Wie die Lottospieler abgezockt werden – hilfreiche Information

Am 3. Februar 1993 ging der Traum eines jeden Lottospielers in Erfüllung: Die Westdeutsche Lotterie GmbH & Co. (WestLotto) zahlte in Nordrhein-Westfalen mehr Geld an die Gewinner aus, als alle Spieler zusammen an diesem Wochenende für ihre Tips eingesetzt hatten, knapp 40 Millionen €. Ausgeschüttet wurden aber 46 Millionen €. Die hohe Quote von fast 116 Prozent kam zustande, weil zusätzlich eine Sonderauslosung gespielt wurde. Außer den 20 Millionen €, die als Gewinnanteil von den Einsätzen zur Verlosung kamen, fielen auf Nordrhein-Westfalen noch einmal 26 Millionen € aus den Zusatzgewinnen. So schön ist es beim Lotto allerdings nicht jedes Wochenende. Woche für Woche freuen sich andere: die Veranstalter und ihre Angestellten.

Wenn Otto Lotto am Samstag seine Kreuzchen macht, hofft er in erster Linie auf den großen Gewinn. 50 Pfennig jeder € sollen wieder an die Gewinner ausgeschüttet werden. Auch beim Toto und beim Rennquintett, das nur noch in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen, Hamburg und Rheinland-Pfalz angeboten wird, steht die Hälfte der Einsätze den Tippern zu. Bei Losbrieflotterien sollen mindestens 40 Prozent an die Spieler gehen, die Zusatzlotterie Spiel 77 sieht 43V3 Prozent vor, die Super 6 bis zu 50 Prozent.

Insgesamt wird bei den Spielen des Deutschen Lotto- und Totoblocks im Vergleich mit allen Wettunternehmen ein sehr hoher Anteil der Einsätze einbehalten (siehe folgende Tabelle).

Einsatzabzüge der westdeutschen Spielangebote
Spielangebot Einbehaltene Einsätze (in %) Zweckertrag
Lotto 50% •> (20 bis 25% Abgabe,
Toto 50%   deren Verwendung
Spiel 77 56%   * in den Ländern
Super 6 54%   unterschiedlich
Losbrieflotterien 60%   geregelt ist)
Glücksspirale 60% 28% an drei Destinatäre
Klassenlotterien 46-48% Überschuss an Landeshaushalte
Spielbank (Roulette) 3% 10% vom Gewinn an Haushalt
Geldspielautomaten 40% nur Abgabe/Steuer pro Gerät
Buchmacher 22% 0  
Trabrenn-Totalisator 26-27% mindestens 10,75%
Galopprenn-Totalisator 25% mindestens 10,75%
Goldene 69% 50% (Deutsches Hilfswerk)
Aktion Sorgenkind 70% 40%

 
Knapp 17 Pfennig von jeder €, ein Sechstel der Einsätze, behält der jeweilige Landesfinanzminister als Lotteriesteuer. Die Gesellschaften bleiben ansonsten von Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer befreit. Weitere 20 bis 25 Pfennige werden als Konzessionsabgabe oder Zweck-ertrag einbehalten. Sie sollen gemeinnützigen Zwecken zugute kommen. Wie das in den Ländern geregelt wird und wohin das Geld letztendlich fließt, soll später gezeigt werden. Mit dem Rest sollen die Lotterieverwaltungen den Spielbetrieb finanzieren, also dafür sorgen, dass immer genügend Spielscheine da sind oder das Online-System funktioniert, aber auch die Gehälter ihrer Angestellten bezahlen und – da will Otto Lotto mal nicht so sein – Betriebsfeste finanzieren. Weil den Lottogesellschaften die Vergütungen aus den Einsätzen nicht genügen, erheben sie auf jeden Spielschein eine Bearbeitungsgebühr. Diese geht nach Abzug der Lotterie- sowie der Mehrwertsteuer meistens an die Gesellschaften. Der Landesrechnungshof Schleswig-Holstein hält dies für unrecht. Er vertrat 1991 die Auffassung, die Lotterien müssten ihren Verwaltungsaufwand aus den Einsätzen bestreiten. Die Aufsichtsbehörde sah ihre Meinung gestützt durch die Tatsache, dass auch von der Spielscheingebühr Lotteriesteuer abgezogen wird. Der Ruf blieb ohne Folgen.

Statt dessen beanspruchten die Betreiber immer mehr Mittel und erhöhten die Bearbeitungsgebühren, etwa 1995. In Niedersachsen gingen 1995 zwar die Spiel-, Wett- und Lotterieeinsätze um 67,7 Millionen € auf 1,16 Milliarden € zurück, dafür hat jedoch die im Vorjahr vorgenommene Anpassung der Bearbeitungsgebühren zusätzliche Mehrerlöse von 3,9 Prozent in Höhe von nunmehr 37,8 Millionen € gebracht. Insgesamt kassierten die 16 Betreibergesellschaften 1996 von den Tippern mehr als 365 Millionen € an Spielscheingebühren. Und auch von den Einsätzen wird ein Teil für die Abwicklung des Spielbetriebs einbehalten: in Rheinland-Pfalz jahrelang 12,9 Prozent, inzwischen 11,4 Prozent oder 180 Millionen €. Sachsen-Anhalts Glücksspiel-GmbH darf 11,3 Prozent oder 23 Millionen € hierfür verbrauchen, außerdem für einige Jahre einen Teil der Zweckerträge. Zusammen mit den Anteilen aus den Einsätzen, die für die Geschäftsbesorgung abgezweigt werden, stehen den Lotterieverwaltungen jährlich rund zwei Milliarden € zur Verfügung. Geldvernichtung oder Arbeitsbeschaffung?

