Spielertypen im Poker und wie man damit umgehen kann – Strategien für fortgeschrittene

Wer die hohe Kunst der Pokerpsychologie beherrschen will, sollte wissen, welche verschiedenen Pokerspielertypen es gibt – und natürlich, wie man am besten gegen sie gewinnt.

Pokerspieler klassifizieren ihre Gegenspieler üblicherweise als „tight“ oder Joose“, „passiv“ oder „aggressiv“. Was hat es damit auf sich? Das Begriffspaar tight/loose (eng/locker) beschreibt nichts anderes als die Anzahl der Hände, die ein Spieler spielt.

Tight bedeutet, dass der Spieler in der Regel nur mit einer wirklich guten Hand antritt. Sonst streicht er schnell die Segel und gibt seine Karten ab, spielt also insgesamt nur wenige Hände. Wer hingegen loose spielt, spielt sehr viele Hände mit, und zwar nicht nur gute, sondern auch mittelmäßige und oft genug recht magere Hände, selbst wenn die Chancen so gut wie Null stehen.

Tight is right, sagt eine alte Poker-Erfahrung, und die ist nicht verkehrt. Es ist keine Schande, sondern eher ein Zeichen von Cleverness, mit einem klaren Fold früh auszusteigen. Warum soll man auch Geld investieren, wenn die Chancen schon von vorneherein nicht besonders aussichtsreich sind? Jeder Chip, den du nicht an einen Mitspieler verloren hast, ist ein guter Chip. Ein Spieler, der häufig gleich zu Beginn aussteigt, riskiert damit allenfalls seinen Blindeinsatz. Gerade für unerfahrene Spieler bietet ein Fold die Möglichkeit, in Ruhe zu beobachten, wie sich die anderen Spieler verhalten, um daraus zu lernen.

Das Begriffspaar aggressiv/passiv beschreibt, wie sich ein Spieler beim Wetten verhält. Ein aggressiver Spieler handelt. Er wettet oder erhöht deutlich häufiger als der Durchschnitt, spielt offensiver und greift häufiger an. Der passive Spieler hingegen neigt mehr dazu, lediglich auf die Aktionen seiner Mitspieler zu reagieren – er geht mit oder steigt aus.

Setzt man die beiden gegensätzlichen Verhaltensformen tight/loose und aggressiv/passiv in eine Tabelle ein, so ergeben sich daraus vier verschiedene Grundmuster:

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Natürlich hat kein Spieler ein Etikett auf der Stirn, das ihn dem einen oder anderen Quadranten zuweist. Und ebenso natürlich verhalten sich Spieler nicht immer und ausnahmslos so, wie es der Typencharakterisierung entspricht. Doch in ihrem Quadranten bewegen sie sich in ihrer Komfortzone, weil es ihrem Wesen und Charakter am ehesten entspricht – und werden sich dort somit am liebsten so oft und lange wie möglich aufhalten.

Es gibt nur einen Weg, herauszufinden, welcher Spieler wo einzuordnen ist: beobachten, beobachten und noch einmal beobachten! Besonders nach einem Fold hat man dazu Ruhe und Gelegenheit. Wie verhält sich ein Spieler typischerweise, wenn er in vorderer, mittlerer oder hinterer Position sitzt? Wie verhält er sich typischerweise in der ersten, zweiten, dritten und vierten Wettrunde? Und schließlich die interessanteste aller Fragen: Was hat er tatsächlich auf der Hand, wenn es zum Showdown kommt?

Der harte Draufgänger
(tight-aggressiv)
Der tight-aggressive Spieler ist der harte Draufgänger unter den Pokerspielern – der Stone- Killer, was man recht grob, aber nicht ganz unzutreffend mit „Knochenbrecher“ übersetzen kann. Er spielt meist nufgute Starthände, geht dann aber gerne in die Vollen. Wer gegen ihn antritt, muss damit rechnen, dass er sogleich mit einem kräftigen Re- Raise antwortet.

Dieser Spieler legt sich gerne das Image zu, nur wirklich gute Hände zu spielen, mit denen er dann auch meistens gewinnt. Das erleichtert es ihm, gelegentlich frech zu bluffen, weil man es nicht erwartet. Er arbeitet nach einem simplen, aber durchaus konsequentem
Entscheidungsmuster: Entweder er hat vor dem Flop eine überzeugende Starthand – dann bleibt er im Spiel. Sonst steigt er aus. Nach dem Flop das gleiche Muster: Entweder der Flop trifft ihn und er spielt mit einer guten Hand weiter. Oder er gibt sein Blatt ab.

