Ihr Gegner gut kennenlernen – Pokerstrategien für fortgeschrittene

Bis jetzt haben Sie gelernt, wie man eine Standardhand gegen Standardgegner spielt. Jetzt wollen wir langsam damit anfangen, Strategien auszuarbeiten. Sie müssen sich nämlich Gedanken darüber machen, wie Sie eine Hand auf unterschiedliche Art spielen, je nach Situation. Während Ihre grundlegenden Überlegungen beim Poker immer die gleichen sein sollten, können Sie flexibel spielen, um Ihren Gewinn zu maximieren – und Ihre Verluste zu minimieren. Das sind Variablen, die Sie nach einer Weile selbst bemerken werden, vielleicht auch unbewusst, aber es vergrößert Ihre Gewinnchancen, wenn Sie diese Strategien von Anfang an verstehen.

Der erste Schlüssel ist eine frühzeitige Beurteilung der Spieler am Tisch. Mit welchen Spielertypen haben Sie es zu tun? Gehen sie leichtsinnig Risiken ein? Spielen sie fast jede Hand? Oder spielen sie ganz tight und legen nicht viel in den Pot? Sind sie aggressiv, wenn sie denn spielen? Natürlich ist jeder anders, aber Sie können alle Spieler in Gruppen einteilen, je nach ihrem grundlegenden Spielstil. Sobald Sie diese Gruppen und ihre Spielweisen verstanden haben, können Sie Überlegungen dazu anstellen, wie sie mit welcher Hand spielen würden – und dieses Wissen zu Ihrem Vorteil auswerten. Wir wollen uns einmal die häufigsten Spielertypen ansehen, und welche Strategien Sie gegen sie auffahren können.

Rock
Das ist der Spieler, der sich ganz tight verhält und kaum etwas in den Pot legt. Der Button kann schon mehrere Male den Tisch umrundet haben, bevor dieser Charakter freiwillig (d. h., wenn er nicht gerade die Blinds setzen muss) Geld auf den Tisch legt. Das bedeutet, dass er auf sehr gute Starthände wartet, bevor er sich überhaupt darauf einlässt mitzuspielen, weil er nur dann weiß, dass er eine gute Gewinnchance hat. Er will keine Chips verlieren, indem er auch einmal spekulativ mitgeht, nicht mal, wenn er in hinterer Position sitzt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er gleich mit einer Erhöhung daherkommt, und dann können Sie sicher sein, dass Sie es mit einer sehr guten Hand zu tun haben.

Wenn Sie also nicht den absoluten Knaller dagegensetzen können, dann geben Sie lieber auf. Ihr A, Jsu mag ja prima aussehen, aber der Rock sitzt wahrscheinlich auf so etwas wie A, K oder A, Q. Sobald Sie diesen Spielertyp erkannt haben, beobachten Sie ihn beim Spielen und sehen Sie sich seine Hand gut an, wenn er die Karten zeigen muss – es wird auf jeden Fall eine gute sein. Wenn Sie also keinen Knüller zu bieten haben, gehen Sie raus, wenn der Rock wettet. Seien Sie auch misstrauisch, wenn er in vorderer Position nur mitgeht – Sie wissen, dass er das niemals aus spekulativen Gründen tun würde, also versucht er garantiert gerade Slow-Play mit einer Monsterhand wie A, A oder K, K. Er hofft, dass nach ihm jemand erhöht, damit er All-In gehen oder erneut erhöhen kann.

Calling Station
Dieser Spieler ist der Gegensatz zum Rock. Er legt oft Chips in den Pot, meistens indem er mitgeht, und wenn jemand erhöht, geht er abermals mit. Idealerweise werden Sie selbst nicht mehr als 20 bis 25 Prozent Ihrer Hände spielen, aber die Calling Station spielt ungefähr in 80 Prozent der Fälle. Vielleicht spielt er einfach gern und kann es sich leisten, zu verlieren, aber höchstwahrscheinlich weiß er einfach nicht, was er tut, und er wird hundertprozentig bündelweise Geld verlieren. Er wird viele Starthände spielen, und wenn er über den Flop nichts Passendes dazubekommt, wettet er trotzdem weiter, weil er hofft, dass sich noch etwas ergibt. Wie hoch diese Wahrscheinlichkeit ist, oder ob er vielleicht einfach schon geschlagen ist, darum kümmert er sich gar nicht.

