Und ewig lockt das Geld – Sportwetten und Missbrauch
Natürlich hätte dem deutschen Fußball kaum etwa Schlimmeres passieren können. Nur etwas mehr als ein Jahr vor dem großen Fußball-Fest im eigenen Land – in einer Zeit, in der man sich eigentlich hatte von der besten Seite zeigen wollen – doch ausgerechnet in jene Phase fiel der Schiedsrichter-Skandal um den Berliner Robert Hoyzer und die kroatische Zocker-Familie Sapina.
Und in aller Welt staunten nicht nur die Fußball-Fans über all die Neuigkeiten, die nach den ersten Meldungen über die Vorfälle im Gastgeberland der Weltmeisterschaft 2006 praktisch täglich auf den Tisch kamen. Immer mehr Spiele gerieten in den Ruch der Manipulation, immer mehr Namen wurden mit den Vorkommnissen rund um den Fall Floyzer in Verbindung gebracht. Selbst das Lieblingskind Bundesliga drohte zumindest hineinzugeraten in den Sumpf aus Lug und Betrug – so lange jedenfalls, bis die Ermittler die Verdachtsmomente gegen Erstligaschiedsrichter Jürgen Jansen offiziell fallen ließen.
Am Ende streuten die Angeklagten im Prozess vor dem Berliner Landgericht Asche auf ihre Häupter, bekannten sich in all dem schuldig, was man ihnen vorhielt. Doch es gab kaum einen Beobachter, der glauben wollte, dass wirklich die ganze Wahrheit auf den Tisch gelegt worden war. „Die ganze Wahrheit ist ohnehin ein großes Wort“, befand Ex- Fußballer Axel Kruse, der sich in seinem neuen Job als Sportjournalist bei der Aufdeckung des Falles hervorgetan hatte, „aber ich mache mir nichts vor: Ich glaube nicht, dass wir sie kennen.“ Und ebenso gab es kaum einen, der daran glauben wollte, dass die Gefahr weiterer Manipulationen für die Zukunft gebannt war.
Wo Geld im Spiel ist, da liegt der Gedanke immer nahe, dem Glück auf die Sprünge zu helfen. Und letztlich hatte zumindest der Verdacht von Lug und Betrug auch den Fußball schon des Öfteren gestreift. Aber nur denkbar selten in Deutschland. Nur knapp zwei Monate vor Bekannt werden der Affäre um Robert Hoyzer etwa war die Zweitliga-Partie zwischen Erzgebirge Aue und Rot-Weiß Oberhausen zum großen Aufreger geworden, weil ungewöhnlich hohe Summen auf just den 2:0-Sieg Aues verwettet worden waren, der tatsächlich durch sehr skurrile Tore zu Stande gekommen war.
Aus dem Jahr 1991 stammt der Fall des Jugoslawen Vlado Kasalo, der sogar in Polizeigewahrsam genommen wurde, weil er zwei Niederlagen seines 1. FC Nürnberg gegen den VfB Stuttgart (0:1) und beim Karlsruher SC (0:2) durch absichtliche Eigentore bewusst herbeigeführt haben soll, um Spielschulden bei der Mafia zu begleichen. Und dann war da natürlich jener Skandal, der die Bundesliga 1971 erschütterte: 52 Spielern, zwei Trainern, sechs Funktionären und sogar zwei kompletten Vereinen wiesen die Ermittler seinerzeit nach, das sportliche Geschehen durch Absprachen verfälscht zu haben. Sperren, Geldstrafen, Punktabzüge und sogar der Lizenzentzug waren seinerzeit die Mittel, mit denen die Funktionäre die Glaubwürdigkeit zurück zu erlangen suchten.
Extreme, aber glücklicherweise seltene Beispiele. Andernorts freilich gehört zumindest der Verdacht der Spielmanipulation schon lange zum Alltag. Das extremste Beispiel liefert die Eliteklasse des asiatischen Kleinstaates Singapur. Nach der Trennung von der malaysischen M-League im Jahr 1996 muss die sportlich allenfalls drittklassige S-League schrittweise in die Hände von illegalen Wettsyndikaten geraten sein denn es verging kaum ein Monat, in dem nicht das eine oder andere verblüffende Ergebnis zu registrieren war. Und das nicht etwa weil analog zum Hoyzerschen Pokalduell zwischen dem SC Paderborn und dem Hamburger SV – schlicht ein Außenseiter gewann, nein, Singapurs Kicker griffen bei ihren „Überraschungen“ in die Vollen. So wie im Pokalfinale 2001 etwa, als sich ausgerechnet der Meister Geyland United eine 0:8-Niederlage gegen Home United leistete und dabei derart übel aussah, dass bereits im Stadion das Wort vom „Kelong“ die Runde machte – Betrug. Vollends bewiesen werden konnte die Sache
nie-sehr zur Freude jener beiden Zocker, die natürlich just dieses Ergebnis vorhergesagt und damit aus je 100 Dollar Einsatz deren 7000 gemacht hatten. Und das ist nur ein Fall von vielen, die Beweise sind regelmäßig rar, die Verdachtsmomente aber umso größer: Ein vor Ort arbeitender Sportjournalist hat jedenfalls festgestellt, dass „es in Singapur wesentlich mehr ungewöhnliche Spielergebnisse gibt als anderswo“.
Dass ausgerechnet Singapur, ausgerechnet die international derart unbedeutende Liga ins Visier dunkler Machenschaften geraten zu sein scheint, ist kein Zufall. Kaum ein Land ist schließlich ein derart guter Nährboden für alles, was sich um Sportwetten dreht. In kaum einem Land machen die Bürger für Tipps auf den Sport so viel Geld locker wie hier. Während der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea registrierte das Wettbüro Singapore Pools umgesetzte 114 Millionen Euro – das entspricht beinahe 40 Euro für jeden einzelnen Einwohner.
Die Liga selbst tut sich seit jeher schwer, mit den offensichtlichen Manipulationen umzugehen. Allzu lange versuchte man sich mit offener Verleugnung der Staat Singapur indes, der das Wettgeschehen erst 1999 offiziell legalisiert hatte, um besseren Einblick in die Umtriebe zu erhalten, hält es mehr mit drakonischen Gegenmaßnahmen. Das hat unter anderem auch ein Deutscher zu spüren bekommen: Torwart Lutz Pfannenstiel wurde Ende 2000 verhaftet, weil man ihm Geld gegeben haben soll, damit er – man höre und staune – besser (!) spielte als gewohnt. In der Haft musste Pfannenstiel auf dem nackten Betonboden schlafen, verlor dabei deutlich an Gewicht, seine Unschuld indes beteuert er noch heute. Wobei er in gewisser Weise noch Glück hatte: Ein anderer Legionär, ein Kicker aus Kroatien, wurde zum Opfer einer Art Selbstjustiz – ein Buchmacher prügelte ihn ins Krankenhaus.
Seit 2002 hat sich sogar ein eigenes Ministerium der Manipulationen angenommen. Und das Corrupt Practices Investigation Bureau hat zur Bekämpfung von Wettbetrug der Liga sogar eine weltweit einmalige Einrichtung beschert. Nach jedem Spiel müssen sich zwei Spieler einem Lügendetektortest unterziehen.