Der passiv-verhaltene Tisch kann gefährlich werden Teil III – neue Pokerstrategien lernen

Obgleich beide Möglichkeiten, also Setzen und Checken, in diesem Fall zu berücksichtigen wären, so wäre – wenn die Spielweise des Gegners nicht das Gegenteil empfiehlt – ein Einsatz der bessere Zug! Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er passen! Geht er mit und verbessert sich nicht, gewinnen wir $ 40 mehr; vorausgesetzt, dass er den K nicht hat. Sollte er erhöhen, dann müssen wir eben passen; doch ist dies eher unwahrscheinlich und somit das Risiko wohl wert.

Im gegebenen Lehrbeispiel lassen wir den Gegner passen, was, wie gesagt, auch meist passieren würde! Sie haben netto, also Ihre eigenen Einsätze abgezogen, 3 1/2 Stück gewonnen! Wären mit den gleichen Karten mehrere Spieler im Pot, dann würde die Gefahr eines gepaarten K entsprechend steigen. Es ist eine sehr häufige Situation, dass, wenn der Turn höher ist als die höchste Karte im Flop, ein Spieler, der am Flop gesetzt hat, am Turn checkt. Dadurch wird es ziemlich offensichtlich, über welches Paar dieser Spieler verfügt. Gegen mehrere Gegner muss man sich in einer solcher Situation meist damit abfinden, dass der Pot verloren ist; gegen ein oder zwei können wir versuchen, einen strategischen Zug zu setzen.

Ungeachtet der Dynamik des Tisches bleibt es eine Grundregel, dass wir einerseits unsere guten Karten optimal nutzen, während wir sinnlose Verluste vermeiden! Um dem zweiten Punkt vorzubeugen, sind wir in vielen Fällen gezwungen, auch mit guten Karten zu passen. Auf locker gespielten Tischen ist dies von wesentlich geringerer Bedeutung, da wir immer vor der Möglichkeit stehen, dass sich unsere Gegner in sinnlose Bluffs oder übertriebene Erwartungen des eigenen Blattes verstricken.

Wie bereits erwähnt: Auf passiven verhaltenen Tischen gewinnt oft schon ein einzelnes Paar. Umso mehr aber steigt die Gefahr, dass wir zwei Paare oder einen Drilling in ihrem Wert überschätzen, obwohl ein Gegner aggressives Verhalten zeigt! Die mathematische Wahrscheinlichkeit ist in einem solchen Fall zwar auf unserer Seite; doch das Verhalten des Gegners sollte uns Warnung genug sein! Auch wenn es schmerzt, mit guten Karten zu passen, bestehen wir darauf, dieses Blatt zu Ende zu spielen, mag es zu unnötigen Verlusten führen, die nur schwer wieder aufzuholen sind.

Unter Reitern gibt es das Sprichwort, dass man siebenmal vom Pferd gefallen sein muss, um ein guter Reiter zu sein! Vermutlich kann man auch kein guter Pokerspieler sein, ohne nicht mehrmals bankrott gegangen zu sein! Nichts lehrt uns besser als Fehler! Die eigenen Fehler um vieles mehr als die der Gegner, weil sie sich letztendlich als schmerzliche Erfahrung in unser Gedächtnis einprägen und in ähnlichen Fällen als Ratgeber dienlich sind. Natürlich lernen wir aus diesen Fehlern nur dann, wenn wir uns ihrer auch bewusst sind. Machen wir das Schicksal oder unglaubliches Glück des Gegners für unseren Verlust verantwortlich, dann ignorieren wir den wahren Anlass und werden unser Spiel niemals verbessern. Dem Gegner ist es dabei völlig egal, ob wir unser Fehlverhalten erkannt haben oder nicht! Er will nichts anderes als unsere Chips!
Uns selbst gegenüber müssen wir die Fehler eingestehen!

Und hier ein Beispiel:
Ich saß in später Position, J♠ – 10♠ in der Hand. Vier Spieler sind, ohne Erhöhung, im Pot, und es folgt der Flop:
3♣ – 10♥ – K♦
Check!
Check!
Check!

Was mache ich? Die Gefahr, dass einer der Spieler einen K hält, vielleicht eines niedrigen Kickers wegen keinen Einsatz bringt, veranlasst mich dazu, ebenfalls zu checken. Immerhin sind es drei Gegner!