Der Hannoveraner Diplomökonom Norman Albers sieht überhaupt keine Notwendigkeit, den Wettbewerb im Preiskartell durchzuführen. Das bedeute lediglich 16mal Gesellschaft, 16mal Wasserkopf, 16mal Protzbauten, 16mal Fuhr-park…. Eine republikweit arbeitende Gesellschaft wäre genug. So aber bleibt der Glücksspielmarkt auch in staatlicher Hand undurchschaubar. Den Zusammenschluß der Landesunternehmen zum Deutschen Lotto- und Totoblock mit der Planung einheitlicher Spielangebote, der Poolung der Einsätze und der Ermittlung einheitlicher Gewinnquoten nennt der Buchmacher sogar ein umfassendes Preiskartell.11 Der Wettbewerb, der im neoliberalen Zeitalter ansonsten allerorten gefordert wird, bleibt beim Glücksspiel außen vor. Zum Vorteil der Spieler geschieht das nicht.

Zwar sind die Lotteriefirmen rechtlich selbständig, doch sind daran überwiegend die Länder, Sportorganisationen (Rheinland-Pfalz und Saarland) oder Landesbanken (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen) beteiligt. Die Deutsche Klassenlotterie Berlin, die trotz ihres irreführenden Namens Toto und Lotto, die NKL jedoch nur als einer von vielen Lotterieeinnehmern betreibt, ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und damit wie die anderen Ländereinrichtungen eine Institution der öffentlichen Hand. Lediglich der Rechnungshof darf die Firma kontrollieren. Die Ergebnisse bleiben allerdings stets im verborgenen. Eine öffentliche Kontrolle kann auf diese Weise so gut wie nicht statt-finden.

Das ist in allen 16 Bundesländern so: In Bayern mehr noch als anderswo steht der Glücksspielmarkt komplett unter der fürsorglichen Kuratel der Staatsregierung. Die Staatliche Lotterieverwaltung bietet nicht nur die Blockspiele an, sondern fungiert auch als Dachorganisation der SKL und der bayerischen Spielbanken. Albers stellt dazu fest: Das bayerische Finanzministerium ist folglich gleichzeitig Genehmigungsinstanz, Anbieter und Kontrollbehörde. Deshalb sei von einer potentiellen Vermischung von Regulierungs- und Insiderinteressen auszugehen.

Wo die öffentliche Hand ihre Lottofirmen wie auch die Spielbanken als GmbH organisiert hat, kann sie sich auf das Unternehmensgeheimnis berufen und sich gegen die Offenlegung der Rechnungsabschlüsse wehren. Sorgsam wird darauf geachtet, dass keine Interna an die Öffentlichkeit dringen.

Der Dumme ist der Spieler, dem die Insiderinteressen von Politikern, Wohlfahrts- und Sportverbänden verborgen bleiben. Er wird abgezockt, und zwar in größerem Maße, so mutmaßt Albers, als wenn die Glücksspiele von privaten Wirtschaftsunternehmen veranstaltet würden. Er fordert eine Marktlösung, bei der derjenige Anbieter zum Zuge kommt, der die niedrigste Einsatzbelastung erhebt.

Einsätze und Bearbeitungsgebühren im Deutschen
Lotto- und Totoblock (in TDM)    
  1995 1995 1996 1996
Land Einsätze Bearbeitungs­ Einsätze Bearbeitungs­
    gebühren   gebühren
Baden-Württemberg 1708731 39301 1628638 37629
Bayern 1938207 48323 1870782 47 692
Berlin 547205 8 887 540 646 10748
Brandenburg 171375 4 948 179199 4 805
Bremen 104 894 4 804 106539 5228
Hamburg 350398 11892 340727 11069
Hessen 1021984 ca. 40 000 1008300 38700
Mecklenburg-Vorp. 104 876 3296 109 619 3 495
Niedersachsen 1159 600 37800 1182 876 36483
Nordrhein-Westfalen 3 020103 109568 2 965 634 107303
Rheinland-Pfalz 695 340 13 836 659179 13 036
Saarland 200588 5 631 194100 5 200
Sachsen 336267 10103 361634 13 657
Sachsen-Anhalt 195127 5 288 201025 7400
Schleswig-Holstein 451986 17515 461800 ca. 17 430
Thüringen 158 836 5192 165 555 5 276
Gesamt 12165 517 366389 11976253 365151
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