Geschichte und Strategien im Poker während des Cajun Cup Teil II

Ich hätte die Gelegenheit nutzen sollen, mich in Selbstdisziplin zu üben, aber Dons gehobene Stimmung wirkte ansteckend, und bald redeten wir beide lauter und häufiger, als Mitspieler es üblicherweise dulden. In Gedanken immer noch beim Blick auf die Berge aus meinem Zimmer im Horseshoe, fragte ich in die Runde, wie diese bestimmte Bergkette eigentlich hieß. Vegas sei doch von Bergen umgeben, lautete die Antwort. Die Berge hinter dem Palace Station, vom Four Queens aus betrachtet, sagte ich.

Ach so, das ist doch die Sierra Nevada, oder?
Keiner schien sich sicher zu sein, und für ein oder zwei Spiele herrschte Ruhe am Tisch. Wie das mit Tischgesprächen so ist, kehrte das Thema ein paar Hände später wieder zurück, als sei es gar nicht beendet gewesen. Während er über seinen Karten brütete, hatte Don auch über Berge sinniert.

Also, ich bin heute Abend Humphrey Bogart, meinte er. Ich werde den Schatz der Sierra Nevada finden. In diesem Fall bist du beim falschen Spiel, erwiderte ich. Du solltest dich lieber in der Sierra Madre umschauen. Das war ein Meisterstück. Don stand die nächsten Blätter neben sich, und ich sah mit Freuden, wie mein Stapel anwuchs, während er gezwungen war nachzukaufen.
Meine gute Laune hielt jedoch nicht lange an: Fünf Minuten nach dem Ende der
Rebuy-Phase verlor ich in der Hoffnung auf eine vage Chance alles und überließ Don und seinen Kumpels den Tisch.

Mitsamt Teilnahmegebühr und vier Nachkäufen hatte mich diese kleine Zeitverschwendung 105 Dollar gekostet. Verärgert über mich selbst, beschloss ich, die Summe auf einen Schlag zurückzugewinnen, und zwar an den Blackjack-Tischen, die mir den Weg zum Ausgang versperrten. Ein Hundertdollarchip, zwei Damen auf dem Tisch, eine Bank, die sich verkaufte, und binnen dreißig Sekunden waren drei Stunden Pokerqual vergessen. Hätte ich danach aufhören können? Selbstverständlich nicht. Dank einer göttlichen Fügung stand mir Fortuna erneut zur Seite: In wenigen Minuten hatte ich aus meinen einhundert Dollar 1 000 Dollar gemacht und brachte sogar genug gesunden Menschenverstand auf, die Chips einzulösen. In meinem üblichen
Erster-Tag-in-Vegas-Zustand – völlig erschöpft und leicht angetrunken – winkte ich ein
Taxi herbei. Es war Zeit fürs Bett. An der Kreuzung Fremont Street und Casino Center Boulevard spielte sich irgendein Drama ab. Daran ist nichts Ungewöhnliches; an dieser Kreuzung steht immer ein Rettungswagen bereit, so hoch ist die Zahl der Herzanfälle in den Casinos und der Faustkämpfe vor der Tür.

Dieser Stau führte jedoch dazu, dass mein Fahrer sich gezwungen sah, mich schräg gegenüber vom Horseshoe aussteigen zu lassen, am Seiteneingang des Golden Nugget – in dem, wie mir nun einfiel, meine Glück bringenden Blackjack-Tische lauerten. Ich verdoppelte die 1 000 Dollar auf 2 000 Dollar, brach meine goldene Regel und spielte weiter. In dieser Phase verloren die eingesetzten Beträge ihre normalen Proportionen: Plötzlich unzufrieden damit, 100 Dollar in 2 000 Dollar verwandelt zu
haben, ärgerte es mich noch mehr, schäbige 300 Dollar zu verlieren. Das war der Moment des Abends, an dem ich endgültig beschloss aufzuhören. Gerade als ich vom Tisch aufstand, trat eine elegante Saalaufseherin an mich heran und flüsterte: Möchten Sie heute Abend mit mir essen? Ich war es nicht gewohnt, in Vegas einen unsittlichen Antrag zu bekommen; außerdem wusste ich nicht einmal mehr genau, welcher Tag es war, von der Uhrzeit ganz zu schweigen.

Zögernd wollte ich mit mattem Verstand eine höfliche Ausrede formulieren, als sie lächelte. Nein, nicht das, was Sie denken. Entspannen Sie sich. Ich möchte Ihnen ein Essen hier im Nugget anbieten, mit Empfehlung des Managements. Nun mussten wir beide lachen, und ich nahm dankbar an. Ich wurde behandelt wie ein mittlerer High Roller. Sie reservierte mir für den folgenden Abend in Lily Langtrys chinesischem Restaurant einen Platz, in dem Steve Wynn alles, was ich essen und trinken konnte, weniger kosten würde als eine meiner verwegenen Blackjack-Touren. Mit 1 700 Dollar in der Tasche lief ich über die Fremont und bahnte mir an den Blackjack-Tischen des Horseshoe vorbei den Weg Richtung Bett.

