Geschichten eines Zockers in den Las Vegas Kasinos Teil III

Zum Glück war er es nicht – dieser Kampf stand als Nächster auf dem Programm. Nachdem ich auf meinem Sitz direkt am Ring Platz genommen hatte (dank freundlicher Unterstützung von Caesar persönlich), beobachtete ich mit steigendem Entsetzen das Spektakel vor meinen Augen, das offenbar gerade zu Ende ging. Aus dieser Entfernung kann man das knirschende Geräusch hören, wenn ein Boxhieb richtig sitzt, das fürchterliche Keuchen, wenn er sein Ziel trifft. Ich schämte mich für mein Zuschauen; es kam mir vor, als hätte ich mich in einen Kampf zwischen zwei gefangenen Tieren eingeschlichen. Doch hier im Caesar’s Palace schien das zum allgemein akzeptierten Ambiente zu gehören.

Zwei Schwarze, die sich gegenseitig zusammenschlagen, zur Belustigung einer mäßig interessierten Menge, die mehr damit beschäftigt war, auf das Ergebnis zu wetten, als sich den Kampf anzuschauen – noch näher kommt die Neuzeit wohl nicht an die Gladiatorenkämpfe im alten Rom heran. Und da Diana Ross gerade nebenan im Circus Maximus auftrat, musste die Arena, in der ich saß, wohl das Colosseum sein. Das Publikum selbst war überwiegend schwarz, mächtig aufgedonnert und stank nach druckfrischem Geld. Die meisten nahmen den Kampf gar nicht richtig wahr, sondern plauderten miteinander, während ihre schwarzen Brüder um ihr Leben kämpften. Glücklicherweise war alles bald vorüber. Danach verwandelte auch ich mich in einen dieser blutrünstigen Zuschauer und feuerte den Asiaten an, er solle mir meinen Tausender wieder reinholen.

Breland betrat zu den ohrenbetäubend bedrohlichen Klängen von Michael Jacksons Bad den Ring. Er mochte zwar abgehalftert sein, aber er war immer noch wesentlich größer als mein Typ, der nun zu Peter Gabriels Sledgehammer einmarschierte. Dem Programmheft zufolge war Breland einsachtundachtzig gegenüber den Einssechzig des Koreaners, und seine Reichweite betrug 70 Zentimeter, gegenüber den 63 Zentimeter des Mannes aus Asien. Während ich noch verzweifelt nach einer beruhigenden Statistik zugunsten meines Kämpfers suchte, ertönte der Gong zur ersten Runde – doch es gelang mir nicht, in den vierundfünfzig Sekunden bis zu seinem K. o. eine zu finden.

So viel zu heißen Tipps von Fremden bei Sportwetten im Caesar’s, und so viel auch zu meinen 250 Dollar. Ich hatte fünf Stunden Poker gespielt, um 200 Dollar zu gewinnen, und dieser Kerl verlor sie in vierundfünfzig Sekunden. Nun steckte ich noch tiefer in der Klemme: ein Minus von 1 450 Dollar für den Tag und keine Aussicht auf Wiedergutmachung. Als der Honeyghan-Kampf näherrückte, machten sich überall in der Halle Horden von britischen Bierbäuchen lautstark bemerkbar – wie die englischen Fußballfans, deren Shirts sie trugen, wollten sie Blut sehen. Der Anblick erfüllte mich mit Abscheu gegenüber meinem Vaterland und neuer Zuneigung für meine Wahlheimat Las Vegas.

Instinktiv lief ich zurück in den Bereich für Sportwetten und setzte bei einer Quote von
2 :1 500 Dollar auf den Sieg von Starling über Honeyghan. Nicht besonders patriotisch, aber ein Mann muss eben tun, was er tun muss – selbst wenn er in seinem Innersten weiß, dass er einen Fehler macht. Als ich wieder in die Halle kam, wurden gerade die VIPs vorgestellt. Große Namen wie Spinks und Sugar Ray Leonard waren dabei, die alle in meiner Nähe saßen – und sogar Mike Tyson, auf dem Höhepunkt seiner Eheprobleme, drei Wochen vor seinem Titelkampf gegen den Briten Frank Bruno.

Auch Amarillo Slim wurde der Menge vorgestellt, doch dieses eine Mal war der Applaus dürftig; heute Abend stand Poker definitiv an zweiter Stelle hinter der Gier nach echtem Blut. Die amerikanische Nationalhymne wurde schief gesungen, was inmitten des primitiven, betrunkenen Gegröles der britischen Hooligans jedoch kaum auffiel. Jetzt brüllten sie auch noch Malvinas Inglaterra. Das hier sind deine Kinder, Maggie, dachte ich und ärgerte mich darüber, dass ich meine Wette nicht verdoppelt hatte.

