Wirtschaftsförderung I im Lotto – die Hotels in der Stadt voll machen

Rund 30 000 junge Berliner unter 25 Jahren sind arbeitslos. Nur 21 Prozent der Hauptstadtbetriebe bilden aus, davon sind 60 Prozent staatliche Einrichtungen. Deshalb kam die SPD um Fraktionschef Klaus Böger auf eine phantastische Idee: Warum nicht die Betriebe dafür bezahlen, dass sie ausbilden? Die Idee fand Zustimmung. Das Geld nahmen die Politiker aus der Lottokasse. Umsetzen sollte das Programm die Service Gesellschaft SPI, die ohnehin schon im Auftrag der Senatsverwaltung arbeitete und dem SPD-Sprengel zugerechnet wird. 30 Millionen € wurden für drei Jahre bereitgestellt, 1500 Jugendliche sollten ausgebildet werden. 20 Träger nutzten das staatliche Angebot und stellten bis Sommer 1998 rund 1300 Jugendliche zur Ausbildung in 52 Berufen ein. 500 € Lehrgeld erhält jeder Azubi, das erste Jahr übernimmt der Träger, etwa die Gesellschaft zur Förderung der Berufsfortbildung, die pro Jugendlichen 20 000 € bekommt. Im zweiten und dritten Jahr soll dann in Betrieben ausgebildet werden. Dadurch müssen die Betriebe das schwierige erste Jahr nicht mehr machen, und billiger wird’s auch, erläuterte SPI-Geschäftsführer Reimund Rilling. Die Betriebe werden damit ganz wesentlich entlastet von den nach ihrer Ansicht hohen Ausbildungskosten.

120 Den Betrieben einen Anreiz zur Ausbildung zu geben, das sei schon ein Ziel des Programms gewesen. Ein Ansinnen, das beim aktuellen Lehrstellenmangel prinzipiell nur gelobt werden kann. Allerdings hätte der Senat die Mittel dafür aus dem Haushalt bereitstellen müssen statt aus den Lottokassen. Den ausbildungsunwilligen Betrieben die Lehrstellen zu subventionieren kann und darf nicht Aufgabe der Lotterie sein. Wirtschaftsförderung aus Lotteriemitteln lässt das Gesetz nicht zu. Lotteriemittel für Arbeitsplätze einzusetzen hat inzwischen Schule gemacht. Rheinland-Pfalz gibt für fast ein Viertel aller Lottomittel als Zweckbestimmung Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für schwer vermittelbare Arbeitnehmer an – eine zweifelhafte Nutzung der Lotterie-mittel. Die staatlichen Lotterien bezahlen 16,66 Prozent Lotteriesteuer aus den Einsätzen. Von allen weiteren Unternehmensteuern, insbesondere auf den Gewinn der Gesellschaft, sind sie damit befreit. Voraussetzung dafür ist, dass die Lottomittel gemeinnützig verwendet werden. Alle Lotteriegesetze definieren, mehr oder weniger schwammig, was gemeinnützig ist. Wirtschaftsförderung wird in keinem der Gesetze angeführt. Auch die Abgabenordnung schließt Wirtschaftsförderung eindeutig aus.

Statt in die Ausbildung zu investieren, brachten alle wichtigen Firmen Berlins je 100 000 € in eine Firma ein, die als erste Aufgabe sieht: 1. Die Förderung, Unterstützung und Durchführung von Aktivitäten, die der Hauptstadt und dem Wirtschaftsstandort Berlin dienen. Weitere Aufgaben
der Partner für Berlin – Gesellschaft für Hauptstadtmarketing mbH sind laut Handelsregisterblatt: 2. Der Abschluss von Gesellschaftsverträgen zur Vermarktung des Berlin-Logos sowie anderer von der Partner für Berlin entwickelter und zu entwickelnder Zeichen und Muster und sonstiger derartiger immaterieller Wirtschaftsgüter. 3. Die Entwicklung und Durchführung von umfassenden Maßnahmen der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit nach innen und nach außen, um damit den Wert der unter 2. genannten Lizenzgegenstände für die Lizenznehmer zu erhöhen. 4. Die Organisation, die Entwicklung, der Erwerb, die Durchführung und die Vermarktung von Veranstaltungen im sportlichen, kulturellen, wissenschaftlichen und sozialen Bereich unter Darstellung der Lizenznehmer der Partner für Berlin GmbH.

Auch wenn Partner für Berlin sich rühmte, die lange Museumsnacht konzipiert zu haben, meint die Kulturmanagerin Leonie Baumann: Die hatten kulturell nie etwas im Sinn, wollten nur die Hotels in der Stadt voll machen. Die Gesellschaft sei eine in der kulturellen Szene eher belächelte Einrichtung.