Aber Moment mal. Vielleicht konnte ich ja den Fluch brechen, der über meinem Blackjack-Spiel im Horseshoe lag, und aus diesen 1 700 Dollar wieder zweitausend machen? Fünf Minuten und fünfhundert Dollar später stand ich mit nur noch 1 200 Dollar in der Tasche im Fahrstuhl. Obwohl ich damit den Abend mit einem Gewinn von 995 Dollar abschloss, minus zwanzig Dollar für das Taxi, fühlte ich mich nun wie eine Figur von Dostojewski. Schließlich hätten es 2 000 Dollar sein können … eigentlich waren es schon 2 000 Dollar gewesen …

Und mit diesem ärgerlichen Gedanken im Kopf schlief ich irgendwann schließlich ein.
Die Karffeitagssonne weckte mich gegen Mittag, gerade rechtzeitig für meine Essensverabredung in der Cafeteria mit Henri Bollinger und Jack Binion. Als ich durch die Food Promenade schlenderte, glaubte ich eine Erscheinung vor mir zu haben. Oder träumte ich etwa immer noch? Über Nacht – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, wenn ich nicht völlig danebenlag – war hier, wo die Leute gestern noch für
Häagen-Dazs-Eis angestanden hatten, ein Burger King entstanden. Jack Binion, so viel wusste ich, mochte für sein Leben gern Eiscreme. Du hast recht, Tony, sagte er. Leider esse ich etwas zu gern Eis. Immer wenn ich am Häagen-Dazs vorbeikam, musste ich einfach eins essen. Hab zu viele Kilos zugelegt. Musste ihnen die Konzession kündigen.

Der Hotelier in Jack war fasziniert von meinen Geschichten über König Hassan und das Mamounia, vor allem von jenem Abend, an dem der König die Pokerspieler hinauswarf. Manche Typen, sinnierte er, während er auf seinem Zahnstocher
herumkaute, behandeln Hotels wie Puppenstuben. Ich betrachte meins lieber als eine Bank. Seit er die Leitung des Geschäfts übernommen hat, das sein Vater gegründet hatte, besteht Jack Binions Lebensaufgabe darin, Kosten zu minimieren und Gewinne zu maximieren. In diesem Jahr hatte das Horseshoe einen Nettogewinn von 45 Millionen Dollar bei einem Umsatz von 108 Millionen Dollar abgeworfen – weit über den üblichen fünfzehn Prozent Investitionsgewinn der Casinos in Vegas. Es ist so einfach, sagte Jack, dass ich mich darüber wundere, dass unsere Mitbewerber es nicht kapieren.

Wir geben den Leuten einfach mehr Glücksspiel für ihr Geld. Das traf für die Casinotische im Horseshoe zu, an denen das Geld viel lockerer ausgegeben wird als irgendwo sonst in den Casinos der Stadt. Das Essen im Binion’s Horseshoe ist preiswert und bekömmlich, die Zimmer sind schlicht, ihre Ausstattung ist minimalistisch. Ich erzählte Jack, dass am Tag meines Eincheckens auf dem Notizblock neben meinem Telefon nur ein einziges Blatt gewesen sei; seitdem hatte ich ihn benutzt, doch war der Block nicht ersetzt worden. Als sein Gast, der von vorne bis hinten ausgehalten wurde und auch gerade jetzt wieder eine Mahlzeit verputzte, für die Jack unweigerlich aufkommen würde, wollte ich nicht undankbar wirken. Aber war es denn falsch von mir, dies mit gewisser Bewunderung als typisch für seinen Managementstil zu betrachten? Genau wie die Tatsache übrigens – wo wir schon einmal dabei waren -, dass auf den kostenlosen Seifenstücken in meinem Badezimmer noch immer Mint statt Horseshoe stand?

Ich weiß nur, antwortete er mit breitem Grinsen, dass ihr Schreiberlinge nie Papier dabeihabt. Ihr seid fast so geizig wie ich. Irgendwie wurde ich den Eindruck nicht los, dass das Zimmermädchen auf meiner Etage einen Bonus für ihre löbliche Sparsamkeit kassieren würde, der die Kosten eines neuen Notizblocks bei weitem überstieg – und dass der Block erst dann ersetzt werden würde, wenn ich tatsächlich um einen neuen bat. Das galt auch zwei Tage später noch, als ich die Straße überquerte, um Bennys Reiterstandbild zu huldigen. Dabei musste ich jedoch feststellen, dass mir der Weg von drei Lastwagenladungen Truthahn verstellt wurde. Weihnachten steht vor der Tür!, kalauerte ich, während ich dem armen Kerl zusah, der sie in Binions Lager verstaute. Stimmt, erwiderte er, und das hier sind nur die, die die Binions ihren Mitarbeitern schenken.

Wie es nur bei einem wahrhaft erfolgreichen Geschäftsmann der Fall sein kann, stellt Jack Binion eine verwirrende Mischung aus Geiz und Großzügigkeit dar. Angeblich hat er seine Frau Phyllis, eine ehemalige Cocktailkellnerin im Horseshoe, deshalb geheiratet, weil sie die effizienteste Kellnerin in seinen Diensten war. Phyllis wiederum besitzt viel zu viel Charme, als dass sie für Jacks kleine Marotten mehr als sanften Spott übrighätte. Andererseits ist von ihr überliefert, dass sie sich einmal beschwerte, weil Jack sich aus Kostengründen weigerte, ihr gemeinsames Badezimmer zu reparieren, während er gleichzeitig die zehnfache Summe dafür ausgab, Freunde per Hubschrauber auf ein Ski-wochenende in die Berge zu fliegen.

