Verarbeitung der Lebensdaten und statistische Überraschungen bei Lotto Teil 1
Es gibt drei Formen der Luge: Lügen, verdammte Lügen und Statistik.
Benjamin Disraeli
Offensichtlich … Es gibt nicht viele Amerikaner, die nur einen Hoden haben.
Überraschung… In Wirklichkeit hat der Durchschnittsamerikaner einen Hoden. Die Statistik kann außerordentlich nützlich sein und uns großartige Einblicke in Trends und Muster verschaffen. Aber die gedankenlose Anwendung statistischer Tabellen kann zu falschen Vorstellungen über unsere Welt führen und uns zu Miss-verständnissen verleiten.
Die Freude an Daten
Welches andere Gebiet erlaubt uns schon, so freizügig und mit so großem Vergnügen über Sex, Drogen und Tod zu sprechen? Herzlich willkommen in der Statistik. Ein großer Teil unseres Weltverständnisses gründet auf statistischem Beweismaterial oder auf statistischen Erhebungen. Manchmal spiegelt unsere Intuition die Realität genau wieder, und manchmal tut sie es, unglücklicherweise, nicht.
Gültige statistische Schlussfolgerungen sind wichtig, um persönliche und gesellschaftliche Entscheidungen zu treffen. Aber die Statistik ist empfänglich für Falschinterpretationen. Manche auf Daten basierende Behauptungen klingen schlüssig, sind aber eigentlich unbeabsichtigte Fehler oder bewusste Lügen. Wir können über diese Fallgruben lachen, natürlich nur solange wir nicht zu den Opfern gehören.
In diesem Kapitel wollen wir einige Beispiele anführen, wie wir von den trickreichen Zahlenjongleuren in den Medien, in unseren Schulen, in unserem Freundeskreis, in der Luftfahrt und bei medizinischen Tests an der Nase herumgeführt werden. Auch rotierende Münzen spielen dabei eine Rolle. Und mit welchem Thema ließe sich eine Erforschung statistischen Wahnsinns wohl am besten beginnen? Mit der Bühne, die für Fehler und Lügen gleichermaßen berühmt-berüchtigt ist: dem Präsidentschaftswahlkampf in den USA.
Präsidentschaftswahlen
Wenn man im frühen 20. Jahrhundert gut zusammengestellte Literatur suchte, dann war der Literary Digest die perfekte Zeitschrift. Ihr wahrer Ruhm jedoch gründet auf dem statistischen Fiasko, das sie 1936 unabsichtlich auslöste, sodass auch noch künftige Generationen in den Lehrbüchern an ihn erinnert werden. Dabei ging es um die Wahl des amerikanischen Präsidenten im Jahr 1936. Das erklärte Ziel des Literary Digest war es, das Ergebnis vorherzusagen. Die meisten Leute, die damals wählten, leben heute nicht mehr, aber mancher Zeitgenosse mag sich noch an die beiden Haupt-kandidaten erinnern. Es waren der Amtsinhaber Franklin Delano Roosevelt und sein republikanischer Gegner Alfred Landon.
Die Sieger aller fünf vorausgegangenen Präsidentschaftswahlen waren vom Literary Digest richtig vorhergesagt worden. Dabei waren sie sogar bis auf ein paar Prozentpunkte an das richtige Abstimmungsergebnis herangekommen. Vor der Wahl von 1936 verschickte der Digest Millionen von Fragebögen an Wähler im ganzen Land. Das Beweismaterial sprach eine eindeutige Sprache, sodass mit großer Zuversicht das Ergebnis vorhergesagt wurde: Landon sollte mit großem Vorsprung ins Weiße Haus einziehen. Tatsächlich prognostizierte die Zeitschrift, Alf würde 57% der Wählerstimmen gewinnen und das Wahlmännergremium mit einen Erdrutschsieg von 370 zu 161 Stimmen auf seine Seite ziehen.