Also, es folgt der Turn:
J♥!
Hurra! Zwei Paare! Die Flushgefahr ist ebenso gering wie die einer Straße. Mein Blatt ist gut, sehr gut!
Der erste Spieler, Big Blind, checkt!
Der zweite, Under-the-Gun, bringt einen Einsatz!
Und nochmals freue ich mich über diesen Leichtsinn!
Hoffentlich bleibt der nächste auch im Pot! Nein, tut er nicht – er passt!
An der Reihe bin somit ich: Raise!
Big Blind passt! Es bleibt ein Gegner. Der, der den Einsatz erbracht hat. Was tut er?
Reraise! Er erhöht nochmals!

Nur leicht flackert das Warnlicht! Genug, um mich von einer Erhöhung abzuhalten, nicht aber vom Mitgehen!
Der River ist unbedeutend: 4♠
Wieder bringt mein Gegner einen Einsatz! Nun war mir seine Strategie völlig klar. Von Anfang an hatte er A – K in der Hand, hat sich am Flop passiv verhalten, um bei den hohen Einsätzen zuzuschlagen!
„Aber nicht mit mir!“, ging mir durch den Kopf.
Und meine Antwort war eine Erhöhung!
Seine Antwort? Eine weitere!
Seine Karten: A♦ – Q♣!!! Straße!

Mein Wunschdenken, die für mich ideale Situation, hat mich in diesem Spiel so sehr in Besitz genommen, dass ich von einer einzigen Möglichkeit ausgegangen bin; und zwar von der einen, die mir zum Vorteil gereicht hätte. Alle anderen Möglichkeiten, vom tatsächlichen A – Q über Q – 9, K – J, K – 10, K – K, 3 – 3 und, obwohl sehr unwahrscheinlich, J – J, 10 – 10, habe ich völlig außer Acht gelassen. A – K und ein damit verbundenes Check-Raising sind mir als einzig logische Erklärung erschienen!

Einzig logisch, und dadurch notwendig, wäre natürlich der Schluss gewesen, dass er am Turn gekauft hat. Noch dazu ist es ein Spieler gewesen, der sich zuvor äußerst verhalten gezeigt hat. Die gesetzte Aktion, Checken am Flop und Setzen am Turn, von einem sehr verhaltenen Spieler, hätte Anlass genug sein müssen, mit meinen bescheidenen zwei Paaren zu passen! (Und wenn schon nicht passen, dann zumindest nicht erhöhen!!!)

Ähnliche Erlebnisse bleiben keinem Pokerspieler erspart. Der Unterschied zwischen dem guten Spieler, dem, der daran interessiert ist, sich immer weiter zu verbessern, und dem schlechten Spieler ist das Beherzigen der Erfahrung; das Fortführen des Lernprozesses!

Auf Börsenguru Andre Kostolany verweisend, habe ich zuvor von antizyklischem Verhalten geschrieben. Im Falle lockerer Tische bedeutete dies, nur unsere besten Karten zu spielen. Sollte dies auf verhaltenen Tischen nun bedeuten, dass wir mit schlechten Karten mitgehen? Nein, natürlich nicht! Aber hier können wir zweifelhafte Karten nützen; strategisch nützen.

Oft genug machen wir die Erfahrung, dass wir, sobald wir auf unsere wirklich guten Karten einen Einsatz bringen, alle Gegner passen, umso mehr, wenn wirerhöhen! Dadurch ergibt sich natürlich gelegentlich die Möglichkeit – und manche Situationen sind dazu mehr als einladend -, mittelmäßige Karten zu spielen; aggressiv zu spielen!

Nehmen wir an. Sie sitzen in später Position. Vor Ihnen gibt es einen, vielleicht zwei Einsätze. In der Hand halten Sie 8-9, sogar in verschiedener Farbe. Ein Blatt zum Passen! Sie passen nicht! Sie erhöhen! Scheint es absurd, mit einem Blatt, mit dem Sie eigentlich passen sollten, nicht nur mitzugehen, sondern zu erhöhen? Hoffentlich nicht!