Jacks einzige Schwäche, von Eiscreme einmal abgesehen, sind Hustenbonbons. Während er im Horseshoe umherschlendert und dabei Angestellte und Gäste im Auge behält, hat er für gewöhnlich ein Bonbon im Mund, und zwar selten aus medizinischen Gründen. Die ultimative Jack-Binion-Geschichte berichtet von dem Tag, an dem er nachdenklich lutschend an einem Pokertisch vorbeikam, wo Jack Straus saß und ihm hinterherrief: Hey, Jack, gib mir mal ein Hustenbonbon! Der millionenschwere Besitzer des Binion’s Horseshoe hielt kurz inne, schaute Straus an und meinte dann: Erst wenn du hustest, Jack.

Ich benötigte knapp anderthalb Stunden am $ 20/$ 40-Tisch des Horseshoe, um ein kleines Versprechen einzulösen, das ich mir selbst gegeben hatte: die 1 200 Dollar des vergangenen Abends wieder auf die angestammten 2 000 Dollar zu bringen. Es gelang mir sogar, weitere 700 Dollar zu gewinnen, bevor ich zum allgemeinen Unmut vom Tisch aufstand und meine Chips einlöste. Obwohl ich einen guten Lauf zu haben schien, wollte ich endlich einmal aufhören, während ich vorne lag. Außerdem war es Zeit, das Dunes anzusteuern, wo ich mich mit Don zu einem dieser Marathons um Kleinstbeträge verabredet hatte, einem 25- Dollar-Hold’em-Turnier mit
20-Dollar-Rebuys.

Diesmal kaufte ich nur ein einziges Mal nach und ging früh und sauber pleite, mit nur 45 Dollar in den Miesen. Irgendwie war ich nicht mit dem Herzen dabei gewesen; viel lieber hätte ich beim Manager des Spielsaals, einem alten Freund namens Bob Thompson, vorgesprochen und ihn gefragt, wie viel Spielkapital ich für meine nächste Aufgabe benötigen würde – eine Pokerkreuzfahrt in die Karibik, die am folgenden Wochenende von Miami aus starten sollte und bei der Bob die Organisation innehatte.
Sein Erkennungszeichen, den Stetson, konnte man schon aus einer Meile Entfernung sehen.

Bob war freigiebig wie immer mit seinen Tipps und bot mir schließlich noch einen freien Platz am Tisch mit den höchsten Einsätzen in seinem Kartensaal
an – ein $ 2/$ 5/$ 10-Pot-Limit-Hold’em-Tisch, bei dem offenbar alle Spieler mindestens 5 000 Dollar vor sich liegen hatten. Einer von ihnen war Seymour Liebowitz. Nein danke, Bob, ich muss ins Bett, erwiderte ich zögernd, Ich sag’ nur eben Seymour hallo. Wir waren vor kurzem noch beide in Lafayette. Den ganzen Tag über waren Veteranen der verlorenen Schlacht von Lafayette in Vegas eingetroffen, mit genug Geschichten im Reisegepäck, um damit den National Geographie eine Weile am Laufen zu halten. Die Tour hatte uns allesamt jede Menge Bonusmeilen eingebracht, vom Prestige gar nicht erst zu reden, und den Leuten gefiel meine britische Selbstironie, mit der ich meinen Aufstieg zum größten Witz der Stadt berichtete.

Wie sich herausstellte, war es Seymour gelungen, Lafayette noch am Abend der Turnierabsage zu verlassen; dafür hatte er es jedoch nur bis Dallas geschafft. Hab alle Anschlüsse verpasst. Musste dort mein Lager für die Nacht aufschlagen … Tut gut, wieder hier zu sein, oder? Warum setzt du dich nicht zu uns? Tja, warum eigentlich nicht? Ich hatte fast 3 000 Dollar in der Tasche, die vor vierundzwanzig Stunden nur 200 Dollar gewesen waren; außerdem war es an der Zeit, mich an ein größeres Spiel wie dieses hier zu wagen, vor allem mit dem Geld anderer Leute. Als ich mein Spielkapital herausholte und mich setzte, stellte sich Bob Thompson mit wissendem Lächeln hinter mich. Zeit fürs Bett, was, Tony? Darf ich Ihnen Chips eintauschen, Sir?

Am Tisch saßen Seymour, ein redseliger alter Knabe namens Charlie, ein verhutzeltes Gesicht, das mir als Harry bekannt war, ein Mann, den ich zwar nicht kannte, dafür aber alle anderen, und schließlich ein junger einheimischer Pro namens Ron Stanley, den Bob mir bereits als besten Allroundspieler der letzten Pokerkreuzfahrt beschrieben hatte. Was meine Informationen betraf, hatte ich ein ganz gutes Gefühl; was mir jedoch weniger gefiel, war die Tatsache, dass Harry, Charlie, Seymour und der Fremde einen Straddle eingebaut hatten, also einen zweiten Big Blind von 20 Dollar, was den Einstieg auf 40 Dollar hochschraubte. Auf diese Weise würde sogar ohne jede Erhöhung der erste Einsatz nach dem Flop bei mindestens 200 Dollar liegen.