Was ist gut an dieser Spielweise?
Unerfahrene Spieler machen damit am wenigsten Fehler. Denn wer darauf verzichtet, eine mittelstarke oder gar eine schwache Hand zu spielen, verringert damit natürlich auch sein Risiko, viel zu verlieren. Sie wird daher allgemein als diejenige Spielweise angesehen, die den sichersten Erfolg verspricht. Mit einer starken Hand kann man die Wetten in die Höhe treiben und hat gute Chancen auf hohen Gewinn.

Wo liegen die Gefahren und Probleme dieser Spielweise?
Wer stur auf dieser Linie bleibt und sich an die Regeln hält wie an ein Rezept, ist leicht durchschaubar. Wer eine längere Durststrecke durchläuft und nacheinander einfach nur schwache Starthände bekommt, nimmt an dem Spiel so gut wie gar nicht teil und wird zudem auch noch durch jeden Blind gerupft. Weil der Spieler aggressiv handelt, läuft er immer wieder Gefahr, von einem noch stärkeren Blatt geschlagen zu werden, das er unterschätzt hatte.

Wie geht man gegen diesen Spieler vor?
Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Meist hilft nur, ebenfalls tight zu spielen, und zwar vorsichtig und bedächtig. Bloß nicht mit mittelmäßigen Händen antreten! Sondern warten und lauern, bis man selbst mit einem starken Blatt aufwarten kann. Günstig ist es, wenn dieser Spielertyp dann vor dir an der Reihe ist. Er geht einem Bluff leicht auf den Leim, schlägt aber oft und gerne mit einem Re-Raise zurück. Weil dieser Gegner aggressiv spielt, kann man ihn häufig mit seinen eigenen Waffen schlagen. Man reizt ihn, treibt die Wetten in die Höhe, mästet den Pot und räumt dann schließlich ab.

Der vorsichtige Nüchterne
(tight-passiv)
Der vorsichtig-nüchterne Spieler wird auch „The Rock“ genannt, weil er unbeirrbar wie ein Fels in der Brandung steht. Er wettet nur, wenn er ein wirklich solides Blatt hat, und dann auch nur wie der sprichwörtliche gediegene hanseatische Kaufmann: Er geht nämlich möglichst kein Risiko ein und bleibt fast immer auf der sicheren Seite. Es liegt ihm nicht sonderlich, zu bluffen. Er spielt lieber als ehrliche Haut. Typisches Verhalten: Er spielt kaum 20 Pro-zent der Hände und checkt oder geht einfach nur mit, statt dass er angreift und die Wette in die Höhe treibt. Weil er eben nur wirklich gute Hände spielt und diese zudem noch eher konservativ bewertet, hält er zwar seine Verluste immer in engen, überschaubaren Grenzen. Er kann aber andererseits auch wenn er gewinnt, nur wenig Ertrag aus dem Spiel herausschlagen.

Was ist gut an dieser Spielweise?
Wenig Risiko. Höchstens kleine, immer verkraftbare Verluste. Stetige, aber eben nur magere Gewinne, weil grundsätzlich nur starke Hände gespielt werden. Ganz gezielt tight-passiv zu spielen ist oft dann eine gute Strategie, wenn man zuvor kräftig verloren hat. In dieser Lage reagieren nämlich viele Spieler falsch. Sie sind nervös und aufgeregt und spielen zu viele Hände, um den Verlust möglichst schnell wieder auszugleichen.

Wo liegen die Gefahren und Probleme dieser Spielweise?
Der tight-passive Spieler reagiert, statt zu versuchen, den Spielverlauf tatkräftig zu beeinflussen. Gerade bei Texas Hold’em ist das in der Regel wenig erfolgreich. Die Gewinne sind meist nur Peanuts, und so kommt man mit dieser Spielweise kaum auf einen grünen Zweig.

Wie geht man gegen diesen Spieler vor?
Nur mit einer starken Hand antreten, weil er sicher auch nur starke Hände spielt. Mit einer schwachen Hand kann man ihn jedoch gelegentlich frech bluffen. Er spielt ja tight-passiv, geht also wahrscheinlich nicht mit, wenn er ein starkes Blatt befürchten muss. Erhöhen wird er wohl auch nicht, denn er spielt ja nicht aggressiv.

Der unberechenbare Zocker
(loose-aggressiv)
Der unberechenbare Zocker ist der „Maniac“ unter den Pokerspielern, weil er unberechenbar und wild spielt. Er kümmert sich wenig um seine Position im Spiel und noch weniger darum, was er auf die Hand bekommt. Die Starthand muss hier schon wirklich übel aussehen, bevor er die Karten abgibt. Man erkennt ihn daran, dass er in der Regel deutlich mehr als 30 Prozent aller Hände spielt, hoch wettet und mehrmals erhöht. Er blufft oft und frech und steht beim Showdown häufig mit einem erbarmungswürdigen Blatt da.

