Turnierpoker spielen, der Finaltisch – No Limit Pokerstrategien

Obwohl der Sieg natürlich erstes Ziel jedes Turniers ist, der Erfolg, am letzten Tisch, am Finaltisch zu sitzen, wird im Poker bereits sehr hoch gehalten. Immerhin, jeder der Spieler hat sein Geschick unter Beweis gestellt und eine beachtliche Zahl von Gegnern bereits hinter sich gelassen. Nicht nur, dass es von nun an auch richtiges Geld zu gewinnen gibt, im Vergleich zu den eher symbolischen Preisgeldern für die unteren Plätze, auch ist der Turniersieg in greifbare Nähe gerückt.

Meist sind es zu diesem Zeitpunkt drei bis vier Spieler, die den Löwenanteil der Chips vor sich stapeln. Ein bis drei Spieler haben es gerade geschafft, den Finaltisch zu erreichen, sind mit Chips aber derart knapp, dass nur eine wundersame Konfrontation ihr Überleben am Tisch sichern könnte.

In den vorangegangenen Spielrunden wurde jeder Tisch immer wieder mit neuen Spielern aufgefüllt. Von nun an reduziert sich die Zahl mit jedem neuen Ausscheiden. Der Tisch wird short-handedl Sobald nur mehr fünf bis sechs Spieler verbleiben – die Höhe des Blindeinsatzes ist mittlerweile auch schon entsprechend hoch -, werden die meisten der Begegnungen zum Angriff gegen diesen Blindeinsatz bzw. zu dessen Verteidigung. Hier ist es so gut wie ausgeschlossen, dass sich Potquoten noch rechnen. Jetzt zählen hohe Kartenwerte (oder das Vorgeben solcher). Die Chance, das Blatt durch Kauf zu verbessern, wird lediglich als günstiger Zusatzfaktor bemessen.

Jetzt ist aggressives Spiel angebracht. Rascher und rascher kommt der nächste Blindeinsatz auf uns zu. Verhalten wir uns jetzt passiv, schmilzt unser Stack zusehends dahin. Spielen wir jedoch zu aggressiv, schlittern wir früher oder später unweigerlich in eine Konfrontation, für die unsere Karten nicht ausreichen.

Hier können wir keine klare Richtlinie erstellen, welche Karten spielbar sind. Q – 10 am Small Blind, also mit nur einem Gegner vor sich, kann durchaus für einen Angriff ausreichen. Kann! Schlägt Big Blind zurück, erhöht nochmals, wird jedes A, jeder K für sich alleine zum schmerzenden Vorteil für den Gegner.

Sind die Blindeinsätze im Vergleich zu unserem Stack noch relativ nieder, ich meine damit ein Verhältnis von zumindest 1:20, dann haben wir Zeit, um Vorsicht walten zu lassen. Dauert das Spiel länger, so reduziert sich dieses Verhältnis; ebenso, wenn unser eigener Stack kleiner ist als der unserer Gegner. Dann müssen wir Risiko in Kauf nehmen. Dann wird das All-in zur einzigen Waffe.

Hier sind wir, und nur hier am Finaltisch, oft in der Situation, dass wir absolut keine Zeit haben, auf bessere Karten zu warten. Zeigt die Situation Schwäche der Gegner an, scheint keiner am Pot sonderlich interessiert zu sein, dann kann es auch durchaus Vorkommen, dass wir mit 7 – 2 zum Bluff ausholen. Wenn wir nicht diesen aggressiven Schritt unternehmen, dann tut es unser Gegner!

Natürlich soll das nicht bedeuten, dass wir nicht, so lange wie möglich, auf gute Karten warten. Erlaubt unser Stack es, dann werden wir ihn auch für mehrere Einsätze in den folgenden Einsatzrunden aufteilen; Strategie anwenden. Zwei Punkte müssen Sie sich jetzt aber, wenn Sie es wirklich bis zum Finaltisch geschafft haben, vor Augen halten: Ihre Gegner sind keine Fische; auch sie haben ihr Geschick bereits unter Beweis gestellt; und niemand lässt sich gerne, so knapp vor dem Ziel, vom Tisch bluffen.

Natürlich können wir uns in diesem Text nicht der Vielzahl möglicher Konfrontationen widmen. Das folgende Beispiel ist ein typisches, das hilft, den Gedankengang in einer solchen Situation zu analysieren:

Fünf Spieler sitzen am Finaltisch. Der höchste Stack ist 180.000, der niedrigste 40.000. 6.000 ist der Blindeinsatz.