Das war mehr, als ich gewohnt war. Mein Gott, bin ich müde, sagte ich und rekelte mich, um ihnen im Voraus zu zeigen, dass ich jeden Grund hatte, äußerst tight, also verhalten zu spielen. Du willst müde sein?, meinte Charlie. Ich hab nur zwei Stunden geschlafen, und das sind drei mehr als im Rest der Woche. Statt darauf zu warten, bis die Blinds bei mir angekommen waren, bezahlte ich sofort 40 Dollar, ohne Erhöhungsprivilegien, um in der ersten Hand dabei zu sein. Damit hoffte ich, ein wenig Zuversicht auszustrahlen. Mein Verdacht bestätigte sich, als ich K -4 von einer Farbe bekam: ein ganz nettes Blatt, aber auch eines, mit dem ich normalerweise schön vorsichtig gepasst hätte, um mir die Partie erst einmal ein Weilchen anzusehen. Ron passte vor dem Flop, doch keiner der anderen erhöhte, und so sah ich mit Erstaunen, wie der Dealer Pik-König – Kreuz-Vier – Kreuz-Drei aufdeckte.

Ich hatte zwei Paare, davon die Könige als höchstes Paar – nur ein Drilling wäre im Augenblick besser gewesen, doch ein solcher Flop bot immer die Gefahr einer
möglichen Straße oder eines Flush. Ich setzte in Höhe des Pots, 200 Dollar. Seymour passte, Harry passte, der Fremde passte. Charlie dachte nach, und mir war nicht klar, ob ich ihn dabeihaben wollte oder lieber nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er drei Könige oder drei Vieren hatte, da ich jeweils eine davon besaß. Aber drei Dreien? Gut möglich, denn in diesem frühen Stadium konnte er vor dem Flop keine verräterische Erhöhung riskieren. Es sah so aus, als würde ich sofort in mein Unglück laufen. Was, wenn er mit A-2 oder 5-6 mitgegangen wäre, ohne zu erhöhen, und jetzt zwei Ansätze für eine Straße hatte, eine davon beidseitig? Und was war mit einem Ansatz zum Flush? Womöglich gar zum Straight Flush?

Charlie unterbrach meine Gedankenspiele, indem er um das Maximum erhöhte – meine 200 Dollar und weitere 600 Dollar. Ohne zu zögern, ging ich mit. Der Turn brachte einen weiteren König. Damit hatte ich ein Full House. Natürlich wäre es verlockend gewesen, jetzt zu checken und seine Erhöhung zu erhöhen; doch ich fühlte mich in der Runde noch nicht zu Hause und wollte auch nicht als Klugscheißer dastehen. Also setzte ich einfach erneut den Pot, in dem mittlerweile 1 800 Dollar lagen – was selbstbewusst genug wirkte, da ich damit fast alle Chips in die Mitte geschoben hatte, die ich besaß. Ich konnte nur hoffen, dass die anderen glaubten, ich hätte noch mehr Geld in der Tasche. Als er sah, dass mir nur noch 300 Dollar geblieben waren, ging Charlie natürlich mit und erhöhte um alles, was ich hatte, indem er genug Hundertdollar-Scheine in die Mitte legte, um mich zu Tode zu erschrecken. Nun ging ich davon aus, dass er dieses Paar Dreier haben musste – und damit ein Full House, aber ein kleineres als meins.

Die letzte Karte war die Kreuz-Fünf. Verdammt, hatte er damit etwa einen Straight Flush zusammen? Falls ja, würde ich zu Fuß zum Horseshoe zurückgehen müssen.
Ich hatte kein Geld mehr – so dass gottlob keine weiteren Er-höhungen mehr kamen. Ich zeigte meinen K-4 vor, was ich tunlichst vermieden hatte, als ich All-in gehen musste. Er schaute lange und konzentriert auf sein Blatt, und ein gewaltiger Schauder durchfuhr mich. Ich wusste, dass ich gewonnen hatte – aber nur knapp. Anschließend zeigte Charlie mir großmütig sein Blatt (was er nicht hätte tun müssen). Und richtig, es war dieses unglückselige Paar Dreien. Er musste mich auf drei Könige veranschlagt und geglaubt haben, er habe gewonnen. Das hätte ich zumindest an seiner Stelle getan. Ordentliche Hand, murmelte er als guter Verlierer und klopfte mir auf die Schulter, während ich einen Pot von 6 000 Dollar einsackte, davon 3 060 Dollar Gewinn – der größte Gewinn auf eine einzelne Hand, den ich in Vegas je eingestrichen hatte.

Ich bemühte mich, möglichst unaufgeregt zu wirken, während ich die
Hundertdollar – Scheine stapelte, und gab mir Mühe, sie nicht sofort zu zählen. Ein paar Hände später, noch immer wie betäubt von einem so schnellen Erfolg, nutzte ich die Gelegenheit, sie offen zu zählen, indem ich so tat, als dächte ich über eine größere Erhöhung nach. Es stimmte – aus meinen 200 Dollar vom vergangenen Abend waren jetzt über 6 000 Dollar geworden. Ein paar Stunden später, gegen drei Uhr morgens, waren es sogar über 7 000 Dollar. Damit lag ich für den Abend bei 4 000 Dollar im Plus – eine Summe, die ich verzweifelt zu verteidigen versuchte, als ich A-5 von der gleichen Farbe als Handkarten bekam, meinen Einsatz brachte und zusah, wie mit dem Flop A-5-10 auftauchten. Dieses Mal war es der Fremde, der mich ins Schwitzen brachte. Auf dem Turn, der eine nutzlos aussehende Zwei brachte, checkten wir einfach weiter, was in mir Hoffnung aufkeimen ließ. Ich ging davon aus, dass er ein einzelnes Ass besaß, ohne mein zweites Paar. Doch es gab noch jede Menge anderer Möglichkeiten: Er konnte Ass und Zehn haben oder sogar drei Zehnen slow, also verhalten, spielen, obwohl das unwahrscheinlich schien.

