Spielen, wenn die Chips knapp geworden sind – Pokerstrategien für fortgeschrittene

Dieser Abschnitt bezieht sich auf Turniere oder Sit-and-go- Spiele, denn wenn Sie Cash-Games spielen, ist jeder Chip heilig, und Sie sollten Ihre Restchips niemals Hals über Kopf riskieren, um Verluste wieder reinzuholen. Als Stra-tegie für Turniere und Sit-and-go-Spiele empfehle ich bei allem Streben nach den Rängen, auf denen Ihnen ein Gewinn ausgezahlt wird, auch eine gesunde Portion Selbster-haltungstrieb.

Irgendwann kommt einmal der Zeitpunkt, wo Ihnen die Chips knapp werden und Sie auf einem der letzten Plätze liegen. Da die Blinds in regelmäßigen Abständen raufgehen, können Sie es sich nicht leisten, sich zurückzulehnen und auf irgendwelche Monsterhände zu warten, mit denen Sie ein paar Chips gewinnen können. Die kommen nämlich zu selten, und vielleicht kommen sie auch gar nicht. Statt- dessen sollten Sie jetzt selektiv aggressiv vorgehen – und zwar, bevor Ihr Vorrat so dezimiert ist, dass Ihre Erhöhung oder Ihr All-In keinen der anderen Spieler mehr beeindrucken kann.

Ihr Ziel heißt immer noch Überleben, aber Sie brauchen jetzt wirklich schnell Chips. Mit anderen Worten: Sie müssen jetzt superaggressiv werden, öfter erhöhen, um die Blinds zu stehlen, und sich genügend Selbstvertrauen bewahren, um All-In zu gehen, wenn es eine realistische Chance gibt, dass Sie verdoppeln können, falls jemand mitgeht.

Da die Monsterstarthand eher selten vorkommt, dürfen Sie in dieser Situation nicht mehr so wählerisch sein und müssen auch die eine oder andere Hand spielen, die Sie sonst nicht gespielt hätten. Jetzt sollten Sie sich auch beimittleren oder sogar niedrigen Paaren überlegen, All-In zu gehen, oder bei guten verbundenen Karten der gleichen Farbe, wie 10, J oder J, Q. Okay, wenn jemand ein höheres Paar hat, wird er mitgehen, und Sie werden am Ende höchstwahrscheinlich den Kürzeren ziehen, aber jeder mit zwei Over-Cards hat maximal eine Chance von 40 Prozent, die fehlende Karte für seine Hand noch zu bekommen. Wenn Sie z.B. mit 8, 8 All-In gehen, hoffen Sie, dass jemand, der z.B. A, K auf der Hand hat, mitgehen wird. Meistens gewinnen doch Sie in so einem Fall und verdoppeln, und dann können Sie sich zurücklehnen und wieder normal weiterspielen. Manchmal werden Sie damit freilich auch verlieren und aus dem Turnier fliegen, aber ärgern Sie sich nicht zu sehr, es war dennoch die richtige Entscheidung und in 60 Prozent der Fälle wird es klappen.

Manchmal gehen Spieler mit großem Chipvorrat mit Ihren 8, 8 mit, obwohl sie selbst nichts Tolles auf der Hand haben, denn sie können es sich leisten und nehmen wahrscheinlich an, dass Sie vor lauter Verzweiflung ohne eine anständige Hand erhöht haben. Im Idealfall hätte Ihr Herausforderer so etwas wie A, 7 oder schlechter, sodass ihm nur ein Ass den Sieg sichern könnte.

Wenn Ihre Chips knapp sind und Sie im Blind sitzen, dann sollten Sie in Erwägung ziehen mitzugehen, wenn die Erhöhung nicht zu massiv war. Sie hoffen, dass die Karten, die Sie noch brauchen, auf jeden Fall noch im Stapel sind, Sie haben also mindestens eine Chance von 40 Prozent, ein Paar zu bekommen. Wenn das geschieht, seien Sie mutig und gehen Sie nach dem Flop richtig ran, denn Sie haben ja (buchstäblich!) nichts mehr zu verlieren.

Was heißt denn überhaupt knapp an Chips? Ich persönlich finde die Situation ungemütlich, wenn mein Vorrat sich auf weniger als das Zehnfache des Big Blind beläuft. Warum? Nach einer Standarderhöhung, also dem Vierfachen des Big Blind, habe ich nach dem Flop schon wesentlich weniger Handlungsspielraum – wenn ich aufgebe, habe ich fast die Hälfte meiner gesamten Chips eingebüßt, andererseits wird es auch niemand sonderlich nervös machen, wenn ich nach dem Flop All-In gehe, denn wahrscheinlich erreiche ich damit nicht mal die Größe des Pots.

In diesem Fall, wenn Sie eine ordentliche Hand haben und erhöhen wollen, sollten Sie erwägen, gleich All-In zu gehen, statt erst zu erhöhen. Üben Sie Druck auf die anderen Spieler aus, indem Sie einen Betrag wetten, der auch im Vergleich zu ihrem Chipvorrat immer noch ansehnlich ist. Indem Sie so vorgehen, können Sie viele Blinds und kleinere Pots einstreichen, sodass Ihr Vorrat wieder soweit anwachsen kann, dass Sie sieh besser fühlen. In der Zwischenzeit sind wahrscheinlich auch ein, zwei Spieler raus-geflogen, und Sie sind wieder ein Stückchen näher an die Ränge gekommen, an die später ein Gewinn ausgezahlt wird.

PokerStars-Tipps
Joe Nachem, WSOP-Champion 2005, PokerStars-Team:
Wenn Sie mehr als das Zehnfache des Big Blind haben, stehen Sie gut da. Damit können Sie sich immer noch die Standarderhöhung leisten. Wenn Sie weniger als das Zehnfache des Big Blind haben, wird jemand mit Ihnen mitgehen, und dann müssen Sie All-In gehen. Da Sie verdoppeln müssen, können Sie All-In gehen mit z. B. J, 10su, was Sie unter normalen Umständen nicht tun sollten.

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