Was ist gut an dieser Spielweise?
Weil die Gegenspieler ihn als Maniac einschätzen, unter-stellen sie auch gerne, dass er nur blufft, seine Möglichkeiten mal wieder weit überreizt und viel gutes Geld auf ein schlechtes Blatt gesetzt hat. Wenn er dann aber doch ein starkes Blatt hat, kann er auf einen Schlag viel Geld mitnehmen, weil der Pot durch das aggressive Wettverhalten gut gefüllt ist. Sein irrationales Verhalten verunsichert die Gegenspieler: Man weiß einfach nie, woran man beim Maniac ist. Darin liegt aber auch eine Chance für eher konservative Spieler. Gelegentlich in die Rolle des unberechenbaren Zockers zu schlüpfen bringt die Mitspieler aus dem Konzept. Und das ist gut so.

Wo liegen die Gefahren und Probleme dieser Spielweise?
Wenn es ihm nicht gelingt, die Gegenspieler zum Aufgeben zu bringen, ist der Maniac stets in Gefahr, an einem stärkeren Blatt zu scheitern. Dieses Risiko ist umso größer, je mehr Spieler im Feld sind. Insgesamt wird das Spiel unruhig, weil auf einen Schlag große Mengen an Chips den Besitzer wechseln können und sich dadurch ständig die Kräfteverhältnisse verschieben. Für unerfahrene Spieler ist diese Spielweise viel zu riskant und deshalb nicht zu empfehlen.

Wie geht man gegen diesen Spieler vor?
Wie gesagt: Der Maniac ist unberechenbar. Wenn möglich sollte er nach dir an der Reihe sein, weil er dich sonst mit Raise und Re-Raise bedrängen kann. Sitzt er jedoch rechts von dir, so hilft es oft, die nachfolgenden Spieler durch eine kräftige Erhöhung aus dem Spiel zu drängen, damit du es nur mit dem Maniac zu tun hast. Mit einer starken Hand kann man ihm gut beikommen, indem man ihm die Erhöhungen überlässt und stets nur mitgeht. Oft lohnt es sich, beharrlich und nervenstark mitzugehen und es auf den Showdown ankommen zu lassen, weil sich dann meist zeigt, dass er alles auf eine schwache Hand gesetzt hatte.

Der ängstliche Unerfahrene (loose-passiv)
Der ängstlich-unerfahrene Spieler ist die reinste „Calling Station“ für seine Mitspieler: Bei ihm kann man – zur großen Freude seiner Gegner – das Geld abholen, als habe man eine Abrufgenehmigung für sein Konto. Er spielt weit über 30 Prozent aller Hände, geht aber im Spielverlauf meist nur mit, ohne allerdings zu erhöhen.

Was ist gut an dieser Spielweise?
Vieles. Aber leider nur für die Gegenspieler, die ihn als „gefundenes Fressen“ betrachten. Für den Spieler selbst leider gar nichts. Es ist nichts anderes als eine sehr zuverlässige Form, Geld zu verlieren.

Wo liegen die Gefahren und Probleme dieser Spielweise?
Wenn das Blatt handfeste Gewinnaussichten hat, traut sich dieser Spieler nicht, ordentlich zu wetten. Statt jedoch mit einem lausigen Blatt auszusteigen, geht er laufend mit.

Wie nimmt man diesen Spieler aus?
Einen solchen Spieler anzutreffen ist ein unverdienter Glücksfall. Es gehört sich aber nicht, übertriebene Freude oder gar Herablassung zu zeigen.

Tight spielen. Bei einem schlechten Blatt: nicht bluffen, sondern Fold erklären. Mit einem guten Blatt: Lass ihn mitgehen. Schritt für Schritt. Er kommt schon, denn er spielt loose-passiv …

Soweit die reine Lehre. Aber Spieler tragen leider keinen Kennzeichnungsstempel auf der Stirn. Sie versuchen im Gegenteil, ihren wahren Spielstil möglichst lange und sorgfältig zu verbergen oder verhalten sich untypisch, um Unsicherheit und Verwirrung bei ihren Mitspielern zu stiften. Zudem erfordert es oft genug auch die Spielsituation, sich anders zu verhalten, als es dem eigentlichen Grundstil entspricht. Und schließlich gibt es von jedem Element unterschiedlich starke Ausprägungen. Beobachte deshalb deine Gegner. Im Laufe der Zeit erkennst du dann von jedem den Grundstil, zu dem er auf Dauer immer wieder zurückkehren wird, weil er seiner Persönlichkeit entspricht.

Mit dem folgenden Test kannst du vergleichsweise einfach feststellen, welchem der vier genannten Spielertypen du am ehesten entsprichst – ehrliche Antworten vorausgesetzt. Die Auflösung findest du auf unserem Poker-Portal

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