Oder er versuchte, eine Straße bis zum Ass zusammenzubekommen (in diesem Fall hätte ich setzen sollen). Zumindest musste ich mir keine Sorgen über einen möglichen Flush machen. Als er nach der fünften Karte – einem König – erneut checkte, hatte ich instinktiv das Gefühl, ich sollte zuversichtlicher wirken, und brachte einen Einsatz in Höhe des Pots. Kaum hatte ich meine Chips in die Mitte geschoben, erkannte ich, dass ich einen Fehler begangen hatte – eigentlich hätte ich die Hand auch gewinnen können, ohne mehr Geld aufs Spiel zu setzen. Während der Fremde über meinen Einsatz nachdachte, oder so tat als ob, wurde mir klar, dass ich nach einer Erhöhung seinerseits fast schon gezwungen war mitzugehen. Ob er tatsächlich die Top Straight, die Straße bis zum Ass, gezogen hatte? Womöglich hatte ich ihm direkt in die Hand gespielt.

Zu meinem Erstaunen ging er nur mit und gab auf, als ich meine beiden Paare zeigte. Als er seine Karten auf den Stapel der abgelegten Karten warf, zeigte er mir ein
Ass – wodurch sich meine erste Vermutung bewahrheitete – und schaute mich lange an, während ich das Geld einstrich. Wie um alles in der Welt hatte er mein Blatt eingeschätzt, dass er letztendlich mit nur einem Paar Asse mitging? Aber das war wahrscheinlich der Vorteil eines relativ unbekannten Gesichts – selbst wenn dieses kaum in der Lage war, die Nervenanspannung zu verbergen. Gespielt wie ein Pro, sagte der Fremde freundlich, während ich erneut einen anständigen Pot einkassierte. Meinte er das wirklich ernst? Oder versuchte er – was wahrscheinlicher war -, mich durch Schmeicheleien zum Heißlaufen zu bringen?

Ich konnte es beim besten Willen nicht einschätzen, und außerdem spürte ich, wie mein Selbstbewusstsein langsam Opfer meines Nervenkostüms wurde. Im Lauf der nächsten halben Stunde verlor ich bei ein paar locker gespielten Händen ganz bewusst 700 Dollar, quälte mich dann rekelnd und gähnend durch ein paar Blätter und erklärte schließlich, ich könne die Augen nicht länger offen halten. Dann brachte ich ein weiteres Mal die Sprache auf Lafayette, um alle daran zu erinnern, was ich doch für einen langen Tag gehabt hatte, erhob mich vom Tisch und löste meine Chips ein, nun wieder 6 000 Dollar im Plus.

Hat Spaß gemacht, sagte Charlie, als ich mich verabschiedete. Vielleicht seh’n wir uns ja morgen Abend, erwiderte ich, in der Hoffnung, ihm irgendeine verräterische Reaktion zu entlocken. Doch ich bekam keine Antwort. Im Taxi zurück zum Horseshoe zählte ich unauffällig die 9 000 Dollar in meiner Tasche noch einmal durch und fühlte mich großartig dabei. Aber ich wusste noch immer nicht, ob ich wirklich wie ein Pro gespielt hatte. Doch, daran bestand kein Zweifel – zumindest befand ich das am nächsten Morgen, an dem ich gerade rechtzeitig für den unschlagbaren Brunch im Binion’s erwachte. Nichts ist schöner, als in Las Vegas zu erwachen, langsam die Ereignisse des vergangenen Abends Revue passieren zu lassen und dabei auf die Erinnerung an einen größeren Gewinn zu stoßen.

Mit großem, vielleicht zu großem Selbstbewusstsein trug ich mich für einen
$ 20/$ 40-Limit-Hold’em-Tisch ein. Mein langes Wochenende in Vegas war erst halb vorüber; damit blieb genug Zeit zu entscheiden, ob ich mich mit den Pot-Limit-Jungs einlassen wollte oder nicht. Ich fühlte mich in guter psychologischer Verfassung – gut genug, um der traditionellen Pokerfalle zu entgehen, die das allmächtige männliche Ego auslegt. Der Seelenklempner und ich hatten das schon durchdiskutiert. Es ist der Moment, in dem das Ego auf das Peter-Prinzip stößt, welches bekanntermaßen erklärt, dass jeder Mensch irgendwann bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufsteigt. Beim Poker äußert sich das folgendermaßen: Hat man das erste Mal bei einer
Pot-Limit-Partie seinen Mann gestanden und ist dabei gesehen worden, lässt einen die nackte Eitelkeit zögern, sich noch einmal auf niedrigerem Niveau zu zeigen. Ein Spieler, der am $ 10/$ 20-Tisch ständig gewinnt, wird natürlich irgendwann auf einen
$ 20/$ 40-Tisch umsteigen; verliert er dort jedoch regelmäßig, fällt es ihm schwer, mit Gesichtsverlust und eingekniffenem Schwanz zum $ 10/$ 20-Tisch zurückzukehren.

