sie. Der Verwaltungsrat besteht noch immer aus sieben Räten. Erich Holzmeiers Vertrag war nach dem Rechnungshofbericht 1995 sogar frühzeitig um fünf Jahre verlängert worden. Das Ministerium will von dieser Verlängerung nichts gewußt haben, obwohl zwei Vertreter des Hauses im Verwaltungsrat zugestimmt haben müssen. Diese hätten den Minister nicht informiert, der dann vor vollendeten Tatsachen gestanden habe, erläutert Sarrazin. Die beiden wurden ja dann auch abberufen, sie waren Teile des Milieus, zwei CDU-Beamte: der Oberfinanzpräsident Konrad Laube und der Abteilungsleiter Wilhelm Westenberger.
Nach Weilers Rücktritt und Holzmeiers vorzeitigem Aus-scheiden Ende 1997 (die Geschäftsführung: Wir haben mit dem in Pension gegangenen ehemaligen Geschäftsführer Erich Holzmeier eine einvernehmliche Lösung gefunden, die für diesen Sportwetten Ratgeber nicht relevant ist) hofften noch einmal alle auf einen Neuanfang. Die Rheinpfalz schrieb: Testfall, ob der neue Kurs hält, wird die Auswahl des neuen Totochefs. Der sollte ein Profi aus der Wirtschaft sein. Verbandsund Politfunktionäre haben in Koblenz nichts mehr zu suchen. Es kam anders. Von den annähernd 300 Bewerbern wurden acht zu einem Gespräch nach Koblenz eingeladen. Anschließend fand ein weiterer Durchgang mit drei oder vier Kandidaten statt, nach dem die Auswahl getroffen werden sollte. Die Wahl fiel auf keinen der Bewerber. Neuer Geschäftsführer wurde Hans Peter Schössler, zuvor Hauptgeschäftsführer des Landessportbunds. Er setzte sich gegen genau 272 Bewerber durch, ohne sich überhaupt am Ausschreibungsverfahren beteiligt zu haben, wie der Trierer Volksfreund feststellte. Schössler soll ein Gehalt von brutto 250 000 € plus Erfolgsprämien in nicht bekannter Höhe beziehen.
Die bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Ise Thomas hat mit der Berufung ziemliche Probleme gehabt, schließlich sei Schössler zuvor der Adjutant Weilers im Landessportbund gewesen. Lieber hätten die Bündnisgrünen – und vermutlich nicht nur sie – nach der in den Jahren zuvor bekanntgewordenen Personalverflechtung zwischen Sportbünden und Toto-Lotto mehr Distanz gehabt. Statt dessen ist nun ein dem Sport verbundener Mann Geschäftsführer geworden, im Aufsichtsrat sitzen fünf Vertreter der Sportbünde und zwei des Finanzministeriums. Damit, meint nicht nur Ise Thomas, fallen die Sportbünde in die Strukturen des Sport-Toto-Skandals zurück.
Nur eines hat sich in Rheinland-Pfalz geändert: Seit die Höhe von Weilers Gehalt an die Öffentlichkeit kam, trägt der Geschäftsbericht heute den Vermerk: Auf die Angaben der Geschäftsführerbezüge wird gemäß § 186 Absatz 4 HGB verzichtet.