Der erste und zweite Spieler passen. Der dritte ist Chipleader und geht – ohne zu erhöhen – mit. Small Blind, ein Spielkapital von 95.000 Chips vor sich, hält J♠ – 10♠ in der Hand. Keine sonderlich guten Karten! Aber der Chipleader kann es sich leisten, auf einen guten Flop zu spekulieren. Sein dem Rest weit überlegener Stack räumt entsprechende Flexibilität ein. Hätte er aber ein wirklich starkes Blatt, hätte er vermutlich erhöht. Big Blind lässt sich durch eine Erhöhung, aller Wahrscheinlichkeit nach, verdrängen. Vielleicht auch der Chipleader, und wenn nicht, dann kommt es eben auf den Flop an.

Also, Small Blind unternimmt einen Versuch und erhöht auf 20.000. Wie erwartet, Big Blind passt.
Der Chipleader geht mit!
5♣ – 4♥ – 4♠

Es ist nicht anzunehmen, dass dieser Flop zu einer Verbesserung der Karten des Chipleaders führen konnte. Allerdings weiß auch der, dass es seinem Gegner nicht anders ergangen sein kann.

In vielen vergleichbaren Situationen ist es nun passiert, dass Small Blind versucht, den Opponenten durch ein All-in aus dem Pot zu drängen! Sobald dieser aber auch nur ein A in der Hand hält, vielleicht sogar nur einen K – und mit absolut schwachen Karten hätte er von Anfang an entweder gepasst oder einem Bluff auch entsprechend Kraft verliehen -, wird er mitgehen! Der Stack von 95.000 würde ihm den halben Turniersieg einbringen!

Vorläufig muss sich Small Blind damit abfinden, dass seine Spekulation nicht aufgegangen ist. Weder hat der Gegner gepasst, noch konnte der Flop helfen. Das einzig Richtige hier ist, zu checken!

Folgt ein Einsatz vom Chipleader, so wäre es höchst ratsam, um nicht zu sagen, unabwendbar, sich aus dem Spiel zu verabschieden.

Doch nehmen wir an, dieser checkt ebenfalls.

Nun folgt der Turn:
K♦

Die Chance, sich durch Kauf zu verbessern, ist für Small Blind auf ein dramatisches Minimum reduziert. Nun ist der Pot entweder endgültig verloren, oder er schlägt zu!

Die Frage, die sich für Small Blind stellt, ist die, ob der Chipleader einen K in der Hand hält oder nicht! Ein niedriges Paar oder eine 5 hätte durch den K am Tisch an Wert eingebüßt, ebenso ein A, sofern Small Blind einen gepaarten K in seiner Hand glaubhaft vorgeben kann.

Auch den Umstand berücksichtigend, dass der Chipleader zumindest eine hohe Karte im Bunker halten müsste, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen König handelt, natürlich geringer als für Ass oder eine Queen (zusammen gibt es davon acht, aber nur mehr drei Könige).
Würde Small Blind hier wieder checken, dann wäre dies für den Chipleader eine offene Einladung zum Einsatz! Er muss also die Entscheidung treffen!

Es könnte ihm natürlich nicht verbindlich geraten werden, den Schritt zu unternehmen. Nicht nur, dass die Gefahr eines K in der Hand des Gegners ernst zu nehmen wäre, auch ist es nicht auszuschließen, dass dieser die Sache durchschaut und mit A – Q oder A – 9 ebenso mitgehen könnte. Trotzdem, ein kräftiger Einsatz wäre nun durchaus möglich! Nicht unbedingt All-in, da dies letztendlich als Anzeichen zu verstehen sein könnte, dass er seinen Opponenten mit Gewalt verdängen möchte. Viele erfahrene Spieler würden hier zu einem Einsatz von 30.000 Chips raten. Nicht, dass die verbleibenden 40.000 Chips, im Verlustfalle, von so großer Bedeutung wären (der Turniersieg wäre dadurch in weite Ferne gerückt), sondern um den Gegner davon zu überzeugen, dass er ihn eigentlich im Pot haben will.

In jedem Fall, Konzentration und analytische Überlegung führen hier zum entscheidenden Vorteil. Das Spiel ist schon lange im Gange. Anzeichen von Müdigkeit und Überspannung stellen sich ein. Und so wie wir selbst versuchen, diese zu überwinden, so suchen wir natürlich in unseren Gegnern nach Anzeichen von Schwäche und Konzentrationsverlust.

