Sex, Lügen und Poker spielen haben schon viel Gemeinsames

Viele meiner Freunde sagen, ihr Sexualleben hänge ganz davon ab, wie sie beim Poker abschnitten. Ihre armen Ehefrauen oder Freundinnen bleiben bis zwei Uhr nachts auf, sehen fern, geistern durchs Haus und warten ab, ob sie gewonnen haben. Wenn ja, ist alles in Butter, und das eigentliche Spiel kann beginnen. Dann dauert die Nacht noch ein bisschen länger. Na und wenn nicht, freuen sie sich eben über eine anständige Mütze Schlaf. Einer dieser Freunde findet, das Pokerzimmer sei so sexgeladen wie kein zweiter Ort auf der Welt. Hm, darüber muss ich kurz nachdenken. Zehn Menschen drängen sich um einen Tisch. Ihre Ellbogen berühren sich fast. Seit Stunden hat sich niemand vom Fleck gerührt. Die Luft ist abgestanden und stickig, und trotzdem wird geraucht. Menschen husten, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten.

Ein oder zwei haben sich seit Tagen nicht gewaschen. Die Hände sind vom Umgang mit den schmuddeligen Chips und Karten mit einem dünnen schwarzen Film überzogen. Ein Mann isst einen Fajito, und die scharfe Sauce tropft auf den grünen Filz. Nein, Sex ist das Letzte, was mir dabei in den Sinn kommt. Aber ich gebe zu, dass, trotz dieses gelinde gesagt unschönen, ja bisweilen sogar gesundheitsschädlichen Benehmens, Sex und das Geschlecht eine immens große Rolle beim Pokern spielen. Am deutlichsten wird das bei den so genannten gemischten Paaren. Damit meine ich Liebesbeziehungen, in denen einer normal und der andere ein verrückter Spieler ist. Poker beeinflusst das Leben dieser Paare enorm, das ist nicht zu leugnen. In meinem Fall hat das Spiel jedenfalls alle Beziehungen bis auf eine zerstört.

Ich könnte jetzt über die Probleme moderner Partnerschaften lamentieren und mich als den ewig Missverstandenen darstellen. Aber der Ehrlichkeit halber muss ich zugeben, dass es sich ziemlich negativ auf eine Beziehung auswirkt, wenn man um vier Uhr morgens nach Hause kommt, nach Schnaps und Zigaretten stinkt und ein paar Tausender weniger in der Brieftasche hat. Dazu kommt, dass ich die Leute, mit denen ich verkehre, immer mehr für ein echtes Problem halte. Viele Pokerspieler, die ich kenne, sind nämlich richtig geile Böcke, um eine meiner Ex-Freundinnen zu zitieren. Manchmal gehe ich mit einem Spieler aus dem Club ganz harmlos etwas essen, um ein bisschen über den Aktienmarkt oder unseren einzigartigen Blick auf das Leben zu plaudern. Aber dann fangen wir unweigerlich an, Karten zu spielen, und ein paar Stunden später landen wir in einem Strip-Lokal oder im Massagesalon.

Das, plus die Tatsache, dass ich mit Anfang zwanzig ein komplexbeladenes seelisches Wrack war, bescherte mir eine Reihe grotesk gescheiterter Beziehungen. Dass ich mich mit meinen Beziehungsproblemen oft Rat suchend an meine Clubkameraden wandte, verschlimmerte das Ganze noch. Weisheiten wie Frauen sind die Harken des Lebens, oder Wenn sie dich nicht versteht, stehen die Chancen drei zu eins, dass sie lesbisch ist, sind mir unvergesslich geblieben. Mein Freund Max, fünfunddreißig und dreifach geschieden, sagte einmal: Warum sollen immer wir uns ändern? Warum ändern die Frauen sich zur Abwechslung nicht mal selbst? Recht hat er. Wenn ich all die wunderbaren Frauen davon abbringen könnte, zu Hause geduldig auf mich zu warten und sich um meinen Hund zu kümmern, während ich unsere gemeinsame Zukunft verspiele, wäre ich schon einen großen Schritt weiter.

