Glück ist machbar, wie man einen Lottodirektor wird

Wer jahrelang an der politischen Front Kärrnerarbeit leistet, der muss irgendwann belohnt werden. Weil es dort gemütlich zugeht und jede Woche frische Geldnoten hereinkommen, sind die Lottogesellschaften beliebter Vor-ruhestandsposten für altgediente Parteikämpen. Manchmal wird auch ein missliebig gewordener Parteisoldat an die Spitze einer staatlichen Glücksspielgesellschaft fortgelobt. Und so scheint die Praxis in Deutschland die Theorie zu bestätigen. Weil die Geschäftsführerposten so attraktiv honoriert werden, neigt die Politik tatsächlich dazu, sie mit verdienten Parteifreunden oder Versorgungsfällen zu besetzen. Am 23. Juli 1987 fiel Roland Salchow, CDU-Mitglied in der Hamburger Bürgerschaft, durch eine sarkastische Kleine Anfrage auf:

1. Muss man, um Lotto- und Totochef zu werden, Mitglied der SPD sein?
2. Muss man, um Lotto- und Totochef zu werden, Geschäftsführer der SPD-Fraktion gewesen sein?
3. Sind Lotto- und Toto-Glücksspielverwaltung und die Arbeitsweise der SPD-Fraktionsführung so verwandt, dass dem Senat beide Funktionen als mühelos austauschbar erscheinen?
Der Senat antwortete in kargen Worten:
Zu 1. bis 3.: Nein.

Als kommende Lottochefin hatten die Elb-Sozis zu dieser Zeit die Bürgerschaftspräsidentin Elisabeth Kiausch aus-geguckt, bis wenige Monate zuvor noch Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. Als Gehalt geisterten vor mehr als zehn Jahren noch unglaublich bescheidene 100 000 € durch die Presse der Hansestadt. Doch dann machte Bürgermeister Klaus von Dohnanyi die Präsidentin zur Finanzsenatorin, und die SPD konnte daran arbeiten, statt einer verdienten Genossin ein Sorgenkind auf den attraktiven Posten abzuschieben. Die Sozialdemokratie der Hansestadt hatte in diesem Jahr 1987 ein Problem mit ihrem Polizeipräsidenten Dieter Heering.

Beim Hamburger Kessel, so meinte die Presse, hatten Heerings Untergebene zu hart durchgegriffen, in der Hafenstraße nicht energisch genug. Im Sicherheitstrakt seines Polizeipräsidiums hatte Werner Pinzner während eines Verhörs den Staatsanwalt Wolfgang Bistry, dessen Frau Jutta und dann sich selbst erschossen. Heering muss weg, forderte die Opposition. Doch wohin mit dem Ex-Polizeipräsidenten? Der meldete sich nach den nicht enden wollenden Angriffen wegen eines schweren Bandscheibenleidens erst einmal krank und genoss
monatelang 75 Prozent seines Gehalts (B 6, damals rund 10 000 €). Eine neue, adäquat bezahlte Stelle war in der Verwaltung nicht frei.

Nach fast einem Jahr gut gefederter Arbeitslosigkeit gab es dann doch die Lösung: Heering wurde zum Lottochef, obwohl eine Badewanne voller Bewerbungen Vorgelegen hatte. Sechs Richtige für Dieter Heering, spottete das Hamburger Abendblatt. Die Morgenpost sprach von einem Versorgungsposten und von Genossenfilz. Die Welt am Sonntag missbrauchte den Slogan der Nordwest Lotto und Toto Hamburg: Glück ist machbar. Die FDP hatte der Berufung zugestimmt, weil Heering künftig nicht mehr dem Steuerzahler zur Last fällt, sondern von der Lottozentrale bezahlt wird.

Als die Lotterie Carlot gescheitert war, meinte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Matthias Witt: Die Pleite zeige, dass Geschäftsführungsposten in öffentlichen Unter-nehmen nicht der personelle Abschiebebahnhof des Senats sein dürfen. Doch die Berufung von Parteimitgliedern auf den Chefsessel bei Toto-Lotto hat Tradition in Hamburg. Schon Heerings Vorgänger, Max Reimer, war zuvor Fraktionschef der SPD gewesen. Er konnte keine Zeugnisse oder Leistungsnachweise vorlegen – und das nach 30 Berufsjahren, soll damals ein Beiratsmitglied gestöhnt haben. Reimer bekam den Job – viele vermuteten, sein Parteibuch sei seine wichtigste Empfehlung gewesen.

Hamburg ist keine Ausnahme. Ein Bundesland weiter südlich, in Niedersachsen, hat 1991 Reinhard Scheibe den Posten des Lottochefs übernommen. Ausgeschrieben war die Stelle nicht. Scheibe war zuvor für nur wenige Monate Staatssekretär und Leiter der Staatskanzlei bei Gerhard Schröder gewesen. Als Hillu Schröder den damaligen Ministerpräsidenten aus dem Haus warf, nachdem der sein Verhältnis zu Doris Köpf gebeichtet hatte, fand Schröder bei
Scheibe einen ersten Unterschlupf. Das sind alte Kumpel aus Juso-Zeiten, schmunzelt der Oppositionspolitiker Jürgen Gansäuer (CDU). Für das politische Amt in der Staatskanzlei sei Scheibe nicht der geeignete Mann gewesen. Aber einem Freund gibt man nicht so ohne weiteres die Entlassungsurkunde. Und bei Lotto war gerade ein Platz frei. Fehl am Platz scheint Scheibe wenigstens nicht zu sein. Gansäuer bescheinigt Scheibe: Da geht es ruhiger zu, und da macht er jetzt gute Arbeit.