Mit stark gemischten Gefühlen rief ich mir noch einmal Honeyghans gewinnende Freundlichkeit in Erinnerung – ich hatte ihn kennen gelernt, als wir vor kurzem bei einer Show im Frühstücksfernsehen nebeneinander auf dem Sofa saßen. Doch die Aussicht auf schnöden Mammon hatte mich dazu gebracht, ihn in der Stunde seiner größten Not im Stich zu lassen. Sein Herausforderer erschien, abermals zu Bad; dann stieg der Champ in den Ring, zu einer Musik, die zu laut war, als dass man sie hätte identifizieren können. Als der Kampf begann, schaute ich lieber nicht zu, sondern genoss stattdessen den Anblick der britischen Rowdys, die nicht besonders sanft von der örtlichen Polizei abgeführt wurden, während sie rassistische Parolen grölten.

Der arme alte Honeyghan. Er hätte etwas Besseres verdient gehabt. Schon in der vierten Runde geriet er in Schwierigkeiten und verlor seinen Weltmeistertitel, als der Ringrichter das Massaker schließlich in der neunten Runde beendete. Nie habe ich mich wegen eines Gewinns von 1 000 Dollar schlechter gefühlt. Am nächsten Tag traf die Puppe in Vegas ein. Ich holte sie am Flughafen ab, mit der längsten Limousine, die das Caesar’s zu bieten hatte, samt weißer Blumen und einer geeisten Flasche Champagner. Ganz erledigt vom Transport des schweren FamiIienschmucks, legte sie sich sofort in unserem herzförmigen Bett schlafen – und stellte beim Aufwachen fest, dass ich gegangen war.

Nachdem sie sich die halbe Nacht ausgeruht hatte, kam sie gegen drei Uhr ins Casino und fand mich mitten in einem 150-Dollar-Satellite für das Turnier am nächsten Tag – Caesar’s Super Challenge, ein 1500-Dollar-No-Limit-Hold’em-Turnier, bei dem Preisgelder in der Größenordnung von 250 000 Dollar winkten. Auf den Turniersieger wartete noch ein Sonderpreis, der mir bereits das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ: Mitten im Sports Book, auf dem Weg zum Turnierbereich, stand das Sondermodell eines 1 989er Chevrolet Astro Tiara Roadster, dessen Innenraum mit allem nur erdenklichen Komfort ausgestattet war und mit dem der Gewinner des Caesar’s Super Challenge auf und davon fahren konnte.

Zuerst aber musste ich mir meine Turnierteilnahme sichern. Als die Puppe eintraf, war ich gerade mit 6-7 auf der Hand für 300 Dollar All-in gegangen. Voll rührender Zuversicht – wobei ich nicht weiß, was ihr dazu Anlass gab; das Blatt oder der Spieler können es nicht gewesen sein – machte sie es sich auf einem Sitz hinter mir bequem, als wäre die Sache hier noch nicht ausgestanden. Der vertraute Duft von Fracas wirkte wie die Ankündigung einer günstigen Wende meines Schicksals – und prompt brachte der Flop 5-9-J… Q … 8. Von diesem Augenblick an war mein Sieg nur noch eine Frage der Zeit. Mein Gegenspieler im Heads-up war so offensichtlich grün hinter den Ohren, dass ich dieses Mal keinen Deal aushandelte.

Weitere 1 350 Dollar an Teilnahmegebühren gespart. Ebenso freudig erregt wie ich, beschloss die Puppe, diesen Moment für die Vergrößerung ihres eigenen Spielkapitals zu nutzen – eine Aufgabe, die man in Vegas nur allzu leicht angehen kann. An
sämtlichen Casinowänden wartet eine stetig wachsende Armee von Bargeldautomaten darauf, einem gegen Eingabe einer PIN-Nummer das eigene Kreditlimit heranzupfeifen. In ihrem Überschwang hatte die Puppe jedoch leider ihre Karte in den falschen Automaten gesteckt – und als dieser sie nun höflich um ihre PIN-Nummer bat, konnte sie sie nicht eingeben. Nachdem wir alle möglichen und unmöglichen Knöpfe gedrückt hatten, befand der Automat, sie führe nichts Gutes im Schilde, und schluckte ihr einziges effektives Zahlungsmittel.

Das versetzte der Stimmung einen Dämpfer. Die Puppe ist keine Schnorrerin. Im treuen Glauben an die amerikanische Effektivität nahm sie die Tageszeit – es war mittlerweile gegen fünf Uhr morgens – auf die leichte Schulter und rief den Notdienst an. Dessen Mitarbeiter verbringen ihr ganzes Leben damit, durch Vegas zu ziehen und sich mit den Trotzanfällen dieser überlasteten, geduldig leidenden Lebenserhaltungssysteme zu befassen. Als schließlich ein übermüdeter Techniker erschien, war er nicht in der Stimmung für eine Erklärung – er hatte sie alle schon einmal zu hören bekommen, und noch mehr als das. Als er das Gerät öffnete, fiel ihm Las Vegas in all seiner Umbarmherzigkeit entgegen:

In den vergangenen vierundzwanzig Stunden hatte dieser eine Geldautomat – einer von zig Exemplaren allein in Caesar’s Palace, Hunderten auf dem Strip, Tausenden in der ganzen Stadt – die Kreditkarten von nicht weniger als einhundertunddreiundsiebzig Spielern geschluckt, die alle vergeblich versucht hatten, ihr Kreditlimit zu überschreiten. Im Nachhinein fand ich es erstaunlich, dass im olympiagroßen Pool des Caesar’s nicht jede Menge Leichen trieben. Wie bezahlten diese Leute ihre Rechnungen? Quälten sich jetzt in diesem Augenblick riesige Horden von ihnen klamm-heimlich als Sklaven durch den Abwasch des Casinogeschirrs? Setzte sich diese vorbeiziehende Phalanx von Zenturionen aus ehemaligen Gästen zusammen, die nun unbezahlte Rechnungen abarbeiteten?