Die meisten Leute werden sich wahrscheinlich nicht erinnere im Geschichtsunterricht von einem Präsidenten namens Alfred Landon gehört zu haben. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil Landon die Wahl nicht gewinnen konnte. Die Vorhersage des Literary Digest war nur in einer Hinsicht richtig: Die Wahl brachte nämlich tatsächlich einen erdrutschartigen Sieg – allerdings für den anderen Kandidaten. Roosevelt wurde mit der überwältigenden Mehrheit von 62 % wiedergewählt und brachte es im Wahlmännergremium auf sagenhafte 523 zu 8 Stimmen. Wie konnten aber die bald schon gefeuerten Statistiker beim Literary Digest so danebengelegen haben? Ganz einfach: Sie hatten die falschen Leute nach ihrer Meinung gefragt.
Die Leute, die auf die Liste kamen und Umfragebögen erhielten, wurden beim Literary Digest aus unterschiedlichen Quellen zusammengesucht. Dazu gehörten die Abonnentenverzeichnisse des Digest sowie die Aufzeichnungen der Kraftfahrzeugbehörden und Telefongesellschaften. Zehn Millionen Fragebögen wurden versandt, und zwei Millionen wurden zurückgeschickt. Aber 1936 befand sich das Land mitten in der Weltwirtschaftskrise. Viele Haushalte mussten sparen und konnten sich unnötige Ausgaben nicht mehr erlauben. Zu den ersten Maßnahmen gehörte wohl auch die Kündigung des Abonnements für ebendieses hochgeschätzte Blatt, was für die wirtschaftliche Gesundheit des Literary Digest natürlich bedauerlich war. Viele Familien mussten noch in anderen Bereichen sparen und ohne Auto und Telefon auskommen. Deshalb war die Liste auch nicht repräsentativ für die wahlberechtigten Bürger. Obendrein wurden nur die Fragebögen ausgewertet, die freiwillig zurückgeschickt wurden. Und wer weiß schon, ob die Leute, die Fragebögen zurückschicken, einen Querschnitt durch die Bevölkerung darstellen? Jedenfalls war die Umfrage extrem fehlerbehaftet, sodass die daraus gezogenen Schlussfolgerungen grob verfälscht waren.
George Gallup. Das Fiasko des Literary Digest führte zu einem weiteren interessanten Ergebnis – es bescherte einem jungen Statistiker dauerhaften Ruhm. George Gallup bekam Wind von der Umfrage des Literary Digest und den dabei verwendeten Methoden. Er hielt die Umfrage für fehlerhaft und befragte deshalb auf eigene Initiative 50000 Bürger, wobei er eine Methode benutzte, die später zum Standardmerkmal guter Wahlumfragen wurde: die reine Zufälligkeit.
Seine Umfrageteilnehmer suchte er willkürlich aus Wählerverzeichnissen heraus und stellte fest, dass seine Methode ein völlig anderes Bild darbot. So sagte er nicht nur einen glanzvollen Sieg Roosevelts voraus, sondern wagte sogar eine Prognose, wie die Vorhersage des Literary Digest ausfallen würde. Folglich kündigte er im Voraus an, dass die Vorhersage der Zeitschrift falsch sein würde – und er sollte recht behalten. George Gallup erkannte den Fehler darin, die Daten wohlhabender Bürger zu sammeln (eine Einsicht, die ihn selbst reich machte). Dass das Wort Gallup-Wahlumfrage zu einem festen Begriff werden würde, hat er womöglich nicht voraussehen können.
Der Literary Digest beging den Fehler, seine Informationen aus einseitigen Quellen zu beziehen. Heutzutage gehen die Experten sorgfältiger mit ihren statistischen Studien um, dennoch sind sie nicht gefeit vor irreführenden Schlussfolgerungen, also müssen wir auf der Hut sein, wenn wir Statistik betreiben. Kein Profi würde heute noch diesen speziellen Fehler machen – es sei denn, er verfolgte damit eine bestimmte Absicht. Nehmen wir beispielsweise an, Sie wollten einen überzeugenden Artikel verfassen, um Ihre Ansicht zu begründen, dass fast alle Amerikaner sich beim Autofahren gefährlich verhalten. Eine Möglichkeit, Daten zu sammeln, die Ihren Standpunkt untermauerten, wären Beobachtungen auf dem Parkplatz einer Fahrschule für defensives Fahrverhalten – aber geben Sie dabei unbedingt auf Ihren Standpunkt acht.