Ihre Strategie gegen die Calling Station besteht einfach darin, dass Sie Ihre guten Hände gegen ihn spielen – er wird die ganze Zeit mit Ihnen mitgehen, und solange Sie im Hinterkopf behalten, dass er at the backdoor (durch die Hintertür), also z.B. auf dem River, einen Flush oder eine Straße bekommen könnte, werden Sie ihm sein Geld abknöpfen. Versuchen Sie nie, diesen Spieler zu bluffen, denn es ist wahrscheinlich, dass er nicht aufgeben wird. Und er könnte vielleicht ja doch eine bessere Hand haben als Sie. Beachten Sie seine Starthände, wenn er seine Karten zeigen muss – da wird es nur so wimmeln von 10, 8 oder K, 9 oder A, 7 oder noch Üblerem.

Das Tolle an diesen Leuten ist, dass sie vor dem Flop er-höhen, wenn sie eine gute Hand haben. Und dann können Sie sicher sein, dass die Calling Station nicht blufft, denn diese Spieler sind zu naiv, um zu erkennen, dass sie damit dem ganzen Tisch verraten, was für tolle Karten sie haben.
Also nehmen Sie sich in so einem Fall in Acht. Viele An-fänger sind Calling Stations, weil sie den Wert der Start-hände und der verschiedenen Positionen am Tisch nicht richtig bewerten können, aber unbedingt ihren Spaß am Spiel haben wollen, indem sie so viele Hände spielen wie möglich.

Wild Card
Ab und zu läuft Ihnen ein Irrer über den Weg, der so viele Hände spielt wie die Calling Station, aber obendrein auch noch die ganze Zeit erhöht, auch wenn er nur eine schwache Hand hat. Er glaubt, er kann alle anderen aus dem Pot drängen und ihn gleich einstecken und mitnehmen. Dieser Typ wird auch loose-aggressive genannt, und er verliert noch mehr Geld als die Calling Station, denn er spielt nicht nur zu viele Hände, sondern setzt auch noch viel zu viel und verliert seine ganzen Chips. Die Wild Card wird ein paar Pots gewinnen, weil die Spieler, die nichts Gutes auf der Hand haben, aufgeben. Wenn ein anderer Spieler jedoch eine gute Hand hat, dann wird er verlieren, weil er jedes Mal bis zum River weiterwettet.

Ihre Strategie sollte auch hier lauten, dass Sie gegen solche Spieler eine gute Hand spielen. Und wenn Sie sicher wissen, dass Ihre Hand gewinnt, dann setzen Sie so richtig – er wird sich nicht zweimal bitten lassen.

Lion
Dieser Spielertyp spielt aggressiv, aber nur manchmal, und zwar im richtigen Augenblick. Dieser Spielertyp wollen Sie sein! Genau wie ein echter Löwe müssen Sie nur ab und zu Beute erlegen – wenn Sie es aber tun, dann wirklich gnadenlos, sodass die anderen Spieler für den Rest des Spiels auf der Hut vor Ihnen sind. Sie sollten, wie es heißt, tight- aggressive spielen. Sie sollten nur eine ausgewählte Zahl von Starthänden spielen (allerdings auch wieder nicht so wenige wie der Rock), und wenn Sie eine Hand bekommen, die Ihnen gefällt, dann spielen Sie aggressiv, um den anderen Spielern von vornherein die Chance zu durchkreuzen, über den Flop, Turn oder River fehlende Karten zu ergänzen und Sie doch noch zu schlagen. Wenn Sie Anfänger sind und noch nicht als Lion auftreten können, dann sollten Sie selbst den Lion fürchten. Er wird immer der Gewinner am Tisch sein, und obwohl ihn die anderen auch mal schlagen, lässt er sich davon gar nicht beeindrucken, sondern macht einfach weiter wie gehabt. Der Löwe ist nicht umsonst der König des Dschungels!

Zwischen den oben aufgeführten Gruppen gibt es noch viele andere Kategorien von Spielern. Aber sobald Sie erst einmal gelernt haben, diese vier zu erkennen, sind Sie schon in einer wesentlich besseren Position beim Spielen Ihrer Karten.

Wettverhalten
Wie wir gerade gesehen haben, kann man die Spieler in verschiedene Typen einteilen, und Sie können sehr schnell ein Gefühl dafür entwickeln, welche Karten sie spielen und ob sie über alle Runden mit Ihnen mitgehen werden. Eine andere Methode, sich immer einen leichten Vorteil zu verschaffen, besteht darin, das Wettverhalten der anderen Spieler auszuspähen. Das wird Ihnen helfen, ihre Reaktionen auf Ihren nächsten Spielzug vorherzusagen, und damit bekommen Sie die Möglichkeit, sie aus dem Feld zu schlagen, egal, was für eine Hand sie haben.

Angenommen, Sie haben:
K♠ 10♠
Ihr Gegner hat: 9♣ 10♥
und auf dem Flop liegt:
K♦ 9♥ 3♣

Ihr Gegner hat ein Paar mit der zweithöchsten Karte auf dem Board und wettet nach dem Flop. Sie haben ein Top Pair mit einem anständigen Kicker und gehen mit.