Wie viele Spieler hatten wohl als Millionäre eingecheckt und als Pagen ausgecheckt? Vergessen Sie Gibbon. Wenn es um Niedergang und Fall ging, stellte dieser Ort das Römische Reich in den Schatten. Sieben Stunden unruhigen Schlafs später startete ich bei der Caesar’s Super Challenge an Tisch Fünf, Platz Zwei, neben dem immer freundlichen Cowboy Wolford, einem ehemaligen Rodeoreiter, der exotische Jeanskreationen trägt, die mit seinem Namen sowie diversen Gewinnerhänden aus seiner Laufbahn als Pokerprofi verziert sind. Auch hier herrschten wieder Niedergang und Fall vor: Schon bei der ersten Hand flog ein armer Teufel an unserem Tisch mit einem Paar Asse aus dem Turnier. Arty Cobb, einer der interessantesten Typen unter den Profis und berühmt für seine haarsträubend bestickten Baseballkappen, war mit
K-8 von Herz All-in gegangen.

Der Flop brachte 6-7-10, gefolgt von Dame und Neun. Cobb, der sich schon vor dem River von seinem Platz erhoben hatte, zog erstaunte Blicke auf sich, als er die Herz-Acht umdrehte und damit seinen Zufalls-Straight vervollständigte. Das ist meine Glückskarte, erklärte er, ohne sich zu entschuldigen. Die spiele ich immer. Vermutlich immer noch etwas verschlafen, versaute ich die erste Hand, bei der ich einstieg, indem ich mit A-7 von Kreuz gegen einen Check erhöhte und prompt in eine potenzielle Straße hineinlief, die dann tatsächlich auch zusammenkam. Meine schlechte Position war keine Entschuldigung für einen solchen Lapsus, der mich die Hälfte meiner 1 500 Dollar kostete. Mit der Aussicht darauf, gleich in der ersten Stunde auszuscheiden, landete ich kurz danach in einem Showdown mit den beiden Spielern am Tisch, die ich am meisten fürchtete, nämlich Cowboy und Cobb.

Nachdem ich A-K von Karo erhalten hatte, erhöhte ich vor dem Flop um das Maximum, musste jedoch feststellen, dass beide mitgingen. Als mit dem Flop K- 10-J auftauchten und ich als Erster sprechen musste, dachte ich lange darüber nach, ob einer der beiden womöglich A-Q auf der Hand hatte. Dann beschloss ich, dass das nicht sein konnte, und sagte mir, ich könnte sie genauso gut selbst dafür zahlen lassen, herauszufinden, ob ich diese beiden Karten besaß. Also ging ich mit sage und schreibe 500 Dollar All-in.

Beide passten. Puh. Damit war mein Chipstapel wieder ausgeglichen. Die Uhr zeigte gerade einmal 13.40 Uhr – wir saßen erst seit zwanzig Minuten am Tisch, und ich fühlte mich schon jetzt völlig erledigt. Dazu kam, dass das Nervenkostüm aller Teilnehmer im Saal von der Lautsprecheranlage aufs Äußerste strapaziert wurde: Über ein Endlosband lief die ganze Zeit eine laute Country-&-Western-Nummer mit dem Titel Wagst du eine Wette mit Amarillo Slim?. Die Pointe lautete: Verdammt, selbst der Teufel geht keine Wette mit Amarillo Slim ein. Währenddessen drehte der Besungene höchstpersönlich seine Runden durch den Saal und genoss den Moment der Unsterblichkeit, den das Lied ihm verlieh. Als das Band jedoch zum x-ten Mal anlief, brachte verächtliches Gejohle es endlich zum Schweigen.

14.35 Uhr: Big Blind (Cowboy) zwingt Small Blind (mich), mit 900 Dollar All-in zu gehen. Der Flop mit K-Q-x jagt mir einen Schrecken ein, da ich A-Q halte. Zwei weitere Luschen kommen. Der Cowboy zeigt ein Paar Zehner und gibt sich großmütig geschlagen. Ich habe nun 1 800 Dollar in Chips und schwöre mir, weniger Hände zu spielen als gestern.14.55 Uhr: Zwanzig Minuten – eine ganze Runde – sind vergangen, bevor ich wieder in Aktion trete, erneut als Small Blind und gegen dieselben Gegner, in Form von Cowboy als Big Blind und Cobb, der mitgegangen ist. Erneut sehe ich mich gezwungen, All- in zu gehen, dieses Mal mit A-9 von Pik, nach einem Flop mit A-4-4. Der Cowboy passt, doch Arty Cobb geht mit, im Glauben, dass ein Ass die Sache entscheidet. Er hat mich zwar nervös gemacht, aber auch meine Chips auf 2 350 Dollar aufgestockt.

