
Glücksspielrecht vor dem EuGH: Ist Deutschlands Online-Verbot EU-konform?
Ist das deutsche Glücksspielmonopol mit EU-Recht vereinbar?
Die Frage, ob ein einzelner EU-Staat das Glücksspiel im Internet weitgehend verbieten und dabei private Anbieter ausschließen darf, ist nicht neu – aber jetzt könnte sie grundsätzlich beantwortet werden. Am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg wurde heute ein Fall verhandelt, der nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa Folgen haben könnte. Im Verfahren C-440/23 steht das deutsche Glücksspielrecht auf dem Prüfstand, insbesondere das staatliche Lotteriemonopol und frühere Verbote von Online-Casinos.
Worum geht es konkret?
Ausgelöst wurde das Verfahren von einem Gericht in Malta – dem Land, in dem viele Online-Glücksspielanbieter ihren Sitz haben. Der Fall wurde dem EuGH vorgelegt, um zu klären, ob Deutschland gegen EU-Recht verstoßen hat, indem es über Jahre hinweg Online-Casinos verboten und privaten Anbietern wie Lottoland den Zugang zum Markt verweigert hat.
Der Ausgangspunkt ist eine Klage eines deutschen Spielers, der über Lottoland sogenannte sekundäre Lotteriewetten abgeschlossen hat. Diese Form des Glücksspiels erlaubt es, auf die Ergebnisse staatlicher Lotterien zu wetten, ohne tatsächlich an der offiziellen Ziehung teilzunehmen. Sein deutscher Anwalt fordert nun die Rückzahlung verlorener Einsätze – mit dem Argument, dass das Angebot illegal war.
EU-Grundfreiheiten vs. nationales Glücksspielrecht
Im Zentrum des Verfahrens steht die Frage, ob das deutsche Vorgehen gegen Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstößt. Dieser Artikel garantiert den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU – also das Recht für Anbieter aus einem Mitgliedsstaat, ihre Dienstleistungen auch in anderen Staaten anzubieten.
Deutschland argumentiert, dass sein staatlich reguliertes Lotteriemonopol dem Spielerschutz diene – also der Vermeidung von Spielsucht, Betrug und illegalen Aktivitäten. Kritiker hingegen werfen der Bundesrepublik vor, mit zweierlei Maß zu messen: Der Staat erlaubt eigene Online-Angebote, verbietet aber systematisch die Konkurrenz durch lizenzierte Anbieter aus dem EU-Ausland.
Verhandlung vor dem EuGH: Argumente und Ausblick
Vertreten wurde der Fall vor dem Gerichtshof von Philippe Vlaemminck, einem renommierten Juristen für europäisches Glücksspielrecht. Unterstützt wurde er von Beata Guzik und Valentin Ramognino. Vlaemminck verwies dabei auch auf Äußerungen des amtierenden EuGH-Präsidenten Koen Lenaerts, der betont hatte, dass staatliche Lotterien oft auch eine gesellschaftliche Funktion erfüllen – etwa durch die Finanzierung von Sport, Bildung oder sozialer Projekte.
Diese Sichtweise könnte eine Rolle spielen, wenn das Gericht bewerten muss, ob das Monopol tatsächlich dem Gemeinwohl dient – oder ob es in Wahrheit eher wirtschaftliche Interessen schützt.
Ein Urteil mit Signalwirkung
Die endgültige Entscheidung fällt noch nicht sofort. Zunächst wird am 10. Juli 2025 die Stellungnahme des Generalanwalts veröffentlicht – eine rechtliche Einschätzung, die den Richtern als Leitlinie dient, aber nicht bindend ist. Das finale Urteil des EuGH wird einige Monate später erwartet.
Klar ist schon jetzt: Das Urteil wird weit über Deutschland hinaus beachtet werden. Es könnte klären, wie weit nationale Gesetzgeber im Bereich Glücksspiel noch gehen dürfen – und ob der digitale Binnenmarkt der EU tatsächlich auch für Glücksspielangebote gilt. Für Online-Anbieter, Regulierungsbehörden und nicht zuletzt die Spieler selbst ist das Verfahren damit von enormer Bedeutung.