Persönliche Voreingenommenheit
Einseitige Umfragen in der politischen Arena können durchaus amüsant und bedeutsam sein, aber vielleicht sollten wir einen Augenblick innehalten und uns vergegenwärtigen, dass unsere persönlichen Eindrücke von der Welt zum großen Teil aus erheblich einseitigen Quellen stammen, nämlich von unseren Freunden, Nachbarn und aus den Medien.
Natürlich sind unsere Freunde ganz wunderbare Menschen, aber sie stellen nun einmal keinen Querschnitt der Menschheit dar. Unsere Freunde sind zum Teil auch deshalb so wunderbar, weil sie dazu neigen, mit unseren Ansichten übereinzustimmen. Natürlich gibt es hier und da Differenzen und Ausnahmen, aber im Großen und Ganzen fühlen wir uns eben zu Menschen hingezogen, die klug und einsichtig genug sind, mit uns in vielerlei Hinsicht gleicher Meinung zu sein. Wenn wir einige unserer Freunde und Nachbarn nach ihren Ansichten fragen und diese Ausgewogenheit der Meinungen mit der Ausgewogenheit der Fernsehnachrichten vergleichen, wundern wir uns nicht selten. Haben wir nicht alle schon einmal ein Interview im Fernsehen gesehen, das in uns den Eindruck hinterließ, noch nie einem solchen Dummkopf begegnet zu sein, der eine derart lächerliche Meinung hat? Und kurze Zeit später müssen wir dann erfahren, dass die Mehrheit die gleichen lächerlichen Ansichten hat.
Zeitungen, Fernsehen, Radio und andere Nachrichtenquellen sind allesamt auf dramatische Weise einseitig – aber nicht so, wie wir es zunächst annehmen würden. Natürlich gibt es politische, religiöse und kulturelle Voreingenommenheiten, die in Medienberichten auftauchen. Die ungeheuerlichste Einseitigkeit jedoch wird von allen Nachrichtenquellen auf die Spitze getrieben: die Jagd nach dem Ungewöhnlichen. Wenn wir die Nachrichten sehen, werden wir mit Berichten über die seltsamsten und seltensten Ereignisse des Tages konfrontiert. Nie begegnet uns folgende Zeitungsschlagzeile: Hellseher sagt Lottozahlen voraus, die nicht gezogen werden.
Die nächste offensichtliche Einseitigkeit in den Nachrichten betrifft die Bevorzugung des Bösen, was das Publikum natürlich sensationeller und aufregender findet. Lesen Sie den Hauptteil der Zeitung oder schauen Sie sich die Abendnachrichten im Fernsehen an und achten Sie dabei einmal auf das Verhältnis zwischen guten und schlechten Nachrichten. Sie werden feststellen: Sollten wir das Geschehen in der Welt anhand der Nachrichten beurteilen, so kämen wir zu dem Schluss, dass nahezu alle Ereignisse in unserer Umgebung schlimm sind. Die Auflagen der Zeitungen würde schrumpfen, wenn sie berichteten, dass die folgenden Leute gestern keinen Mord begingen, niemanden vergewaltigten, ihre Kinder nicht missbrauchten und ihre Investoren nicht betrogen. Der springende Punkt ist doch, dass wir lieber schlechte als gute Nachrichten hören wollen. Das heißt, schlechte Nachrichten verkaufen sich besser. Das Schlechte-Nachrichten-Syndrom bewirkt, dass wir häufig eine ziemlich unausgegorene Meinung über den Zustand der Welt haben.
