Spielgemeinschaften im Internet, wer braucht kein Geld

Sie spielen Woche für Woche Lotto und zahlen auch noch dafür? Wenn Sie diese Frage mit JA beantworten, klicken Sie bitte hier! Ein unbetiteltes Dokument lockt die Surfer weiter hinein ins Netz. Wissen Sie, dass in Deutschland wöchentlich ca. 20 Millionen Menschen Lotto spielen und dafür, je nach Höhe des Jackpots, zwischen 150 und 200 Millionen € ausgeben?, fragt die nächste Plattform. Eine Ebene weiter lockt das Lotto Team Online: Partizipieren Sie auch an diesem Millionengeschäft! Auf Provisionsbasis – mit eigener Web-Site – dadurch 24 Std. erreichbar! Wieder ein Klick. Nun erklärt die Firma, wie man teilhaben kann am Lottogeschäft. Ihre Aufgabe: die Vermittlung neuer Mitspieler für eine Systemspielgemeinschaft an die Firma Lotto Team in Düsseldorf. Das Produkt: Anteile des Lottovollsystems Super-Gigant 11,6 aus 49 mit Spiel 77 & Super 6. Als Verdienst versprechen die Düsseldorfer: Sie verdienen permanent eine Provision gemäß dem Marketingplan (25-31,2%). Wem es gelingt, vier Spielpartner zu gewinnen, der spielt umsonst Lotto, weil er seine Provision einsetzen kann. Wer Interesse hat, kann gleich online ein E-Mail-Formular ausfüllen: Entscheiden Sie sich, bevor es andere tun!

Wenige Tage später liegt ein Vertrag auf dem Tisch. Und weitere Erklärungen des Bezirksleiters M. Riedel. 20 Millionen Menschen, schreibt er, spielten jede Woche Lotto. Unser Bestreben ist es, weitere 10 Millionen Menschen direkt anzusprechen, damit im Lotto wöchentlich eben 30 Millionen Woche für Woche spielen. Und so haben wir mit Lotto Team den Direktvertrieb eröffnet und bezahlen sehr gut für fleißige Leute wie die, die z. B. eine Agentur aufmachen und dieses Geschäft hauptberuflich vertreiben. Folgendes müsse man wissen: Wer in Deutschland eine Lotto-Bude betrete, der müsse zunächst bezahlen und zwar zuerst den Lottoschein. Und dann die Sendung im ARD-Fernsehen, oder glauben Sie im Ernst, das Fernsehen wurde diese Ziehung der Lottozahlen umsonst ausstrahlen? Riedel nennt die Summe von etwa pro Woche über 600000 €. Das ist natürlich nicht wahr, ebensowenig wie die folgenden Zahlen zutreffen: Auch die Lottoannahmestellen erhalten 7% und die Sammelstellen halt 14% sehen Sie, und auf diese Weise werden 55% der Einnahmen für den Vertrieb verbraucht, einschließlich der vielen Gehälter von diesen Lotto-Machern im Deutschen Lottoblock selbst. Ausgehend von diesem Popanz kommt Riedel nun zur Sache: Und von diesen 55% aller Einnahmen, die nur für den Vertrieb ausgegeben werden, zahlt Lotto Team an seine Vertriebspartner bis zu 32,5% aus, für die von Ihnen getätigten Abschlüsse.

Wie das gehen soll, wird dann im folgenden erklärt: 100 € ist der Einsatz. Man brauche nur vier Spieler zu werben, die je 25 € einzahlen, und schon spiele man umsonst! Wenn Sie nun das gleiche den von Ihnen geworbenen Leuten erzählen, dann machen die das doch gerne mich, denn wer braucht kein Geld. Dem ist natürlich zustimmen. Von jedem direkt Geworbenen erhält deren Werber 25 €, der Werber dieses Werbers drei €. Wenn also jede dieser Agenturen 1000 Leute werbe, die für je 25 € spielen, dann bekomme man 3000 € monatlich, ohne jegliche Arbeit. Und so weiter. Riedel erklärt, er habe bereits 14 Agenturen, und nach seinem Rechenbeispiel verdiente er dann 42 000 € im Monat Wichtig sei, dass jeder Vertriebspartner mindestens 20 eigene Lottospieler oder Vertriebspartner werben sollte, damit er mit voller Vergütung arbeiten kann, denn bei 20 eigenen werden Sie vom Vertriebsbeauftragten zum Bezirksbeauftragten hochgestuft und erhalten dann statt 25 % eben 28% und dann immer weiter nach oben bis 32,5%.

Merkwürdig an diesen Unterlagen ist: Zwar darf man auf dem Antragsformular seine Kontoverbindung angeben – wegen der Überweisung der künftigen Tantiemen, wie man zunächst annimmt. Offenbar aber werden diese nicht mit dem eigenen Einsatz verrechnet, denn gleichzeitig soll auch die Kreditkartennummer angegeben oder eine Unterschrift zum Lastschrifteinzug geleistet werden. Man soll ja auch selbst spielen. Wir verlangen keine Gebühren für Lizenzen oder Franchising, nur in das Lottospiel muss man schon einsteigen, um Vertriebspartner zu werden, schreibt Riedel. Als Mitarbeiter der Firma Lotto Team erwartet die Firma natürlich, dass Sie das angebotene Produkt auch selbst nutzen. Erstens ersieht die Firma hier Ihre Produktidentifikation und zweitens, sind wir ehrlich, wem möchten wir ein lukratives Lottospiel anbieten, wenn wir selbst nicht spielen. Ihr Interessent braucht Sie nur zu fragen, ob Sie auch spielen. Was würden Sie sagen? Würden Sie lügen? Sehen Sie, es macht nur Sinn, wenn jeder Mitarbeiter auch selbst spielt.

