Entlastung für den Landeshaushalt – Lotto und Glücksspiele

In der Lotteriebroschüre freuen sich die beiden Ministerialräte im Justizministerium, Dieter Temming und Karl-Heinz Michalczik, über eine halbe Million Lottomark für das Projekt Jugendhilfeeinrichtung Frostenwalde. Das dürfen sie auch, denn mit dem Geld soll straffällig gewordenen Jugendlichen der Weg zurück in die Gesellschaft erleichtert werden. Doch warum freuen sich Ministerialbeamte? Weil wir dem Heim die Lottomittel von 500 000 € gewähren konnten. Wir haben diese Mittel als Entlastung für den Landeshaushalt dankbar entgegengenommen. Ein ehrliches Wort. Der Überschuss aus den Lotterieeinsätzen als Ersatz für Haushaltsmittel!

Auch Bildungsministerin Angelika Peter hatte sicher das beste im Sinn, als sie klammen ländlichen Gemeinden Zuschüsse für kleine Kindertagesstätten genehmigte oder verschiedenen Jugendämtern mehr als eine halbe Million € zur Schaffung von zusätzlichen Pflegestellen. Dass in Niedergörsdorf der Schulunterricht unter Einbeziehung von Aussiedlerkindern nur gesichert werden kann, wenn Lottomittel fließen, ist für dieses Land ein Armutszeugnis. Die regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen in Potsdam muss wie viele gleichartige Vereine jedes Jahr um einen neuen Lottozuschuss zur Bezahlung ihrer Mitarbeiter buhlen, um nicht schließen zu müssen. Wenn auch mehr als zweifelhaft ist, ob diese Maßnahmen aus dem Lottotopf finanziert werden sollen, so sind sie wenigstens gut gemeint. Dass die Ministerin sich aber nicht scheut, die Kosten für den Empfang der Teilnehmer der Olympia- und Paralympicsteilnehmer auf diese Weise aus ihrem Haushalt zu schieben, empört. 8873 Lottomark gingen für ein werbewirksames Pressefoto mit der Ministerin verloren.

Weil er eine Schaubäckerei auf dem Hof seines Bruders mit Fördermitteln aus seinem Ministerium unterstützt hatte und weil die Medien darüber mit langem Atem berichteten, trat der brandenburgische Landwirtschaftsminister Edwin Zimmermann (SPD) am 14. November 1997 zurück. In dieser Brötchenaffäre ging es um eine halbe Million €, die das Ministerium zurückfordern wollte. Natürlich hatte Zimmermann auch einen Fördertopf zur Verfügung, den die Lotterie speiste.

Dass der Ex-Landwirtschaftsminister nicht nur ein Herz für Bäcker, sondern auch eines für Bauern hat, zeichnete ihn aus als den richtigen Mann am richtigen Platz. Dennoch hätte er dem Antrag der Eigentümer der Schmachtenhagener Agra GmbH, Rechtsnachfolgerin der früheren LPG, nicht stattgeben dürfen, als sie um Unterstützung für den Kauf eines Ochsengrills baten. 50000 € machte der Minister locker, damit der Schmachtenhagener Bauernmarkt attraktiver wird. Der Ochsengrill, so erläutert die Angestellte Kaddatz, sei ein Experiment. Statt das Fleisch zu Dumpingpreisen an ein Schlachthaus zu liefern, veredeln wir das Produkt. Und erzielen höhere Einkünfte. Das Prinzip der Direktvermarktung könnte die deutschen Bauern retten, hofft Kaddatz. Schön, dass das Ministerium seinen Aufgaben nachkommt. In die Lottokasse hätten die großzügigen Spender dafür allerdings nicht greifen dürfen. Vielleicht ist das den Entscheidungsträgern sogar bewußt. Denn aus dem Zuwendungsbescheid geht die Herkunft der Mittel nicht hervor. Und so wussten die Schmachtenhagener Bauern gar nicht, dass sie ihr Glück den Lotterien verdanken.

Auch in Glindow, südwestlich von Berlin, wurde eine I PG aufgelöst. Für den Obstanbau drückte seit 1936 eine Pumpe das Wasser vom Glindower See hoch zur Glindower Platte. Die Pumpe erhielt auf der Weltausstellung 1936 sogar einen Preis. Aber die hohen Energiekosten führten dazu, dass kein Betreiber den Obstanbau fortsetzen wollte. So gründeten die Glindower einen Verein, den Brauchwasserverein Glindow, um blühende Landschaften zu erhallen, wie Bürgermeister Hermann Bobka schmunzelnd erklärt. Der Vorstand des Vereins bewirtschaftet selbst rundhundert Hektar Land, wie viele andere Kleingärtner, so Bobka. Das Geld für den Betrieb der Pumpe holten sie bei Minister Zimmermann, genauer: aus dessen Lottotopf. 425 000 € waren es 1995 zur betrieblichen Existenzsicherung.

Auch das landeseigene Haupt- und Landgestüt Neustadt/Dosse, das zum Mekka für den Pferdesport in Ostdeutschland werden soll, muss aus Steuermitteln gefördert werden. Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin gilt als strukturschwache Region, der Tourismus soll’s richten. Das Gestüt spielt in dieser Konzeption eine große Rolle. Vier Millionen € Steuergelder jährlich fließen ins Gestüt. Doch auch der Reit- und Fahrverein, der auf dem Gestüt sitzt (der Vereinsvorsitzende Günter Zahn arbeitet gleichzeitig auf dem Gestüt), braucht Geld, um das Fahrderby und den Bundes- länder-Mannschaftskampf im Springreiten austragen zu können. Zimmermann schoß zur Förderung der Vereinsarbeit Hunderttausende aus Lottomitteln zu: 1995 bekamen die Neustädter mehr als 150 000 €, 1996 sogar genau 212 006,79 € – bei weitem die höchste in diesem Jahr vom Landwirtschaftsministerium vergebene Summe. Nicht nur als Landwirtschaftsminister kümmerte sich Zimmermann um den Verein, sondern er ist auch Vorsitzender der Freunde und Förderer des Haupt- und Landgestüts Neustadt/Dosse e. V. und damit auch dem Reitverein verpflichtet. Wohl dem Verein, der Förderer mit solchen Zugriffs-möglichkeiten hat!

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