Gehen Sie mit, spekulieren Sie auf einen unwahrscheinlichen Kauf; so unwahrscheinlich, dass Sie, aller Voraussicht nach, werden passen müssen, und ihr Einsatz ist verschwendet. Erhöhen Sie jedoch, dann lenken Sie die Aufmerksamkeit auf sich. Haben Sie derartige strategische Schritte – das Wort Bluff möchte ich hier nicht unbedingt verwenden – bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu oft eingesetzt, werden alle anderen Spieler Sie auf entsprechende Karten einschätzen. Vermutlich werden die nachfolgenden Spieler passen. Ist Big Blind ein Gambier, dann mag er einen zweiten Einsatz riskieren. Ob er einer ist, sollten Sie natürlich schon wissen, denn schließlich beobachten Sie den Spieler schon lange genug. Es macht aber vorläufig ohnehin noch keinen Unterschied. Der oder die Spieler, die vor Ihnen einen Einsatz erbracht haben, werden meist ebenfalls eher dazu tendieren, bei der Erhöhung mitzugehen, schließlich verbessert sich durch die Mehrzahl der Einsätze auch die Potquote.

Auch auf passiven Tischen ist es ein durchaus verbreitetes Fehlverhalten, einen zweifelhaft erbrachten ersten Einsatz durch einen zweiten zu verteidigen – alles in der Hoffnung auf einen guten Flop.

Sollte es zu einer weiteren Erhöhung kommen, dann gibt es entweder ein wirklich starkes Blatt am Tisch, oder man hat Sie durchschaut. Hier kommt es auf Ihre Erfahrung an! Es kommt auf den Spieler an, der gegen Sie erhöht! Ihnen bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder passen Sie oder – Sie erhöhen nochmals! Würden Sie jetzt schlicht mitgehen, begäben Sie sich in die erstgenannte Situation, in der Mitgehen auf alle Fälle falsch gewesen wäre!

Die meisten Flops helfen nicht, das Blatt zu verbessern! Und genau das nutzen Sie jetzt aus! Besteht der Flop aus hohen Karten, und es bringt ein vor Ihnen sitzender Spieler einen Einsatz, dann hat er vermutlich gekauft – dann verabschieden Sie sich von diesem Pot mit bescheidenem Verlust! Aller Wahrscheinlichkeit nach wird man aber abwarten, was Sie tun. Schließlich haben Sie Aggressivität gezeigt.

Natürlich bringen Sie einen Einsatz!
Besteht der Flop aus niedrigen Karten, dann wird Ihr Einsatz umso abschreckender! Wer sollte sein Blatt verbessert haben, wenn 3-5-7 am Tisch liegt?
In beiden Fällen wird Ihre Strategie – immer vorausgesetzt, Sie haben Ihre Glaubwürdigkeit nicht durch übertrieben riskantes Spiel bereits aufgegeben – Ihre Gegner zum Passen veranlassen (es sei denn, einer hält das gefürchtete starke Blatt).

Nun, in manchen Fällen wird es sogar passieren, dass der Flop zu Ihren schlechten Karten passt: 8-8 -A, 5-6-7, 3-8-9 und Ähnliches! Mit einem solchen Trumpf können Sie die Dominanz abgeben und später, beim höheren Einsatz, erneut aggressiv zuschlagen!

Vermutlich wird niemand Ihre Karten sehen! Geht die Strategie auf, passen die anderen. Geht sie nicht auf, so passen Sie selbst! Ihre Glaubwürdigkeit bleibt unangetastet. Andererseits passiert der seltene Fall, und Sie kaufen sich wirklich gut, dann gewinnen Sie durch den Überraschungseffekt – wer schätzt Sie mit Ihrer anfänglichen Erhöhung schon auf 8 – 9 ein – nicht nur einen saftigen Pot, sondern Sie zeigen auch, dass Sie gelegentlich mit zweifelhaften Karten erhöhen. Zwar haben Sie nun Ihre Glaubwürdigkeit teilweise eingebüßt und müssen Ihr weiteres Spielverhalten diesem Umstand entsprechend anpassen. Mit Sicherheit jedoch wird man sich daran erinnern, wenn Sie sich später mit A – A in gleicher Weise verhalten! (Doch lassen Sie sich niemals auf lockeren Tischen, und schon gar nicht auf Tischen im Internet mit niedrigem Limit, zu solchen Versuchen verleiten!)