Das dürfte zutreffen. Nach dem Scheitern der Olympiaambitionen 1993 wurde die Berlin 2000 Marketing Ges. m. b. H. zur Partner für Berlin umgeschmolzen. Diese Firma – Gesellschafter waren die Topadressen der deutschen Wirtschaft – hatte das Olympiafiasko mit einem Gewinn von einer Million € abgeschlossen, während die Steuerzahler mit 86 Millionen € zur Kasse gebeten wurden. Fast alle diese Firmen tauchten nun wieder als Gesellschafter bei der Partner für Berlin auf. Mathew D. Kose nannte sie eine Subventionsstätte für deutsche Konzerne. Was Partner für Berlin unternimmt, erfülle mindestens ebenso die Zwecke der an Partner für Berlin beteiligten Unternehmen wie die des Landes Berlin. Im Beirat sitzen neben dem Regierenden Bürgermeister und dem Wirtschaftssenator zahlreiche Unternehmensmanager und die Spitzen von Tourismusindustrie und Gastronomie. Das Stammkapital von inzwischen fast vier Millionen € kommt aus Einlagen zu je 100 000 €.

Partner für Berlin erhielt auch Lottomittel, als es darum ging, den UNO-Klimagipfel zu retten. Bundeskanzler Kohl sollte dort versprechen, binnen zehn Jahren den C02-Ausstoß Deutschlands um ein Viertel zu reduzieren. Während der Ex-Kanzler sein dort gegebenes Versprechen bald vergaß, hatte der damalige Umweltsenator Volker Hassemer schon im Vorfeld geschlafen: Er hatte offenbar nicht daran gedacht, Mittel für das Rahmenprogramm der UNO- Klimakonferenz beiseite zu legen. In aller Hektik suchte man deshalb nach Mitteln. Die Lottokasse lag da nahe. Da die Senatsverwaltung nicht selbst Anträge stellen darf, weil sie ja die Anträge kontrollieren muss, suchte sie einen anderen Antragsteller. Sie fand ihn in diesem Fall in Partner für Berlin. Ganz unbürokratisch half der Stiftungsrat mit 2,785 Millionen €, fast zwei Millionen allein für einen gewagten Drahtseilakt, der offenbar die Schwierigkeiten symbolisieren sollte, das Klima im Gleichgewicht zu halten. Das Geld war nun zwar da, die Aktion Klimazeichen dann doch eine Blamage. Der Motorradfahrer wäre fast vom Seil gestürzt. Ein Menetekel?

Doch nicht dies beherrschte die öffentliche Diskussion der folgenden Tage, sondern die Frage, warum die Aktion so teuer kam. Bei den Hochseilartisten handelte es sich um die Trabers, eine Gruppe aus Ostberlin. Doch die echten Trabers zu sein reklamierte Johann Traber aus dem Breisgau für sich. Er hätte die Veranstaltungen nach seinen Angaben für 200 000 € über die Bühne gebracht, wie kurz zuvor in Baden-Baden auch. Das habe er den zuständigen Herren im Senat mehrfach erklärt. Statt dessen hätten die sich über den Tisch ziehen lassen. Aber das war denen egal. Zu den 600 000 €, die von der beauftragten Agentur WachsCommunication AG allein für das Seil kalkuliert wurden, meint der echte Traber: Unter Brüdern, 14 000. Da sei Geld verschleudert worden, sagt Traber.

Geschäftsführer der Firma war Friedhelm Wachs. Früher war er Chefredakteur der tageszeitung gewesen, zusammen mit Birgit Georgia Tornow, die eine Zeitlang auch im Aufsichtsrat von WachsCommunication saß. Wachs nennt Trabers Rechnung blödsinnig. Niemand habe zuvor solch eine Strecke gemacht. Außerdem habe die Lottorevision alles überprüft.121 Ein Sprecher des Umweltsenats, wo an einer Stelle die Zuständigkeit sowohl für die Organisation des Events als auch für die Prüfung der Anträge auf Lotteriemittel lag, verteidigte seine Kollegen: Sie könnten zwar die Schlüssigkeit des Antrags einschätzen, nicht aber noch die Preise verschiedener Anbieter vergleichen.

Auch sonst scheint gelegentlich der Überblick zu fehlen: Fast drei Millionen € investierte der Stiftungsrat seit 1992 in eine Ruine: das ehemalige Straßenbahndepot in der Wiebestraße. Die BVG, das Berliner Nahverkehrsunternehmen, hatte das Gelände dem Bezirk geschenkt. Der gab es an die Atelier GmbH des Berufsverbandes bildender Künstler Berlin weiter. Die Gruppe um den Jungunternehmer Thomas Manfred Brinkmann (von der stadtbekannten Kultureinrichtung Tacheles in der Oranienburger Straße) wollte dort Wohnungen und Arbeitsstätten für Künstler einrichten. Als nahezu 2,5 Millionen € investiert waren, stellte die Baupolizei fest, dass das Gebäude einzustürzen drohte. Es hatte nie eine Statikprüfung gegeben. Die DKLB- Stiftung widerrief daraufhin ihre Bewilligung und forderte das Geld zurück. Doch die Atelier GmbH sieht den Bezirk Tiergarten in der Pflicht. Seit zwei Jahren streitet sie sich deshalb vor Gericht mit Horst Porath, Bezirksstadtrat und Abteilungsleiter Bau- und Wohnungswesen in Tiergarten. Die Stiftung schaut seit zwei Jahren zu. Die Atelier GmbH geht davon aus, dass es zu einer Einigung zwischen Bezirksamt und Lotto kommt. Ob der Bezirk zahlen oder Lotto das Geld abschreiben muss – die Kosten dieses Schildbürgerstreichs zahlen Otto Lotto und die Spieler entweder durch ihre Steuern oder durch ihre Lotterieeinsätze.

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