15.55 Uhr: Mit A-K als Startkarten setze ich 500 Dollar. Alle passen, vermutlich, weil es mein erster Einsatz seit einer Stunde ist. Selbstdisziplin kann manchmal so langweilig sein; da würde es mehr Spaß machen, dem Gras beim Wachsen zuzusehen oder der Farbe beim Trocknen. Ich habe 2 650 Dollar. Wir sind jetzt zweieinhalb Stunden weit im Turnier und von ursprünglich hundertfünfzig Teilnehmern sind nur noch einundsechzig übrig geblieben.
16.15 Uhr: Inzwischen wird noch an sechs Tischen gespielt – folglich sind noch etwa fünfzig Spieler, also ein Drittel des Feldes, im Kampf um die 250 000 Dollar dabei. Dieses eine Mal lässt sich die Sache einfach ausrechnen. Während die durchschnittliche Chipmenge inzwischen bei 4 500 Dollar liegt, besitze ich 3 050 Dollar. Noch vor kurzem schien das eine Menge zu sein, doch nun muss ich anfangen anzugreifen.

16.20 Uhr: Ich bekomme meine Chance und befördere jemanden mit A-K von Kreuz aus dem Spiel, was meinen Stapel auf 5 500 Dollar erhöht. Dann knalle ich wie der letzte Idiot in Chip Reece hinein, den seine Profikollegen für den besten Allround- Spieler der Welt halten. Wie konnte ich so lange so vorsichtig freien, nur um dann auf eine verrückte Ahnung hin das Risiko einzugehen, alles aus dem Fenster zu werfen – na ja, das meiste jedenfalls? Beide haben wir, das ist klar, ein Ass, das mit dem Ass im Flop ein Paar bildet. Aber wer hat den besseren Kicker? Es costet mich 3 000 Dollar herauszufinden, dass er es ist – sein König schlägt meine Dame. Damit bin ich wieder auf knapp über 1 000 Dollar abgestürzt.

Das war ein unglaublich kostspieliger Fehler, genau in dem Augenblick, als ich befriedigende Fortschritte zu machen schien. Damit bleibt mir kaum eine reelle Chance, ins Preisgeld zu kommen. Missmutig spiele ich A-5 und verbessere mich ein wenig, auf 1 735 Dollar. Noch ist nicht aller Tage Abend.
16.35 Uhr: Noch fünfundvierzig Spieler im Turnier. Ausgerechnet jetzt, wo ich ein wenig Action brauche, bekomme ich nichts Ordentliches mehr auf die Hand.
17.10 Uhr: Noch vierzig Spieler übrig, und ich bin runter auf etwa 1 000 Dollar. Die Grundeinsätze liegen bei 25 Dollar pro Spieler, die Blinds bei 100-200 Dollar. Mir bleibt kaum noch genug für die nächsten beiden Runden. Jetzt heißt es alles oder nichts.

17.20 Uhr: Nichts. Abgang London Tony an siebenunddreißigster Stelle. Damit erübrigt sich auch die Frage, wo ich eine trans-atlantische Exportlizenz für den Chevy Astro Tiara herbekomme. Die arme Puppe. Sie musste an jenem Abend einen deprimierten Pokerprofi aufmuntern – und am nächsten Tag einen noch deprimierteren. Aber das war ganz allein ihre Schuld.Um elf Uhr am nächsten Morgen – eine sonderbar frühe Zeit für mich – spazierten wir Hand in Hand an den Zierbrunnen des Caesar’s vorbei, über die Straße und hinein ins Dunes, um dort unsere Teilnahmegebühren für ein 25-Dollar-Buy-in-Limit- Hold’em-Turnier mit 20-Dollar-Rebuys innerhalb der ersten Stunde auf den Tisch zu legen. Von den maximal zwanzig Teilnehmern würden drei Preisgeld erhalten, und auf den Sieger warteten (wie sich nach den Rebuys herausstellte) 600 Dollar.

Nach jeweils vorsichtigem Beginn an separaten Tischen, ohne dass einer von uns einen Nachkauf gebraucht hätte, freuten wir uns darüber, am Finaltisch unter den neun letzten Spielern wieder aufeinanderzutreffen. Als ein Paar Könige meinen A-J schlug, bedachte sie mich, der dadurch auf den siebten Platz rutschte und kurz vor dem Ausscheiden stand, mit einem mitfühlenden Lächeln. Nun erst begriff ich, was es für meine Moral bedeuten würde, wenn die Puppe hier besser abschnitt als ich. Aber sie saß immer noch am Tisch, lange nachdem ich aus dem Turnier geflogen war, und langsam rückte der Beginn des Medienturniers im Caesar’s näher. Zu diesem Zeitpunkt gehörte sie zu den vier Teilnehmern, die darum kämpften, ins Geld zu kommen.