Insbesondere neigen wir dazu, unsere Aufmerksamkeit schlechten Nachrichten zu schenken, die vermeintlich exotisch klingen oder außerhalb unserer Alltagserfahrungen angesiedelt sind. Um ein Beispiel zu nennen: Seit Jahrzehnten hören wir die Nachrichten über den Terror in Israel, der dort unglücklicherweise noch immer Realität ist. So starben 2002 in Israel 238 Menschen bei terroristischen Attentaten. Rücken wir diese Zahl jedoch ins rechte Licht, stellen wir fest, dass im selben Jahr die Gefahr, in den USA bei einem Verkehrsunfall zu sterben, dreimal so hoch war wie die Gefahr, in Israel einem Attentat zum Opfer zu fallen. Doch über Verkehrsunfälle im eigenen Land hören wir nicht allzu viel in den Nachrichten. Eine grob verzerrte Realitätswahrnehmung ist unvermeidlich, wenn die Nachrichten, die uns erreichen, vor allem und in erster Linie interessant sein sollen – und das sind nun einmal ungewöhnliche und schlechte Nachrichten. Für unseren Alltag ist eine akkurate Betrachtung der statistischen Realität äußerst hilfreich, damit wir die Risiken, denen wir täglich begegnen, richtig einschätzen können. Sie ergeben sich ganz von selbst aus unserem Revierverhalten. Und es liegt nicht in unserer Macht, ihnen auszuweichen. Warum? Weil wir selbst dann Risiken eingehen, wenn wir uns entschließen, nichts zu tun. Wir wissen ja zur Genüge, dass ein Dasein als Couch-Potatoe Herzerkrankungen mit sich bringen kann und nicht gut für unsere geistige Gesundheit ist. Wenn wir uns aber von der Couch erheben, setzen wir uns gewissen Risiken aus.
Nehmen wir beispielsweise an, unsere Autofahrkünste seien gut, aber unsere Einstellung zur Bedeutung und Einhaltung nervender Verkehrsregeln sei ausgesprochen entspannt. Die gelbe Verkehrsampel ist für uns dasselbe, was das rote Tuch für den Stier ist – wir geben Vollgas. Dieses einfältige Verhalten ist nicht besonders risikoreich. Vermutlich spießen wir damit nur einen einzigen von tausend nichts ahnenden Fahrern auf. Wenn wir uns jedoch ein mal täglich so verhalten, dann wird uns das bei einem von tausend Vorfälle mit der statistischen Wahrscheinlichkeit von ungefähr einem Mal innerhalb von drei Jahren passieren. Deshalb ist ein Fahrer, der regelmäßig ein scheinbar geringes Risiko eingeht, das m tausend Fällen nur ein einziges Mal zu einem Unfall führt, in Wirklichkeit ein Elefant im Porzellanladen.
Traumschule
Nichts ist wichtiger als die Ausbildung unserer Kinder. Eine gute Erziehung kann faule, videobesessene und um Geld bettelnde Jugendliche in genau die kultivierten, erfolgreichen und sozial kompetenten Kinder unserer Träume verwandeln. So fragen wir uns, welche Schule aus den Lehmklumpen unserer formbaren Kinder glänzende Skulpturen aus Gold schaffen kann?
Als liebevolle Eltern sind wir vor allem aber auch praktisch veranlagt, sodass wir natürlich nach einer Schule Ausschau halten, die unsere Wünsche erfüllen kann. Bildung, Kultiviertheit und menschliches Mitgefühl sind eine Sache, aber ein üppiges Bankkonto lässt sich leichter abschätzen. Warum reden wir um den heißen Brei herum? Uns geht es doch einfach nur ums schnöde Geld, und die Brosamen der Kultur sammeln wir dort auf, wo sie gerade hinfallen.
Für jede Schule im Land wollen wir nun den Nettowert ihrer Abschlussprüflinge berechnen. Wir stellen fest, dass die Absolventen der sogenannten besseren Schulen mit ausgezeichnetem Ruf höhere Gehälter einstreichen. Aber wenn wir uns die Statistik einer ganz speziellen Schule namens Lakeside anschauen, hören wir mit der Suche auf und beantragen sofort die Aufnahme unseres Kindes. Schließlich soll in den letzten Jahren das Durchschnittseinkommen für einen Lakeside-Schulabgänger mehr als zwei Millionen Dollar betragen haben! Das ist doch genau die richtige Schule für ein Kind, das den Wunsch hat, später einmal auch seine liebevollen Eltern zu unterstützen.