Der damalige niedersächsische Ministerpräsident und jetzige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte zwei Jahre zuvor noch von einer Geschmacklosigkeit ohnegleichen gesprochen, als sein Vorgänger als Ministerpräsident, Ernst Albrecht, dessen früheren Staatssekretär Dieter Haaßen- gier zum Lottodirektor machen wollte. Das sei das unverschämteste Postenschachern, was es in Niedersachsen je gegeben hat.

Auch die zweite Geschäftsführerstelle ging in Hannover an eine Beamtin: Christiane von Richthofen, die 1995 die Stelle von Heinz Dieter Wöstmann übernahm, war zuvor Regierungsdirektorin im niedersächsischen Innenministerium. Sie sitzt übrigens auch im Verwaltungsrat des Norddeutschen Rundfunks, was bei der Entscheidung über die neue Lotto-Show zugunsten der ARD nicht unbemerkt und unkommentiert blieb.

Während bei der Berufung Christiane von Richthofens, die der CDU zugerechnet wird, keine Kritik laut wurde, sorgte die Entscheidung für Scheibe für politische Auseinandersetzungen. Der FDP-Abgeordnete Kurt Rehkopf wollte in einer Kleinen Anfrage die Gründe für das vorzeitige Ausscheiden eines der damaligen Geschäftsführer, Hans-Ewald Zapfe, erfahren: Noch vor wenigen Monaten haben sich Aufsichtsrat und Ministerium voll und ganz hinter den bisherigen Geschäftsführer, Herrn Hans-Ewald Zapfe, gestellt. Nun soll offenbar auf persönliche Veranlassung des derzeitigen Ministerpräsidenten hin seine vorzeitige Ablösung durch den bisherigen Staatssekretär der Staatskanzlei, Herrn Reinhard Scheibe, erfolgen.

Der damalige Innenminister und jetzige Ministerpräsident Gerhard Glogowski sprach von einem Mißverständnis. Die Geschäftsführertätigkeit von Herbert Erben bei der Niedersächsischen Zahlenlotto GmbH, Niedersächsischen Fußball-Toto GmbH und Nordwestdeutschen Lotteriegesellschaft mbH sei zum 31. 12. 1990 vertragsgemäß ausgelaufen. Der zweite Geschäftsführer, Horst-Dieter Finke-Gröne, sei vorzeitig infolge Eigenkündigung ausgeschieden. Er sei seit Dezember 1990 freigestellt gewesen. Schon diese Einleitung entspricht nicht der Wahrheit. Finke-Gröne wurde abberufen, auf einen Vorschlag des Aufsichtsrats vom 17. Dezember 1990 hin. Zwei Jahre später noch beschäftigte sich die Gesellschafterversammlung mit Finke-Gröne. Um einen möglichen Prozeß zu vermeiden, sollte dem Verhandlungsführer Spielraum gegeben werden, gegebenenfalls der Zahlung einer geringen Vergütung zuzustimmen.

Nach einer friedlichen Trennung sieht das nicht aus. Heute arbeitet Finke-Gröne im Wirtschaftsministerium, er ist Ministerialrat und zuständig für Technologiepolitik. Glogowski führte weiter aus: Seither sei Zapfe alleiniger Geschäftsführer gewesen. Das solle er auch bis 30. Juni 1992 bleiben, bis sein Vertrag auslaufe. Zapfe, der bis dahin auch den Aufbau der Lotto-Toto GmbH Sachsen- Anhalt gegen ein zusätzliches monatliches Honorar von 1000 € beratend begleitete, solle die beiden neuen Geschäftsführer einarbeiten. Sie waren zum 1. August 1991 bestellt worden. Neben Staatssekretär Reinhard Scheibe war dies Ministerialdirigent Heinz Dieter Wöstmann, zuvor Leiter des Beteiligungsreferats (und als solcher auch Aufsichtsratsmitglied bei der Toto-Lotto Niedersachsen GmbH) und der Steuerabteilung des Finanzministeriums und in-zwischen bei der Spielbank. Die Höhe der Gehälter zu nennen verbiete sich unter Datenschutzaspekten.

Übrigens scheint sich auch in Niedersachsen die Ministerialbürokratie nicht nur für den Sprung auf den Chefstuhl bei Toto-Lotto zu eignen, sondern auch auf den der Spiel-bank. Neben Wöstmann herrscht dort heute Harald Weidenmüller, zuvor als Ministerialrat im Finanzministerium lange Jahre auch im Aufsichtsrat von Toto-Lotto. Für verdiente Verwaltungsbeamte ist solch ein Sprung nicht nur Auszeichnung, sondern immer auch mit einem finanziellen Aufstieg verbunden. Bei der Spielbank verdienten die beiden Geschäftsführer in der Saison 1996/97 zusammen 598 310,76 €. Dass ein Toto-Lotto-Chef mit weniger zufrieden sein sollte, ist wohl nicht anzunehmen.

Andere Bundesländer, gleiche Sitten: Als der saarländische Innenminister Friedei Läpple wegen Mängeln bei der Polizeireform unter Beschuss stand, wurde wochenlang offen über eine Abschiebung auf die Stelle des Saartoto-Geschäftsführers spekuliert. Und als Rainer Maedge Ende 1996 nach zehn Jahren das nordrhein-westfälische WestLotto verließ, galt er als Paradebeispiel dafür, wie die Parteien die 16 Länderlotteriegesellschaften als Versorgungsstelle für Politiker missbrauchen. Maedge habe sich als Landesgeschäftsführer der SPD und in der Landtagsfraktion verdient gemacht, schrieb Bild am Sonntag, zur Belohnung bekam er den Job im Glücksspielgeschäft. Dies sei nur eine Episode der unendlichen Geschichte von Filz und Vetternwirtschaft.

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