Zeitgeist-Gesellschaft in Lotto und Glücksspiele – levantinische Schlitzohrigkeit

Zu einer zentralen Figur in der Berliner Kulturlandschaft ist Christos M. Joachimides geworden. Unter der Trägerschaft des NBK organisierte er Anfang der achtziger Jahre die erste Zeitgeist-Ausstellung. Heute ist er Generalsekretär der Zeitgeist-Gesellschaft zur Förderung der Künste in Berlin e. V., die er 1985 gegründet hat. Sie zählt kaum 20 Mitglieder aus Kunst und Wirtschaft. Vor allem im Martin-Gropius- Bau veranstaltete der Verein eine Vielzahl von großen Ausstellungen in der Hauptstadt. Wegen seiner Verdienste um den Ausstellungsstandort Berlin verlieh Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen am 29. Mai 1996 Joachimides eine Ehrenprofessur.

Der Grieche, seit 30 Jahren in Berlin, war einer der ersten, der das heute gängige Profil eines Kulturmanagers lebte. Er wusste früh, dass auch Schaumschlagen zum Geschäft gehört, meint Leonie Baumann von der NGBK. Die Projekte, so heißt es unter den Kulturmachern der Stadt, hielten allerdings nie, was sie zuvor versprachen. Dafür blieben regelmäßig Deckungslücken, und es fiel dem Tagesspiegel auf, dass immer alles teurer wurde als geplant. Insbesondere die Ausstellung über Das 20. Jahrhundert fiel weitaus bescheidener aus, als es für die 16 Millionen € beantragten und inzwischen ordnungsgemäß abgerechneten Lottogelder angekündigt worden war. Im Antrag hatte es geheißen: Die Ausstellung würde in Berlin beginnen und anschließend in London und New York gezeigt werden. Durch das Prestige dieser hochangesehenen Institutionen wäre dies eine große Hilfe und Erleichterung bei der Beschaffung der herausragenden Leihgaben sowie ein weiterer Schritt, Berlin dauerhaft in den internationalen Ausstellungskreis einzufügen. Vorgesehen war die Ausstellung für 1995/96, schließlich musste sie auf 1997 verschoben werden. Die DKLB-Stiftung zahlte weiter. Doch dann stiegen die hochangesehenen Institutionen, die Royal Academy of Arts in London und das New Yorker Guggenheim Museum, aus: Das Guggenheim Museum fand die Ausstellung vom Standpunkt der historischen Relevanz gesehen banal. Schließlich beschränkte sich die Ausstellung auf Berlin und erhielt einen bescheideneren Rahmen: Die Epoche der Moderne – Kunst im 20. Jahrhundert.

Trotz aller Kritik flössen die Lottomittel immer reichlich, mehr als 20 Millionen € zwischen 1991 und 1996. Merkwürdig sei, fand Alice Ströver, dass die Zeitgeist-Gesellschaft alle Mittel für die zentralen Ausstellungen der Stadt bekommt. Monika Zimmermann, ehemalige Chefredakteurin des Tagesspiegels, hat eine Erklärung gefunden: Wie vielen Mächtigen sei auch Buwitt und Landowsky daran gelegen, sich mit Kunst zu schmücken. Als Kulturschaffenden vom Dienst hätten sie sich Joachimides auserkoren – und ihm stetig die nötigen Mittel zugeschustert. Immer wieder habe Joachimides Defizite erwirtschaftet, und ebenso sicher habe der Stiftungsrat immer wieder die fehlenden Mittel nachgeschossen. Das Kritische ist nicht eine Ausstellung, sondern die Systematik über einen ganz langen Zeitraum. Im Tagesspiegel berichtete Zimmermann sogar von Unregelmäßigkeiten bei den Abrechnungen. In levantinischer Schlitzohrigkeit sei es Christos Joachimides gelungen, dass ihm aus Lottomitteln oder dem Hauptstadtkulturfonds immer wieder Geld bewilligt wurde, oder er habe die Mittel mit neuen Projekten so geschickt verrechnet, dass die Misswirtschaft kaschiert werden konnte.

Wer viel hat, der wird viel bekommen. Nach diesem Motto, meint Sabine Weisler, Leiterin des Kulturamts Steglitz, würden in Berlin die Lottomittel vergeben. Zeitgeist habe eine starke Lobby in der Kulturverwaltung. Kieztheater habe so gut wie keine Chance. Joachimides habe eine Lücke gefüllt, Ausstellungsgrößenordnungen bewältigt, zu denen die Staatliche Kunsthalle oder die Berliner Galerie nicht in der Lage gewesen seien.

Die Mitglieder des Stiftungsrats nennt Weisler vollkommen inkompetent. Das sei auch der Grund, weshalb es keine Qualitätsprüfung gebe. Mit katastrophalen Folgen wie bei den Planungen und der Bereitstellung von Mitteln etwa für die Ausstellung über das 20. Jahrhundert: Eine Ausstellung für 16 Millionen, fordert Weisler zu Recht, muss schon weiter strahlen als bis zur Grenze der Stadt. Die Politiker im Stiftungsrat und ihre Parteien aber würden ihr Versagen aussitzen. Das sei jetzt ein rot-schwarzes Projekt, und keiner hat Interesse daran zu zeigen, dass man einen Fehler gemacht hat. Weil die Lottostiftung keine Qualitätskontrollen unternehme und dies auch nicht könne, schließt sich hier der Kreis.

Die Ansammlung von Honoratioren um Joachimides nennt Ströver Staffage. Klarer glaubt hier Zimmermann zu sehen: Die Mitglieder von Zeitgeist würden alle selbst jene Kunst sammeln, die Joachimides promoviert. Joachimides stelle Werke aus, die Mitglieder des Vereins gekauft hätten, was deren Marktwert steigere. Sie wundert sich, mit welchem Vertrauen die Lottostiftung über viele Jahre einem Verein begegnet, dessen Umgang mit Finanzen sich zumindest als problematisch erwiesen hat. Oder sollte, fragt Zimmermann, die Geldvergabe an die Zeitgeist-Gesellschaft doch eher als Beleg für den Wert von Beziehungen taugen? Es sei ja bekannt, dass Lottomittel in Berlin immer dann bereitwillig fließen, wenn das Beziehungsgeflecht stimmt.

Ingo Weber ist im Kultursenat verantwortlich auch für die Beurteilung von Lottomittelanträgen, auch und insbesondere der Zeitgeist-Gesellschaft. Wenn der Senat mit Zeitgeist zusammenarbeitet, dann läuft alles über Herrn Weber, bestätigt einer seiner Mitarbeiter. Ingo Weber war Gast bei zahlreichen Mitgliedsversammlungen. Zimmermann weiß: Weber und Joachimides sind dicke Freunde. So ist das wohl, wenn Menschen über Jahre Zusammenarbeiten – nicht nur in Berlin und nicht nur in der Kultur. Monika Zimmermann schrieb im Tagesspiegel: Insofern liegt der eigentliche Skandal darin, dass die Kontrollorgane, allen voran die Lotto-Stiftung, entweder versagten oder aber sich dem Verdacht aussetzen müssen, hier seien besondere Beziehungskisten großzügig mit Geldmitteln gepflegt worden. Die Zeitung forderte zu Recht: Auch Kunst bedarf der Kontrolle.

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