Doch unsere Stimmung sinkt beträchtlich, wenn wir uns mit der Mehrzahl der noch lebenden Absolventen unterhalten und nicht einen einzigen ausfindig machen, der auch nur annähernd ein Gehalt hat, das an zwei Millionen Dollar heranreicht. Und wenn wir den Fehler unserer Vorgehensweise erkennen, sind unsere Hoffnungen auf künftiges finanzielles Glück zunichte gemacht. Wir haben uns das durchschnittliche Einkommen der Absolventen angesehen und haben dabei nicht bemerkt, dass Bill Gates und Paul Allen auf die Lakeside-Schule gegangen sind. Deren Einkommen war in jenem Jahr so enorm hoch, dass, selbst wenn jeder andere Lakeside-Absolvent nur zehn Cent verdient hätte, er durchschnittlich immer noch auf ein Gehalt von mehr als zwei Millionen Dollar gekommen wäre. Das Durchschnittseinkommen spielt fast überhaupt keine Rolle mehr, wenn zwei Multimilliardäre auf der Liste stehen. Natürlich ist Lakeside eine wirklich ausgezeichnete Schule, deren Absolventen wesentlich erfolgreicher sind als der Durchschnitt. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von zwei Millionen Dollar ist jedoch irreführend.
Das Rauf und Runter des SAT noch einmal durchleben
Jedes Jahr versammeln sich Hunderttausende von Schülern der letzten beiden High-School-Klassen wie Schafe, die zur Schlachtbank geführt werden, um an dem Übergangsritus teilzunehmen, der als Eignungstest für das College bekannt ist und SAT genannt wird. Der SAT macht eine Bestandsaufnahme der ersten 17 Lebensjahre eines jungen Menschen und fasst den Wert als eine Zahl zwischen 400 und 1600 zusammen. An einem nervenaufreibenden Samstag-morgenwirbeln Schüler, die gern aufs College gehen möchten, bei verzweifelter Zurschaustellung von Konzentration, angestrengtem Nachdenken und willkürlichem Raten mit ihren Bleistiften (Härte 2) über die Fragebögen. Manche Teilnehmer haben Hunderte von sauer verdienten Dollar ihrer Eltern für SAT-Vokabelkurse ausgegeben, sodass sie bei mäßigem Abschneiden wenigstens aus- rufen können: Meine ingeniöse Flexibilität auf dem Terrain der optionalen Narrativität ist en passant evaporiert, statt zu sagen: Jetzt hab ich doch glatt vergessen, wie man sich herausredet.
Aber selbst der schwächste Schüler hat die leise Hoffnung, dass er mit etwas Glück durchkommt. Wenn Ouija-Bretter und Wünschelruten so prima funktionieren, warum sollte dann nicht auch ein dummer Bleistift ganz von selbst die richtige Lösung ankreuzen können? Selbst Schüler, die das Orificium eines Proktologen nicht von einer Apertur im Magma unterscheiden können, dürfen die schwache Hoffnung hegen, dass das Schicksal die Bleistiftspitze lenkt, wenn der Geist sich als Tabula rasa erweisen sollte. Wie würde wohl das Ergebnis aussehen, wenn jeder Schüler die Antworten nach Gutdünken ankreuzte ?
Nehmen wir an, dass jede Frage nach dem Multiple-Choice-Verfahren mit fünf möglichen Antworten formuliert wurde. Statistisch betrachtet, würde willkürliches Ankreuzen 20% der Fragen richtig beantworten. Natürlich haben die Designer von SAT dies berücksichtigt, sodass für falsche Antworten Strafpunkte gegeben werden. Aber wir wollen einfach nur die weniger anspruchsvolle Frage betrachten, wie hoch der Prozentsatz richtiger Antworten ist, den der ausschließlich ratende Testabsolvent erreichen kann.