Ich sagte ihr, ich wolle sie nicht nervös machen, räumte hastig das Feld und reservierte uns beiden Sitze für Slims Medien- Pokerrunde – bei der zu meinem Leidwesen Seven-Card Stud und nicht Hold’em gespielt werden sollte. Stud, müssen Sie wissen, ist das Spiel der Puppe. Die Dealer waren gerade dabei, die Karten zu mischen, als sie hereinstürmte, um ihren Platz einzunehmen. Dabei umklammerte sie überglücklich einen Umschlag, der 190 Dollar Preisgeld für den dritten Platz im Dunes enthielt.

An Amarillo Slims Medienturnier nahmen fünfundsechzig Spieler teil, von denen sieben Bargeldpreise erhalten würden. Obwohl Stud nicht zu meinen Stärken zählt, lief es für mich ganz okay – und für die Puppe ebenfalls: Nach ein paar Stunden, während derer wir die Presseanfänger zum Frühstück verspeisten, begegneten wir uns erneut am Finaltisch. Dieses Mal gelang es mir, mich im Vergleich zu meiner Leistung im Dunes zu verbessern. Ich schied als Neunter aus, nur zwei Plätze hinter der Puppe, die sich als Siebte ein Preisgeld von 50 Dollar und eine Erwähnung in den Turnierannalen sicherte.

Als sie mich in Kleopatras Barke zusammengesackt an der Bar fand, stand ich kurz davor, nach Hause zu fahren. Welchen Sinn hatte es, mich als erfahrener Profi beweisen zu wollen, wenn sie einfach in die Stadt geschneit kam und mich lässig ausstach? Begriff sie denn nicht, wie rücksichtslos sie sich verhielt? War ihr völlig egal, dass sie damit mein Ego am Boden zerstörte – ausgerechnet jetzt, wo in drei Monaten die World Series bevorstand? Es gibt Momente, in denen die Puppe in einer Art mentaler Telefonzelle verschwindet, sich in Superpuppe verwandelt und mühelos einen selbstlosen Schongang einlegt. Das hier, so viel erkannte sie, würde einer jener Momente sein müssen. Ihre erste Tat bestand darin, mir mit der Hälfte ihres Gewinns das beste Abendessen zu spendieren, das man im Caesar’s bekommen kann – eine umso großzügigere Geste, als wir am Abendbüffet der Pokerspieler im Palladium kostenlos hätten essen können.

Als Zweites erinnerte sie mich daran, dass dies doch nur Kreisklasseturniere gewesen seien, verglichen mit den Erstliga-Wettkämpfen, bei denen ich fortwährend gute Ergebnisse erzielt hatte. All meine Siege in den Satellitenturnieren seien wesentlich beeindruckender als die beiden Platzierungen, die sie heute mit viel Glück verbuchen konnte. Und zum Abschluss sagte sie noch, wenn ich eines Tages ein Buch über all das hier schreiben wolle und dabei vergessen würde, dass sie bei zwei aufeinander folgenden Pokerturnieren in Las Vegas Geld gewonnen hätte, würde sie mich umbringen.

An jenem Abend fiel meine Puppe lange vor Mitternacht in einen tiefen Schlaf, mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf den einst so engelhaften Zügen. Ich hingegen verspürte den Drang, mich zu bestrafen. Und die härteste Bestrafung, die mir einfiel, bestand darin, mich für das Nachtschicht-Turnier im Marina einzuschreiben. Als einzige Veranstaltung in der ganzen Stadt, die um drei Uhr morgens beginnt, ist dieses Turnier für die völlig Verzweifelten gedacht. Bei den meisten Teilnehmern handelt es sich um Dealer aus anderen Casinos, die gerade ihre Nachtschicht beendet haben. Da sie selbst erstklassige Pokerspieler sind und endlich auch einmal spielen wollen, nachdem sie den ganzen Tag anderen beim Gewinnen und Verlieren zugesehen haben, bringen sie als Einzige noch genug Motivation auf, um sich um diese Uhrzeit an den Pokertisch zu setzen.

Um mich wachzurütteln, mir ein zusätzliches Maß an Demütigung aufzuerlegen und mich daran zu erinnern, wie lange es schon her war, dass ich irgendwelches Geld gewonnen hatte, zwang ich mich zu einem Fußmarsch ins Marina, anstatt den Betrag für meine Teilnahmegebühr in Höhe von 35 Dollar noch durch die Kosten für ein Taxi aufzustocken. Es gibt nur zwei Sorten von Menschen, die um zwei Uhr nachts in einer Winternacht die Straßen von Las Vegas bevölkern: Straßenräuber und arme Schlucker, die es nicht wert sind, ausgeraubt zu werden. Während ich mir meinen Weg durch die Stadtstreicher bahnte und dabei überlegte, ob die 35 Dollar in meiner Gesäßtasche wirklich das Risiko wert waren, dafür mein Leben zu lassen, begann es zu schneien.