Nachdem Sie nun mit dem verhaltenen Spiel besser vertraut sind, möchte ich an dieser Stelle nochmals das Thema des Bluffens aufgreifen. Nochmals möchte ich Sie daran erinnern, dass gutes Bluffen ausschließlich durch entsprechende Erfahrung erlernt werden kann. Das soll nicht bedeuten, dass Sie, ohne diese Erfahrung und ohne den Bluff als Instrument, im trockenen Spiel nicht gewinnen können. Natürlich können Sie, wenn Sie den Mangel an Erfahrung durch entsprechend vorsichtiges Verhalten ausgleichen. Riskieren Sie jedoch den Bluff zum falschen Zeitpunkt, dann werden Sie dem erfahreneren Gegner gegenüber zur leichten Beute.

Versuchen wir einen Bluff, so dürfen wir niemals den Fehler begehen, die Situation ausschließlich von unserer Seite aus zu betrachten. Wir müssen uns in die Situation des Gegners versetzen!
Oft genug passiert es, dass wir selbst, auch ohne große Spielerfahrung, zweifelhaftes Verhalten seitens des Gegners feststellen. Es stinkt nach einem Bluff! Warum glauben wir zu wissen, dass es sich im gegebenen Fall um einen Bluff handelt? Weil das Verhalten des Gegners zu durchsichtig war! Wäre sich der Gegner seines transparenten Agierens jedoch bewusst, dann würde er sich natürlich nicht derart verhalten haben. Und so laufen auch wir selbst Gefahr, uns der Transparenz unseres Zuges nicht bewusst zu sein.

War die Strategie des Bluffens nicht von Anfang an in Ihr Spiel integriert, kommt Ihnen die Idee spontan in den Sinn, weil Ihre Erwartungen am Turn oder River nicht eingetroffen sind, dann setzen Sie in weiterer Folge – sofern Sie plötzlich einen Bluff unternehmen – Anzeichen, die nicht zu Ihrem vorangegangenen Spiel passen! Dem guten Gegner fällt diese spontane Veränderung Ihres Verhaltens auf! Der Bluff wird offensichtlich!

Nehmen Sie sich, bevor Sie Ihre Entscheidung setzen, die Zeit und überlegen Sie sich, wie Sie das Gesamtverhalten, Ihr eigenes Verhalten, verstehen würden, beobachteten Sie es vom Standpunkt Ihres Gegners aus! Machen Sie sich diesen Gedankengang zur Gewohnheit! Sehen Sie nicht nur Sie selbst, sondern versuchen Sie, sich so zu erkennen, wie die anderen Sie sehen!
In jeder Spielsituation ist es von Wichtigkeit, den Gedankengang des Gegners zu durchschauen.) Auch Ihr Gegner analysiert Sie nach dem gleichen Gesichtspunkt. In wirklich jeder Spielphase ist dieses Gedankenlesen unerlässlich. Am allerwichtigsten jedoch, wenn Sie den Gegner durch einen Bluff zu täuschen versuchen.

Merken Sie sich also: Mit jedem Schritt, Checken, Mitgehen oder Erhöhen, geben Sie eine bestimmte Kartenqualität vor. Passt Ihr nächster Schritt nicht in dieses Schema, wird man Sie sofort eines Bluffs verdächtigen!

Folgen Sie dieser Überlegung vom Beginn des jeweiligen Spiels an, dann werden Sie wirklich sehr oft erkennen, dass genau diese Betrachtungsweise, das „Sich-selbst-durch-die-Augen-des-Gegners-Se-hen“, vor dem Versuch eines Bluffs warnt. Unterlassen Sie es aber, spielen Sie einfach, Ihre Erfahrungen und Fähigkeiten überschätzend, locker vor sich hin, dann werden Sie sich mehr als einmal wundern, wie es dem Gegner in diesem oder jenem Fall möglich gewesen sein konnte, sich mit derart schwachen Karten auf einen Showdown mit Ihnen einzulassen.
Insbesondere in Ihrer Anfangsphase wird es Ihnen natürlich immer wieder passieren, dass man Ihre Bluffs aufdeckt! Überdenken Sie in all diesen Fällen den Aufbau der jeweiligen Partie! Denken Sie darüber nach, woran man erkannt haben konnte, dass Sie bluffen! Nur dadurch kann es Ihnen langsam gelingen, Ihre Spielweise entsprechend zu verbessern, und Sie werden künftig derart gefährliche Transparenz zu vermeiden wissen.

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