Durchschnittlich würde ein aufs Geratewohl ankreuzender Testteilnehmer auf 20% richtige Antworten kommen, weil eine von fünf Antworten auf jede Frage richtig ist. Aber manche Rater würden durch Zufall mehr als 20% richtige Antworten ankreuzen, während andere weniger als 20% erreichten. Würden nun Tausende unbedarfter Schüler den SAT-Test absolvieren und sich dabei
auf die Strategie des willkürlichen Ankreuzens verlegen, würden wir die Häufigkeitsverteilung der korrekt beantworteten Fragen in Form einer Glockenkurve sehen, die ihren höchsten Punkt bei 20% erreicht (Abbildung 3.1). Einige Schüler erreichen vielleicht sogar 23 %. Andere wiederum landen bei 18 %. Es gibt eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit, dass jemand durch reines Glück 70% richtige Antworten ankreuzt. Tatsächlich besteht eine außerordentlich winzige Chance, dass jemand jede einzelne Frage richtig beantwortet. Diesen glücklichen Schüler sollten wir sofort losschicken und einen Lottoschein auf unseren Namen ausfüllen lassen.
Hier sehen wir als Ergebnis geratener Antworten in einem Test nach dem Multiple-Choice-Verfahren die Annäherung an eine Normalverteilung. Die Auswirkung vieler kleiner, das Endergebnis beeinflussender Zufallsfaktoren ergibt eine Datenmenge, die sich tun einen Wert herum konzentriert und sich dann zu den Seiten hin verjüngt. Wir können dieses Phänomen buchstäblich sehen, und zwar in einem Apparat, den man Quincunx nennt – übrigens eine ausgezeichnte SAT-Vokabel. Ein Quincunx besteht aus einem Gitter aus Holzstiften, die auf einem Brett befestigt sind (Abbildung 3.2). Jetzt wird ein Ball mittig von oben fallen gelassen, der auf dem Weg nach unten in einem Zufallsmuster von den Stiften abprallt.
Da der Ball nach jeder Berührung mit einem Stift genauso gut in die eine oder andere Richtung abprallen kann, wird ein Ball im Durchschnitt dort landen, wo er fallen gelassen wurde. Einige Bälle aber werden zufällig öfter auf der rechten als auf der linken Seite abprallen. Deshalb bleiben sie auch rechts von der Mitte liegen. Und genauso werden die häufiger links aufkommenden Bälle auch links von der Mitte zur Ruhe kommen.
Da es beim Fallen der Bälle eine gewisse Anzahl von Abprallern gibt, kommen sowohl für rechts als auch für links eine Menge Zufallsergebnisse zustande. Tatsächlich stellen wir bei einer großen Anzahl auf den Quincunx fallender Bälle fest, dass ihre Landepunkte eine befriedigend erkennbare glockenförmige Kurve ergibt, die wir nach der Logik der Situation erwarten würden. (Abbildung 3.3)
Ihre statistische Gedanken
ln unserem SAT-Szenario stellten wir Folgendes fest: Lassen wir den Ball (in Wirklichkeit ja viele tausend Bälle) fallen und antworten nach Gutdünken, dann beschreibt eine glockenförmige Normalkurve die Verteilung der Ergebnisse und bestätigt unsere Ahnungen. In mancher Hinsicht jedoch laufen die Daten unserer Intuition zuwider. Wir möchten diese unerwartete Abweichung mit der bescheidenen Centmünze (die mit Abraham Lincoln, auch Honest Abe genannt, hintendrauf) veranschaulichen. Mit Pennys kann man nicht viel kaufen. Wenn wir uns nicht entscheiden können, könnten wir auch ebenso gut einen Penny hervorkramen, ihn in die Luft werfen und das Schicksal auf den Plan treten lassen. Gewissermaßen möchten wir in statistischer Hinsicht erfahren, wie Lincoln über die Angelegenheit denkt. Diese Metapher bietet eine Möglichkeit an, die Waagschalen zu kippen.
Ausgeglichenes denken. Statt diesen Penny zu werfen, könnten wir uns auch eine geschicktere Methode ausdenken, das Gleichgewicht des Schicksals herzustellen. Wir wollen deshalb auf einem Tisch einen Penny auf seinen Rand stellen. Aber eigentlich sollten wir hundert Pennys nehmen und sie alle mit dem Rand auf die Tischplatte stellen und ausbalancieren. Diese Übung führt zu einer höchst unstabilen Situation. Wir könnten sie stabilisieren, indem wir mit der Faust auf den Tisch hauen und die Pennys fallen lassen, wie es ihnen beliebt. Manche Münzen werden mit dem Kopf, andere werden mit der Zahl nach oben fallen. Natürlich erwarten wir eine ungefähr gleiche Menge von Kopf und Zahl.