Aber mir nicht. Sei stolz auf deine wunderbar offene Beziehung zu deinem Ego, sagte ich mir bei einem Benny Binion Early Bird Special. Gib zu, dass das gestern Abend eine Nummer zu groß für dich war. Sei ehrlich: Du hast Schwein gehabt. Schluck deinen Stolz hinunter und deine Gier und begib dich wieder in dein angestammtes
$ 20/$ 40-Revier. Dort mühte ich mich schließlich den ganzen Tag über ab – ohne ein einziges Mal in die roten Zahlen zu rutschen. Offensichtlich hatte ich eine Glückssträhne. Die Mitspieler kamen und gingen – die meisten waren ziemlich mürrische, schweigsame Typen, die auf ihren großen Augenblick warteten, für gewöhnlich umsonst.

Ich spielte recht viele Hände, zum Teil aus Langeweile, zum Teil wegen des verhängnisvollen Touristengefühls, nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung zu haben. Die vergleichsweise kleinen Limits versetzten mich in die Lage, der Wahrscheinlichkeit zum Trotz bei Zukaufhänden im Spiel zu bleiben – denn heute war einer dieser wunderschönen Tage, an denen ich einfach wusste, dass der Pokergott auf meiner Seite stand. Derart zu spielen und zu gewinnen ärgert die anderen Spieler so sehr, dass sie dazu neigen, irgendwann heißzulaufen. Nach ihren Maßstäben spielte ich schlecht, und früher oder später musste meine Pyramide an Chips, die ich hegte und pflegte, ins Wanken geraten. Tatsächlich aber erlitt ich nur ganz wenige Rückschläge.
Und wenn einmal eine risikoreiche Hand danebenging, konnte es mir immer noch egal sein – letztlich handelte es sich ja um das Geld anderer Leute.

Um zwei Uhr morgens, und nachdem ein geräuschvoller schlechter Verlierer am Tisch aufgetaucht war, dem ich insgeheim den Spitznamen Arschloch verpasste, hatte ich fast zwölf Stunden gespielt und lag mit 1 200 Dollar im Plus – ein ordentlicher Gewinn bei einem $ 20/$ 40-Limit. Einhundert Dollar pro Stunde mag zwar nicht unbedingt wie ein guter Stundenlohn erscheinen, doch das Pokern auf diesem Niveau kam mir im Vergleich zu den Nervenschlachten des gestrigen Abends vor wie eine therapeutische Maßnahme, mit beinahe entspannender Wirkung. Außerdem war es eine günstige Methode, immer tiefer in die Geheimnisse des Texas Hold’em einzudringen.

Und wenn ich für meine Übungsstunden auch noch bezahlt wurde, war das ein angenehmer Nebeneffekt. Alle Gedanken an die Pot-Limit-Partie im Dunes hatten sich längst verflüchtigt – am besten zockte ich hier weiter, bis ich einschlief. Leider trieb das Arschloch seine Mätzchen so weit, dass er damit andere Spieler verscheuchte. Er ließ durchblicken, dass er mich von meiner Spielweise her als leichtes Opfer betrachtete. Er stand unter Drogen, das erkannte ich an seinem Blick – und natürlich an der Tatsache, dass er ständig auf seinem Stuhl hin – und herrutschte und regelmäßig aufsprang, um seinen Kumpels quer durch den Saal Kommentare über uns Mitspieler zuzubrüllen. Damit verdarb er die gute Stimmung einer ganz zufriedenen kleinen Gruppe, die bis zu seinem Erscheinen einen intensiven geistigen Schlagabtausch genossen hatte.

Dank ihm fühlte ich mich nun auch nicht mehr recht wohl, was er wahrscheinlich beabsichtigt hatte. Also beschloss ich, vor allem kein Geld an ihn zu verlieren. Mein nächster Beschluss lautete, ihm einen großen Pot vor der Nase wegzuschnappen und ihn dann dadurch tödlich zu verärgern, dass ich sofort aufstand und meine Chips einlöste – was mir um genau 3.06 Uhr auch gelang. Als ich mit 1 800 Dollar Gewinn den Fahrstuhl und damit mein Bett ansteuerte, gellten mir die höhnischen Bemerkungen des Arschlochs quer durch den Saal hinterher. Am späten Vormittag des nächsten Tages nahm ich Bennys Brunch auf meinem Zimmer ein, begleitet vom wohltuend
leeren Geschwätz einer Soap im Fernsehen.

Da heute mein letzter Tag in der Stadt war, beschloss ich, meinen aktuellen Gewinn von insgesamt 10 800 Dollar wieder ins Dunes zu tragen, um dort bei der
Pot-Limit-Partie einzusteigen und ein wenig echtes Heavyweight-Poker zu spielen. Schließlich hatten wir Ostersonntag, die Stadt wimmelte von Touristen, und neben den Smiths mochten auch ein paar Jones und Jacksons unterwegs sein, die nicht wussten, was sie taten. Also nahm ich mein Herz in beide Hände und machte mich auf zum Taxistand an der Fremont Street, vorbei am $ 20/$ 40- Tisch, der mir mittlerweile wie mein Zuhause vorkam. Dort sah ich etwas Bemerkenswertes: Der Platz, auf dem ich gestern den ganzen Tag über gesessen hatte, war leer – und es lagen auch keine Chips dort, die darauf hindeuteten, dass jemand sich den Platz reserviert hatte. Das war an sich schon ungewöhnlich. Auf der anderen Seite des Tischs jedoch, wo gestern Abend das Arschloch vollgekokst Hof gehalten hatte, saß nun kein Geringerer als
Johnny Moss, der Grand Old Man of Poker persönlich. Was machte er beim
$ 20/$ 40-Spiel?