Dann kommt der Turn:
K♦ 9♥ 3♣ 7♦

Ihr Gegner wird sich Sorgen machen, weil Sie vorher mit seiner Wette mitgegangen sind, und wird nun schieben, weil er nicht recht weiß, wo er steht, und mutmaßt, dass Sie einen König haben könnten. Sobald er schiebt, wetten Sie – und dann wird er in den meisten Fällen aufgeben. Dieses Verhalten können Sie bei diesem Spieler immer und immer wieder beobachten, und zwar mit solcher Zuverlässigkeit, dass Sie beim nächsten Mal schon vor dem Flop mit seiner Wette mitgehen können, egal, was Sie haben, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass er beim Turn schieben wird. Dann wiederholen Sie das bei der nächsten Runde, und höchstwahrscheinlich wird er aufgeben. Manchmal wird er allerdings tatsächlich eine gute Hand haben, und wenn er erst schiebt, dann aber auf dem Turn mit Ihrer Wette mit-geht, dann sollten Sie lieber noch einmal überprüfen, ob Sie wirklich eine Hand haben, die es wert ist, weiterzuspielen.

Nehmen Sie sich vor Spielern in Acht, die sehr oft weiterspielen, nur um den Flop zu sehen, dann aber regelmäßig aufgeben, wenn auf den Flop gewettet wird. Wenn nach dem Flop nur noch Sie und ein Spieler dieses Typs übrig sind, dann können Sie normalerweise den Aggressor spielen und ihn aus dem Feld schlagen, indem Sie wetten und ihn zum Aufgeben zwingen – egal, was für eine Hand Sie haben. Das wird ziemlich oft funktionieren, aber wenn er mitgeht oder nochmals erhöht, dann müssen Sie sich vergewissern, dass Ihre Hand es rechtfertigt, weiterzuspielen. Diese kleinen Bluffs funktionieren sehr oft, aber Sie wollen sich freilich auch nicht erwischen lassen – also geben Sie lieber auf, und brechen Sie den Bluff ab, bevor Sie Ihre Karten beim Showdown zeigen müssten. Wenn solche Spieler nämlich dahinterkommen, dass Sie bluffen, werden sie so schnell nicht mehr passen.

Ähnliches Wettverhalten kann man nach dem River beobachten: Manche Spieler bleiben bis zur allerletzten Karte, nur um dann bei der letzten Wette auszusteigen. Dabei spielt man normalerweise nur so lange mit, wie man etwas Gutes auf der Hand hat. Auch hier sollten Sie es um jeden Preis vermeiden, einen Bluff auffliegen zu lassen.

Ein anderes Muster können Sie sehr einfach erkennen, wenn Sie im Auge behalten, wie viele Leute bei gewissen Händen erhöhen. Vor dem Flop werden viele Spieler bei einer guten Hand nur im normalen Rahmen erhöhen. Diese Leute können Sie sehr schnell identifizieren – sie erhöhen bei einer guten Starthand immer um das Vierfache des Big Blind. Sobald Sie das herausgefunden haben, wissen Sie also, dass Sie besser gleich aufgeben, wenn so ein Spieler vor dem Flop ums Vierfache des Big Blinds erhöht – es sei denn, Sie haben selbst eine richtig tolle Starthand. Es zahlt sich aus, wenn Sie darauf achten, Ihr eigenes Wettverhalten immer wieder ein bisschen zu variieren, sodass die anderen Spieler es nicht so leicht durchschauen können. Wenn Sie bei A, A oder K, K oder A, Ksu jedes Mal standardmäßig um das Vierfache des Blinds erhöhen, dürfen Sie sich nicht wundem, wenn die anderen das merken und gleich aufgeben. Und dann streichen Sie nämlich bloß die Blinds ein statt einen gut gemästeten Pot.

Der Trick ist der, dass Sie mal ums Dreifache, mal ums Doppelte (das ist das Minimum) erhöhen, manchmal dann wieder ums Fünffache. Auf diese Art kommen Ihre Gegner nie so recht dahinter, was Sie eigentlich in der Hand haben, und damit haben Sie schon die halbe Miete, denn die anderen können nie richtig einschätzen, wo Sie mit Ihrem Blatt stehen (außer Sie haben natürlich eine Monsterhand).

PokerStars-Tipps
John Duthie, Gründer der European Poker Tour und erster britischer Spieler, der eine Million Pfund im Fernsehen gewonnen hat:
Konzentrieren Sie sich während der Runden auf die anderen Spieler, auch wenn Sie selbst gerade nicht mitspielen. Damit können Sie unheimlich viele Informationen sammeln. Und wenn Sie dann wieder mitspielen, können Sie die Informationen gegen diese Spieler verwenden.

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