Überraschung. Wenn Sie dieses Experiment durchführen, werden Sie feststellen, dass signifikanterweise mehr als die Hälfte der Pennys mit dem Kopf nach oben fällt. Ausbalancierte Pennies neigen überraschenderweise nicht dazu, einigermaßen gleichmäßig auf
beide Seiten zu fallen. Ihre nicht ganz symmetrische Konstruktion verleiht ihnen die Tendenz, ein wenig häufiger auf die Kopfseite zu fallen.
Der Drehzyklus. Pennys ins Gleichgewicht zu bringen ist ein Stück harte Arbeit. Deshalb könnten wir vielleicht eine dynamischere Methode vorziehen, die es den Pennys gestattet, unserer Zukunft einen bestimmten Dreh mitzugeben. Tatsächlich könnten wir versuchen, buchstäblich einen Penny auf dem Tisch zum Drehen zu bringen. Der sich drehende Penny wird irgendwann ermüden, langsamer werden und schließlich schwindlig und erleichtert auf die Seite fallen. Wie zuvor wiederholen wir das Ganze hundertmal, um ein Gefühl für das statistische Element des Ergebnisses zu bekommen. Erneut erwarten wir, dass ungefähr die gleiche Menge Pennys auf die Kopf- und auf die Zahlseite fällt.
Überraschung. Dieses Mal neigt die Mehrzahl der Münzen dazu, mit der Zahl nach oben liegen zu bleiben. Das heißt, die asymmetrischen Eigenschaften von Pennys sind dafür verantwortlich, dass die gedrehten Münzen häufiger mit der Zahl als mit dem Kopf nach oben landen. Deshalb sind ausbalancierte und gedrehte Pennys gute Beispiele dafür, dass die von uns erwarteten Ergebnisse schließlich ganz anders aussehen werden.
Daher lautet das praktische Ergebnis dieser überraschenden Beispiele mit Pennys: Sofern wir nur unsere Karten richtig ausspielen, werden wir kaum noch die Restaurantrechnung beim Essen mit Freunden zahlen müssen. Wenn die Rechnung kommt und entschieden werden muss, wer bezahlen soll, sagen Sie einfach zu Ihrem Freund: Wir sollten den Ehrlichen Abe entscheiden lassen. Was willst du: Kopf oder Zahl? Wenn Ihr Freund Kopf sagt, antworten Sie: Weißt du, einen einzigen Penny zu werten, ist ziemlich langweilig, lass uns hundert Pennys drehen und dann sehen, auf welcher Seite sie landen. Wahrscheinlich wird die Mehrheit mit der Zahl nach oben liegen bleiben, sodass Sie gewonnen haben und das Essen nicht bezahlen müssen. Wählt Ihr Freund hingegen die Zahl, dann entgegnen Sie: Statt einen Penny zu werfen, was längst passe ist, sollten wir hundert Pennys auf dem Rand balancieren, mit der Faust auf den Tisch hauen und nachzählen, auf welcher Seite sie landen. Die Mehrheit wird wahrscheinlich mit dem Kopf nach oben liegen bleiben, das heißt, Sie haben gewonnen und müssen die Rechnung nicht bezahlen. Egal, wie Ihr Freund sich entscheidet, das Schicksal ist auf Ihrer Seite.
Vielleicht besteht hier die eigentliche Lektion darin, dass, obwohl unsere Intuition dazu neigt, den Ausgang von Ereignissen auf eine bestimmte Art und Weise zu betrachten, die Realität einen ganz anderen Plan hat. Wir müssen also die Daten des Lebens anerkennen, die Münzen so fallen lassen, wie sie es wollen, und offen für alles bleiben. Manchmal müssen wir nämlich unsere Intuition umerziehen, vor allem wenn es darum geht, Wahrscheinlichkeiten zu erraten.