Wenn der Platz wirklich frei und nicht nur vorübergehend von jemandem verlassen worden war, dann bot sich hier die Chance, einmal gegen The Man anzutreten.
Eine Nachfrage am Empfang ergab zu meiner Verblüffung, dass mein Platz tatsächlich noch zu haben war und niemand vor mir auf der Warteliste stand. Das betrachtete ich als gutes Omen, da die $ 20/$ 40-Liste das ganze Wochenende über mit Namen gespickt gewesen war und eine zwei- bis dreistündige Wartezeit auf einen Platz keine Ausnahme darstellte. Nur zu, Tony, sagte der Floorman grinsend, da er spürte, wie mich die Aussicht auf eine Partie mit dem größten Pokerspieler aller Zeiten in Erregung versetzte. Ich war der beste Beweis für die Moss- Philosophie des Horseshoe – dass nämlich die reine Anwesenheit dieses Mannes alle möglichen Trottel dazu verlocken würde, sich zu ihm an den Tisch zu setzen, angelockt wie Motten vom Licht. Doch das war mir in diesem Moment vollkommen egal. Bewaffnet mit zwei Ständern voller
Chips – 500 Dollar in Fünfern und 500 Dollar in Fünfundzwanzigern – stellte ich bei meiner Ankunft fest, dass Mr. Moss mich angrinste. Schön, dich zu sehen, Tony, sagte er.

Das überraschte mich, denn nur die wenigsten dieser Leute erinnern sich an den Namen eines Gelegenheitsspielers. Außerdem sorgte er damit für ein wenig Unruhe am Tisch. Die anderen Spieler waren erstaunt und einigermaßen eingeschüchtert davon, dass der Grand Old Man mich so gut kannte, dass er mich namentlich begrüßte. Bei näherer Überlegung sah ich darin sowohl einen Vor- als auch einen Nachteil. Einerseits brachte es mir umgehend Respekt ein; andererseits zerstörte es meine Deckung als unschuldiger Amateurspieler, der über sich hinauswuchs. Unbewusst schlug ich die Hacken zusammen und verbeugte mich respektvoll vor Mr. Moss. Mrs. Moss, fügte ich höflich hinzu und nickte dabei respektvoll in Richtung Virgie, die seit sechzig Jahren mit ihm verheiratet und wie immer an seiner Seite zu finden war.

Anschließend setzte ich mich und ordnete meine Chips leise zu einer pyramidenförmigen Basis an, um den anderen Spielern zu demonstrieren, dass meine Ambitionen denen von Tutenchamun entsprachen. Nach den ersten Händen erkannte ich, dass alle am Tisch ganz genau wussten, mit wem sie hier spielten, doch dass die Pokeretikette sie davon abgehalten hatte, diesbezüglich allzu großen Wirbel zu veranstalten. Es schien, als habe bis dahin niemand Johnny Moss beim Namen genannt. Offenkundig fanden die anderen es cooler, ihn wie einen x-beliebigen Mitspieler zu behandeln. Allerdings war mir auch aufgefallen, dass jede seiner
Erhöhungen dafür sorgte, dass sie sich auf der Stelle aus dem Pot zurückzogen.

Nach dem gestrigen Tag fühlte ich mich hier wie zu Hause, und mein Selbstbewusstsein hatte Flügel bekommen, Ob ich derjenige sein konnte, der Moss’ Rhythmus durchbrach? In meinem Kopf tauchte die gefährliche Vorstellung auf, ich sei Nick der Grieche und spiele mit Moss jene legendäre Marathonpartie – doch diesmal mit einem anderen Ausgang. Die erste Gelegenheit bot sich mir, als ich A-K auf die Hand bekam und der Flop noch ein Ass mit zwei kleinen Karten brachte. Da ich als Erster mit den Einsätzen an der Reihe war, setzte ich die vorgeschriebenen zwanzig Dollar. Alle am Tisch passten unter der zutreffenden Annahme, dass ich nicht Under the Gun setzen würde, wenn ich nicht mindestens ein Ass auf der Hand hatte – bis Moss an der Reihe war.

Er warf mir einen seiner undurchdringlichen Blicke zu und erhöhte um weitere 20 Dollar. Ich ging einfach mit. Der Turn war belanglos, bot weder die Möglichkeit für einen Straight noch einen Flush, brachte mir allerdings auch kein zweites Paar. Ich checkte, und Moss setzte erneut 40 Dollar. Damit war klar, dass wir beide Asse hielten, wobei natürlich die Möglichkeit bestand, dass sein Kicker mit dem Flop oder Turn auch zu einem Paar geworden war. Doch der blinde Ehrgeiz trieb mich an – zu schüchtern, um gegen den großen alten Mann zu erhöhen und in einen Re- Raise, eine Gegenerhöhung, zu laufen, ging ich lediglich mit ihm mit. Als die letzte Karte offen auf dem Tisch lag und ich nach wie vor ein einsames Paar Asse hatte, fand ich, ich sollte einen Einsatz riskieren, nur für den Fall, dass er meine Hand für besser hielt, als sie war. Moss ging mit und schaute mich forschend an.