Natürlich war dies eine kalte Nacht – das hatte ich, ohne Mantel, bereits gemerkt -, aber Schnee? Mein selbst auferlegtes Leiden nahm nun grausame und ungewöhnliche Züge an, zumal mir inzwischen aufging, dass drei Häuserblocks in Las Vegas einen deutlich längeren Spaziergang bedeuteten, als nach dem Stadtplan zu erwarten gewesen war. Als ich schließlich eine Stunde später am Marina ankam – unversehrt, abgesehen von ein paar Frostbeulen -, hieß es, dies sei der erste Schneefall in einem Februar in Las Vegas seit siebzehn Jahren. Die Casinonachzügler diskutierten sofort, wie die Quoten dafür aussehen würden.

Währenddessen dachte ich darüber nach, ob das ein Beweis dafür war, dass mich mein Glück verließ – schließlich hatte ich mir ausgerechnet diese Nacht für meinen ersten langen Spaziergang in Vegas ausgesucht, und das nach über einem Jahrzehnt regelmäßiger Besuche. Doch all das stimmte mich nur noch entschlossener. Um 3.30 Uhr morgens waren fünfundzwanzig verlorene Seelen bereit, Platz zu nehmen und das Nachtschicht-Turnier zu bestreiten; zwei Drittel waren Dealer aus dem Palace Station oder weiter westlich gelegenen Casinos. Sie waren in fröhlicher Feierabendstimmung, was meine Laune noch grimmiger machte. Der einsame Fremde mit dem englischen Akzent auf Platz Fünf, Tisch Zwei behielt seine Meinung für sich, sichtlich genervt über die fröhlichen Sprüche seiner Tischnachbarn.

Er bewahrte sich sein witzresistentes, ungeselliges Schweigen und spielte dabei so verschlossen wie eine Auster, bis er es schließlich an den Finaltisch geschafft hatte. Die rosenrote Morgendämmerung streckte bereits ihre Finger nach den Flops aus, als der Mann schließlich in der ersten Hand des Finales Mann gegen Mann verlor und müde den Umschlag für den Zweitplatzierten einsteckte, der 250 Dollar enthielt. Falls ich am Ende nicht ins Geld gekommen wäre, hätte ich es dann wirklich über mich gebracht, zu Fuß zurückzugehen? Wir werden es nie erfahren. Immerhin durchschaute ich den Taxifahrer: Ich wusste, dass er behaupten würde, er könne mir den Fünfzigdollarschein nicht wechseln, aber ich überließ ihm das Geld dennoch. Nun konnte ich der Puppe wieder in die Augen sehen, die just in diesem Moment aufwachte.

Die Tagesstunden unserer letzten vierundzwanzig Stunden in Vegas verbrachte ich mit Schlafen, während sie bei den großen Jungs kiebitzte. Nachdem ich die Satellitenturniere für das Hauptereignis, also Amarillo Slim’s Superbowl, verpasst hatte, konnte ich es mir nicht leisten, die 5 000 Dollar Teilnahmegebühr einfach so auf den Tisch zu blättern. Diese Woche hatte mich bisher 1 500 Dollar gekostet, trotz eines imaginären Gewinns von 3 000 Dollar bei Satellites für zwei große Turniere – was mich vor die Frage stellte, ob mein Spielkapital wohl bis zur World Series reichen würde. Bei meiner Abreise hatte ich noch 5 000 Dollar besessen, und ich würde es mir nie verzeihen, mit einem Minus von 9 999 Dollar nach Hause zurückzukehren. Außerdem hätte eine weitere vierstellige Teilnahmegebühr bei meiner gegenwärtigen Turnierform doch nur bedeutet, erneut Geld in die Pokerbranche zu stecken, die auch ohne meine Investitionen schon glänzend zurechtkam.

Als ich im Kartensaal eintraf, frisch und munter und bereit für ein wenig Action, waren die meisten Alphatiere aus dem großen Turnier ausgeschieden und steckten bereits tief in noch größeren Sidegames. Es war der letzte Abend dieses speziellen Branchentreffens, und die Chips flogen einem nur so um die Ohren. Als ich die Puppe aufstöberte, meinte diese, es bereite ihr eine Riesenfreude, dabei zuzuschauen, wie die großen Tiere sich gegenseitig fertigmachten. Man stelle sich ihre Überraschung vor, als sie nach ein wenig Frustkauf an der Via Appia feststellte, dass ihr Kerl beschlossen hatte, alles auf eine Karte zu setzen und sich ihnen anzuschließen.

Ich hatte mich mit Perry Green und einigen seiner Kumpel zu einem
$ 5/$ 10/$ 25-Pot-Limit-Hold’em-Spiel an einen Tisch gesetzt – mit mageren 1 500 Dollar in Chips und Bargeld (das Maximum dessen, was ich zu riskieren wagte). Bei der zweiten Hand – ich saß Under the Gun – erhielt ich K-2 von einer Farbe und führte mich dreist mit 50 Dollar ein. Vier andere am Tisch gingen mit. Damit lagen 250 Dollar im Pot, davon 50 Dollar von mir. Nun deckte der Dealer K-K-2 auf. Konnte es sein, dass ich tatsächlich immer sauber geblieben war? Schwer zu sagen.