„Jetzt oder nie!“? Spontan und ohne fundierte Analyse zu denken, danach zu handeln, kann den greifbaren Sieg schlagartig zunichte machen.

Es kann sein, dass wir, durch eine besonders rasche Entscheidung, unseren Gegner von etwas
Bestimmtem überzeugen wollen (etwa, dass wir über das gute Blatt verfügen!). In diesem Fall sollten wir unseren Plan schon zuvor langsam und ordentlich durchgedacht haben. Sind wir uns unserer Entscheidung nicht wirklich zu 100% sicher, dann liegt es nahe, sich Zeit zu nehmen! Alles noch einmal überdenken. Und wenn wir uns nicht sicher sind, ob es der richtige Zeitpunkt für den Angriff ist, dann sollten wir zuwarten. Das nächste Spiel bringt neue Karten, eine neue Situation, eine neue Chance!

Und einmal ist der Zeitpunkt gekommen und es sitzen nur mehr zwei Spieler am Tisch! Der größte Vorteil ist nun, den (entscheidend) höheren Stack vor sich zu haben. Gefolgt von besseren Nerven – und erst danach kommen die Karten ins Spiel.

Sind wir unserem Gegner spieltechnisch überlegen, wird er zum Pingpong-Ball! Das leiseste Anzeichen von Unsicherheit kommt einer Einladung zur Erhöhung gleich. Das gleiche Anzeichen von Unsicherheit kann aber auch jederzeit vorgespielt und somit eine verführerische Falle sein!
Beide Spieler nehmen ihren Rhythmus an. Durchschauen wir den des Gegners, wird er zur leichten Beute! Durchschaut er unseren …?

Hat sich einer der beiden vorwiegend durch glücklichen Fall der Karten in seine Position gespielt, dann folgt jetzt der Zeitpunkt der Wahrheit!

All das, was wir im Laufe unserer Erfahrung als Pokerspieler gelernt haben, entscheidet über den Ausgang. Das Gefühl für Wahrscheinlichkeiten, Heads-up-Konfrontationen, das Lesen von Körpersprache, das Zurückhalten eigener, unbewusster Hinweise – und eiserne Nerven!
Erwarten Sie nicht, in einem Ihrer ersten Turniere den Finaltisch zu erreichen! Erwarten Sie auch nicht, Ihren ersten Stuhl an diesem letzten Tisch auch sofort zum Turniersieg nützen zu können. Die Zahl der Gegner ist groß, und naturgemäß sind es immer die Besten, die diese letzte Entscheidung unter sich ausmachen.

Doch einmal wird es gelingen! Hundert, zweihundert und mehr Gegner haben Sie hinter sich gelassen. Einer nach dem anderen wird auch vom letzten Tisch gefegt. Ein Einziger sitzt Ihnen gegenüber. Mit 7 – 7 haben Sie erhöht; A – 7 – 3 liegt im Flop! Mit A – 3 in der Hand ist sich Ihr Gegner seines Sieges sicher, bemüht sich, einen Bluff vorzutäuschen – und setzt All-in.

Viele All-ins, gewonnene All-ins, haben uns in diese Position gebracht. Immer waren sie spannungsgeladen. Doch jetzt, gegen einen einzigen Gegner, der allerletzte, nicht nur am Tisch, im ganzen Turnier, wird dieses kurze Wort zum vibrierenden Ereignis!

Sich des Sieges beinahe sicher, folgen letzte Augenblicke der Spannung. Eine 3 fällt am Turn! Ein A am River kann allem ein Ende setzen! 42 Karten sind noch im Spiel. 2 davon sind Asse! Klein ist die Gefahr – doch sie schwebt über dem Tisch! Ihr Puls rast! Ihr Blick ist starr! Sekundenbruchteile werden zu Ewigkeiten! Der Dealer nimmt die Karte vom Paket, mit dem Bild nach unten liegt sie bereits in der Mitte des Tisches; jeden Augenblick wird er sie aufdecken. „Nur kein Ass! Bitte, allerliebster Dealer! Nur kein Ass!“

Und es ist kein Ass! Bloß ein Zehner, ein wertloser Zehner! Und Sie atmen ein, tief atmen Sie ein; schließen kurz ihre Augen, werfen dann einen letzten Blick auf die Karten, die wie funkelnde Edelsteine in der Mitte des Tisches glänzen. Sie sehen einen riesigen Haufen von Chips. Chips, die jetzt alle Ihnen gehören! Alle! Sie haben es geschafft! Sie haben gewonnen!

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