Ein wenig betreten deckte ich Ass und König auf. Mit breitem Grinsen legte er A-J offen. Wir hatten beide das gleiche Spiel gespielt, ich jedoch mit kleinem Vorsprung.
Während ich den Pot einstrich, verspürte ich das Verlangen, etwas zu sagen. Wäre der Seelenklempner dabei gewesen, um es mich rational erklären zu lassen, hätte ich gesagt, ich wollte dem großen Mann Respekt erweisen, ohne dabei anmaßend zu wirken, gleichzeitig jedoch über die anderen Spieler triumphieren. So hörte ich mich völlig unbedacht sagen: Ich wollte den Jungs daheim bloß erzählen können, dass ich Johnny Moss bei einem Pot geschlagen habe. Moss grinste freundlich, als wolle er damit sagen, dies sei nichts Neues für ihn, und der Spieler zu meiner Linken ließ sich ein leises Lachen entlocken.

Die nächste Hand bescherte mir ein Paar Siebener als Startkarten und einen Flop mit Q-Q-2. Der Lacher zu meiner Linken eröffnete die Einsätze, und bis ich an der Reihe war, war lediglich Moss mitgegangen. Entgegen jeder Logik beschloss ich, den Quoten zu trotzen und mitzugehen. Offenkundig hatte einer der beiden, vielleicht auch alle beide, eine Dame auf der Hand, doch mein Bauchgefühl sagte mir, dass noch eine Sieben für mich drin sein würde. Der Turn brachte eine Fünf. Der Lacher setzte das Maximum, 40 Dollar, worauf Moss sofort erhöhte. Ob er ein Full House hatte? Absurderweise ging ich die Achtzig mit, worauf der Lacher nochmals erhöhte. Erneut ging Moss mit – was ich, gefangen von meinem Ehrgeiz, ebenfalls tat. Die anderen am
Tisch müssen sich gefragt haben, was zum Kuckuck ich da eigentlich für ein Blatt spielte. Ich wusste es selbst eigentlich auch nicht mehr so recht, bis der Dealer die letzte Karte umdrehte – jene Sieben, von der ich gewusst hatte, dass sie irgendwo auf mich wartete.

Selbstverständlich brachte der mit der Dame, der Lacher, erneut einen Einsatz, dieses Mal aber weniger zuversichtlich als zuvor. Moss ging mit. Als ich erhöhte, stieß der Lacher einen Laut des Erstaunens aus, während Moss so ausdruckslos blieb wie eh und je. Beide gingen mit, und ich war gezwungen, mein Zufalls-Full- House mit der entschuldigenden Bemerkung aufzudecken: Sorry, ich habe einfach meinen Lauf gespielt. Lächelnd deckte Moss ein Paar Fünfer auf – er hatte auf dem Turn sein Full House zusammenbekommen. Der Lacher, völlig verblüfft darüber, dass er diese Hand verloren hatte, drehte A-Q um, schaute uns beide an und meinte: Ich wollte den Jungs daheim bloß erzählen können, dass ich den Mann geschlagen habe, der Johnny Moss bei einem Pot geschlagen hat… Schätze, ich werde es wohl weilerversuchen müssen.

Für einen $ 20/$ 40-Tisch handelte es sich um einen ziemlich großen Pot, etwa 700 Dollar, und jeder wusste, dass ich niemals so lange hätte mitgehen dürfen. Doch die wissenden Blicke am Tisch konnten dem Genuss nichts anhaben, mit dem ich den für hiesige Verhältnisse gewaltigen Haufen Chips einstrich – es waren so viele, dass ich Schwierigkeiten hatte, sie alle aus dem Weg zu befördern, während der Dealer das nächste Blatt austeilte. Lakonisch wie immer sah Moss zu, wie ich die Chips zu stapeln begann. Na, den Pot wollte ich sowieso nicht gewinnen, sagte er gedehnt. Die ganze Stapelei…

Als ich auch bei der nächsten Hand Glück hatte und dabei einen mir unbekannten Mitspieler am anderen Ende des Tisches auskaufte, konnte Moss aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung meine Glückssträhne nachempfinden und sich darüber freuen.
Kinderleicht, oder?, grinste er, als ich einen weiteren Berg Chips in meine Richtung kehrte, noch bevor es mir gelungen war, den ersten zu sortieren. Und so lief es weiter bis gegen 17.00 Uhr, dem Zeitpunkt, an dem ich mich mit Don zum Essen verabredet hatte, bevor es zum traditionellen Sonntagabend-Turnier im Hilton gehen sollte. Der Gedanke an diese Verabredung hatte mir ein wenig Kummer bereitet. Doch gegen 16.45 Uhr stand Moss seinerseits abrupt auf und verabschiedete sich, erneut mit einem freundlichen Lächeln.

vorherige Ende der Geschichte eines Pokerspielers und seine Spielstrategien Teil I
nächste Meine Erfahrung und Strategien auf den Weltpoker Tischen Teil I – the big one