Dieses Mal würde ich Kapital aus meiner frühen Position schlagen und es ihnen schwer machen. Ich setzte das Maximum, 250 Dollar. Drei Mann passten, doch der letzte Spieler, ein mir unbekannter jüngerer Mann mit Baseballkappe und Pferdeschwanz, brachte meinen Einsatz und erhöhte seinerseits um 500 Dollar. Offenbar besaß er den letzten noch im Spiel befindIichen König mit einem weit besseren Kicker. Aber ich hatte mein Full House schon zusammen, und die Wahrscheinlichkeit war auf meiner Seite. Also brachte ich seine 500 Dollar, erhöhte meinerseits um 700 Dollar und trennte mich damit von meinen gesamten 1 500 Dollar.

Er ging ohne Zögern mit und deckte A-K auf. Da nur noch zwei Karten fehlten, stand jetzt lediglich ein Ass zwischen mir und einem Pot von 3 200 Dollar – davon 1 700 Dollar Gewinn. Der Dealer verbrannte eine Karte und deckte eine Drei auf, verbrannte eine weitere und deckte eine Zehn auf. Während ich den Pot einstrich, erlaubte ich mir ein Lächeln in Richtung der Puppe, woraufhin sie sich einen doppelten Wodka erlaubte.
Jede Menge Zahlen gingen mir durch den Kopf. Für diese Woche war ich zwar wieder im Plus, aber auf das Jahr gesehen lag ich nach wie vor deutlich hinten. Von einem Tiefpunkt bei 13 000 Dollar hatte ich mich bis auf 4 000 Dollar Differenz wieder an meine ursprünglichen 20 000 Dollar herangearbeitet – plus/minus ein paar Hunderter, was aber hier in der Stadt nur Trinkgeld war. Konnte dieses Spiel mich wirklich zum ersten Mal im ganzen Jahr ins Plus bringen?

Zum Teufel mit den Turnieren – sie mochten ja eine gute Übung darstellen, aber ein frisch gebackener Profi sollte keinesfalls damit rechnen, dabei Geld zu gewinnen. An Bargeldtischen war ich in meinem wahren Element; nur hier konnte ein aufstrebender Pokerpro sein Geld verdienen. Nur keine Hektik jetzt, sagte ich mir immerzu, dann kann sich dein gesamtes persönliches Umfeld verändern. Bleib so ruhig, wie du zu wirken versuchst, bleib so lange am Ball, bis der richtige Moment gekommen ist, dann könnte diese Reise dich letztendlich ans Ziel bringen. Und tatsächlich: Nachdem ich mich ein paar Stunden vor-sichtig behauptet hatte, kam die entscheidende Hand, auf die ich gewartet hatte – die Hand, die mir entweder meine Teilnahmegebühr für die World Series im Mai finanzieren oder mich mit leeren Taschen nach England zurückschicken würde.

Mit Q-Q als Bunkerkarten und 3 500 Dollar vor mir, erhöhte ich vor dem Flop um 50 Dollar, worauf vier Spieler mitgingen. Der Dealer deckte Karo-Dame, Kreuz-Fünf und Karo-Vier auf. Da ich als Erster anspielen musste, versuchte ich die anderen mit einem Check in Sicherheit zu wiegen, und es funktionierte. Als der Pferdeschwanz zu meiner Rechten 250 Dollar setzte, erhöhte ich um 500 Dollar. Zu meinem Erstaunen gehörte er zu insgesamt drei Mann am Tisch, die mitgingen. Was konnten sie haben? Konnte jemand mit 2-3 oder 6-7 bei einer Erhöhung vor dem Flop mitgegangen sein? Alle machten sie hier einen auf bauernschlau, aber nur einer von ihnen konnte ein Paar Damen als höchste Karten haben. Die anderen beiden hatten vielleicht Drillinge mit Fünfen oder Vieren, wenn auch zwei Paare wahrscheinlicher waren oder Ansätze zum Straight oder Flush. Das hier würde eine Wahnsinnshand werden – und bis jetzt sah es so aus, als könnte ich sie gewinnen.

Inzwischen belief sich der Pot also auf 3 375 Dollar – echte Dollar dieses Mal, kein Turnier-Monopolygeld. Auf dem Turn erschien eine weitere Fünf, die mich genauso elektrisierte wie mein Full House. Konnte Pferdeschwanz vier Fünfen auf der Hand haben? Dies war nicht der Augenblick für Check-Raising. Ich warf ihm einen vielsagenden Blick zu, stellte dabei jedoch fest, dass er mich mit einem gequälten Ausdruck in den blauen Augen anstarrte. Nun wusste ich es: Er hielt 4-5 und hatte sein Full House zusammen. Er ließ sich die Einsätze noch einmal durch den Kopf gehen, um herauszufinden, ob ich möglicherweise zwei Damen auf der Hand haben konnte.