1,25 € kostet jeder Anteil pro Wochenausspielung, und damit erscheint es so, als koste eine Reihe so viel wie in der Annahmestelle. Im Kleingedruckten aber ist zu lesen, wofür die 1,25 € stehen: Neben dem Anteil für Spiel 77 und Super 6 sind darin enthalten die Spielscheingebühr von sechs Pfennig und – entscheidend – eine Servicegebühr von € 0,45. In Klammern ist erklärt: Es handelt sich hierbei um das Entgelt für das Lotto Team.

Wer keine Einzugsermächtigung schickt, sondern per Anweisung oder Scheck bezahlt, muss eine Selbstzahlergebühr von 15 Pfennig pro Buchung und Anteil entrichten, bei 25 € Einsatz für 20 Anteile also drei €. Natürlich gibt es auch noch umfangreiches Schulungsmaterial zu er
werben. Die CD kostet 85 €. Zunächst aber will die Firma Vertrauen schaffen und schickt deshalb erst einmal zwei verschiedene Kassetten, eine für Hausfrauen und eine für Profis.

Wer auf das Angebot eingeht, beteiligt sich keinesfalls an einem Unternehmen, sondern an einer geschickt getarnten Tippgemeinschaft, die nach dem Prinzip des Schneeballsystems aufgebaut ist. Wer dabei gewinnt, ist das Lotto Team. Denn die Mitspieler und die vielen fleißigen Ameisen, die in ihren Sportvereinen und Stammkneipen die Arbeit leisten, bezahlen ihre Provisionen selbst. Von ihrem Umsatz dienen bei Lotto Team rund 40 Prozent der Verwaltung, deutlich mehr als bei Abgabe der Lottoscheine bei einer Annahmestelle.

Otto Lotto hat nachgerechnet: Wenn er vier seiner Kumpel überredet, für je 25 € mitzuspielen, dann kann er 100 € an das Lotto Team vermitteln, und er spielt umsonst. Aber von den 100 € seiner Freunde hat die Gesellschaft viermal neun € (20 Anteile ä 45 Pfennige) abgezogen, also 36 €. Außerdem zwanzigmal sechs Pfennig Spielscheingebühr von jedem der vier, also viermal 1,20 €, macht noch einmal 4,80 €. Zu Recht warnt deshalb die Toto-Lotto-Gesellschaft in Stuttgart, ebenfalls im Internet: Ein Teil wird im Lotto und ggfs. auch im Spiel 77 und Super 6 eingesetzt. Der Rest sind Gebühren (30% des Einsatzes sind keine Seltenheit), die die Betreiber der Spielgemeinschaft einstreichen. Gewinne zahlten manche Spielgemeinschaften nur auf Anforderung aus oder lediglich dann, wenn die Gewinnsumme ein Mehrfaches des Spieleinsatzes betrage. Wenn nicht ausbezahlt wird, wird der Gewinnbetrag dem Spielerkonto gutgeschrieben und wieder eingesetzt.

Gerd Eich von der Sport Toto Staatliches Zahlenlotto Rheinland-Pfalz rechnet vor, dass 1848 Lottoreihen beim von Lotto Team angebotenen System Super-Gigant 11 bei einem Einsatz von 1,25 € pro Reihe insgesamt 2310 € kosten. Außerdem kommt je viermal der Einsatz für Super 6 und Spiel 77 hinzu, 18 €. Insgesamt beträgt der Einsatz also 2328 €. Die maximal 208 Teilnehmer, wie bei Lotto Team behauptet wird, bezahlen aber, wenn sie je 25 € einsetzen, 5200 € ein. Macht einen Überschuss von 2872 €, mehr als 50 Prozent.

Auch andere kommerzielle Spielgemeinschaften sind keine Wohltäter. Faber, so hat Eich errechnet, liegt bei über 40 Prozent Bearbeitungsgebühren. Otto Lotto geht deshalb weiterhin selbst zur Annahmestelle, auch wenn das Mitspielen bei einer Tippgemeinschaft bequem ist. Er findet, dass diese Bequemlichkeit teuer erkauft ist. Und sein Annahmestellenleiter würde ihn auch nicht mehr grüßen. Außerdem müsste er im Falle eines Sechsers mit vielen anderen teilen. Da bleibt von einem Millionengewinn für den einzelnen nicht viel übrig.

Niedersachsens Lottozentrale warnt deshalb, ebenfalls im Internet: Verschiedentlich bieten sogenannte Vermittler die Beteiligung an den von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks veranstalteten Lotterien auch über Internet an. Eine direkte oder indirekte Verbindung dieser Vermittler zu den Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks besteht aber nicht. Eine Teilnahme über diese Vermittler erfolgt also auf eigene Gefahr.

Deutlicher wird die Hessische Lotteriegesellschaft: Es sei nicht sicher, ob die gewerblichen Lotto-Anbieter auch tatsächlich die Tippscheine abgeben, weil dies niemand kontrollieren kann. Darüber hinaus gebe es ernsthafte Befürchtungen, dass sich bei der wachsenden Zahl von gewerblichen Tippgemeinschaften auch die Mafia daran beteiligen könnte, um auf diesem Wege ihre Gelder zu waschen.

vorherige Der deutsche Lottokrieg, das Ringen um die Millionen
nächste Brandenburg, acht Millionen gewonnen vom Lotto