Wie sehr wünschte ich mir jetzt eine sechsstellige Summe vor mir und damit die Möglichkeit, ihn zu Tode zu erschrecken. Der jämmerliche Betrag aber, den ich besaß, ließ keinen Spielraum für Fehler. Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als ihn einzusetzen und darauf zu hoffen, dass er mein Blatt falsch deutete. Und damit schob ich meine verbleibenden 2 700 Dollar in die Mitte. Ich dachte gerade darüber nach, wie bedauerlich es doch sei, dass die anderen drei nicht mitgehen konnten, als sie genau das taten. Was zum Kuckuck konnten sie auf der Hand halten? Ich wusste nur, dass sie im Gegensatz zu mir mehr Geld besaßen und bereit schienen, es einzusetzen. Der Pot belief sich nun auf über 14 000 Dollar, was einem Gewinn von mehr als 10 000 Dollar entsprach, der bald in meine Richtung fließen würde – die größte einzelne Hand, die ich je in Vegas gewonnen hatte.

Zum ersten Mal im ganzen Jahr würde dies mein Spielkapital in die Gewinnzone bringen. Falls es mir gelang, aus dem Hotel auszuchecken, ohne das Geld auf dem Weg nach draußen zu verspielen, würde ich als echter Gewinner nach Hause zurückkehren. Ob ich mich dann je wieder an die $ 20/$ 40-Tische setzen konnte? Dies hier war der wahre Beginn meiner Profikarriere. Ich befand mich geistig schon über allen Wolken, als der River eine weitere Fünf brachte, Pferdeschwanz seine verbleibenden 2 000 Dollar setzte und die anderen mürrisch ausstiegen. Nachdem er seine 4-5 aufgedeckt hatte, benötigte ich noch eine ganze Weile, um zu begreifen, dass eine boshafte Laune der Götter die Wahrscheinlichkeitsrechnung außer Kraft gesetzt und ihm vier wundersame, unschlagbare Fünfen beschert hatte – was mich nicht bloß um meinen Gewinn von 10 000 Dollar und um meinen endgültigen Wechsel ins Profilager brachte, sondern auch um jeden Cent, den ich bei mir hatte.

Ich stand auf und ging, ohne mir auch nur die Mühe zu machen, mein Blatt aufzudecken. Falls es mitfühlendes Raunen gab – was eher unwahrscheinlich
war -, dann wäre es wohl übertönt worden vom Gewummer der Metallstanze, die soeben in meinem Gehirn ihren Betrieb aufgenommen hatte, und von dem tosenden Wirbel des Whirlpools in meiner Magengrube. Sogar die Puppe begriff, dass sie mir jetzt in diskretem Abstand zu folgen hatte, während ich benommen auf eine Legion von Zenturionen zutaumelte, die ihre nächtliche Runde drehten. Pokerprofi? Genauso gut konnte ich mich um einen Posten als Gladiator bemühen. Es dauerte Stunden, ehe ich über etwas anderes reden konnte. Ich hatte 5 000 Dollar zu Hause gelassen, war mit dem Doppelten hierher gekommen und sah nun der langen Rückreise entgegen, mit dem Gedanken an ein dezimiertes Spielkapital, das ich im Augenblick nicht mehr riskieren wollte.

Weit über ein halbes Jahr war seit der letzten World Series vergangen; meine ursprünglichen zwanzig Riesen waren inzwischen auf 12 000 Dollar geschrumpft, was mir lächerliche 2 000 Dollar zum Spielen übrig ließ, falls ich sichergehen wollte, jene
10 000 Dollar für die Teilnahmegebühr zusammenzubekommen. Was hatte sich dieser Kerl nur dabei gedacht, mit dem niedrigen Drilling so weit zu gehen – ganz zu schweigen von den beiden niedrigen Paaren, mit denen er begonnen hatte? Diese Frage verfolgte uns den ganzen Weg bis zum Flughafen von Los Angeles, wo die 200 Dollar für eine weiße Stretchlimo mit weißen Blumen und Weißwein – eine Woche zuvor bestellt und bezahlt – plötzlich enorm viel wert zu sein schienen. Bis wir Boston am Telefon hatten, um der Mutter der Puppe zu sagen, dass ich ihre Tochter in dem Stil behandelte, an den zu gewöhnen sie sich verdient hatte, drang der Schmerz allmählich von meinem Rücken in den weißen Ledersitz, von meinen Fußsohlen in den hochflorigen weißen Teppich und aus meinem Schädel hinauf in die weinbefleckten, raucherfüllten höheren Sphären.

Ich schaute auf Die Uhr und dann auf das Spielkapital. Ich hatte noch immer an die acht-, also gut, eher siebentausend Dollar in der Tasche. Wir würden die Stadt unsicher machen, uns bei einem Sternekoch in Beverly Hills nicht lumpen lassen, die Diskotheken besuchen, auf die sie so lange hatte verzichten müssen … Und danach würden wir dann vielleicht, bloß für ein Weilchen, zum Bicycle Club schlendern und uns ein Bild von der Action machen. Schließlich waren wir ja als Touristen dort, und damit würde mein Glück doch sicher zurückkehren, oder? Immerhin waren bei jener Hand die Quoten auf meiner Seite gewesen. Niemand konnte behaupten, dass ich sie schlecht gespielt hatte. Genau genommen hatte ich sie sogar ziemlich gut gespielt. Man musste nur mal an diese Erhöhung denken, die ich da gebracht hatte … Die Puppe lächelte zuckersüß, streckte sich auf dem weißen Leder aus und schloss die Augen.

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