Meine Beziehungen verlaufen fast immer nach demselben vorhersagbaren Muster. Zuerst kommt die Phase der großen Verliebtheit, in der meine Freundin alles, was mit Poker zu tun hat, aufregend und romantisch findet. Man kann uns Kartenspielern viele schlimme Dinge vorwerfen, aber Normalos sind wir keine. Wir haben keine festen Arbeitszeiten, keinen Chef und können frei über unser Leben verfügen. Für das ungeschulte Auge leben wir wie die Made im Speck. Selbst der Kartenclub und
seine gangsterähnlichen Mitglieder üben auf den ersten Blick einen sonderbaren Reiz aus. Ich brauchte Jahre, bis ich dahinter kam, was dieses anfängliche Glück ausmacht. Ich sage es nur sehr ungern, aber zum Großteil ist es das Geld. Zwar war keine der Frauen, mit denen ich zusammen war, hinter meiner Kohle her (da hätten sie sich auch den Falschen ausgesucht), aber Pokerspieler haben nun mal ein sehr ungewöhnliches Verhältnis zum Geld. Wir gehen einfach sorgloser damit um als die meisten Menschen.

Auf einen Außenstehenden, der mit diesem fremden Lebensstil konfrontiert wird, wirkt das Desinteresse, das ein Pokerspieler in puncto Sparguthaben und Eigenheimfinanzierung an den Tag legt, mitunter sexy und spontan. Natürlich ist das alles reine Illusion. Die meisten Spieler, die ich kenne, sind fast immer pleite. Das Problem ist, dass wir die Einzigen sind, die das wissen. Der Rest der Welt hält uns für Rockefeller. Wer läuft schon mir viertausend in bar herum? Wir, weil wir es müssen. Wir brauchet) das Geld entweder zum Spielen oder weil uns die Vorstellung, ein eigenes Konto zu haben, so fremd ist, dass wir wie Stu Unger jeden Penny mit uns herumtragen. Ein normaler Mensch hat nur dann so große Summen dabei, wenn er sich ein Wassermotorrad kaufen möchte.

Pokerspieler sind wie Geldleitungen. Ich komme pro Jahr vielleicht mit einer Million Dollar in Berührung, weil ich ständig Geld gewinne und wieder verliere. Auf der hohen Kante landet nichts davon. Dieser flüchtige Umgang mit Geld bleibt nicht ohne Wirkung; er führt zu Verschwendungssucht. Ich bin es gewöhnt, mich von meinem Geld zu trennen. Es ist mir schon so oft passiert, dass ich einen 1000-Dollar-Pot verliere, weil die River- Card irgendeinem Blödmann seine einzige Gewinnkarte beschert, dass ich deswegen nicht einmal mehr mit der Wimper zucke. Klar, so ein Extratausender ist eine feine Sache. Aber was soll’s, ich verliere ihn mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit im nächsten Spiel sowieso wieder.

Diese Einstellung macht mich zum willigen Opfer für jeden Verkäufer. Wenn ich mir ein Auto leihe, verlange ich grundsätzlich das billigste Modell. Aber irgendwie spürt der Angestellte am Telefon, mit welcher Sorte Mensch er es zu tun hat und weist mich darauf hin, dass das Cabriolet nur dreißig Dollar mehr am Tag kostet. Dreißig Dollar? Jetzt komm schon, du Kanaille, was sind schon dreißig Dollar am Tag? Beim Poker ist das ein Kleckerbetrag. Schwupps ist das Cabrio gemietet. Ich kann nichts dafür, aber irgendwie erwecke ich den Eindruck, als hätte ich zu viel Geld. Dabei trennt mich meistens nur ein verkorkster Abend von einem langen Aufenthalt auf der Pokerintensivstation. Unser Lebensstil verliert schnell seinen Glanz. Das ist der Haken.

Die Gauner der Pokerszene, die auf den ersten Blick so charismatisch wirkten, sind auf einmal ganz gewöhnliche Kleinkriminelle. Die nette Bekanntschaft mit einem gewissen Tips Tripoli wird schnell langweilig, wenn Sie feststellen, dass Sie nach jeder Begegnung erst nach Ihrer Brieftasche fassen müssen, weil er diesen Spitz-namen seinem Beruf als Taschendieb verdankt. Dasselbe gilt für die vielen Prasser, die sich in den Clubs herumtreiben. Aus der Ferne wirkt ihr Leben beneidenswert, aber sobald man sie eine Woche kennt, sieht man nur noch den verrückten Spieler. In der Regel braucht eine Frau drei Monate, bis sie all das durchschaut hat. Die Faszination schwindet, die Liebe stirbt und sie geht. Manche sind sogar gerannt.

Meine gescheiterten Beziehungen, die vielen Erklärungsversuche (Lügen) und die (auf Knien vorgetragenen) Entschuldigungen brachten mich zu einer universellen Erkenntnis. Wollen Sie wissen, welche? Also gut: Männer und Frauen sind grundverschieden. Jetzt ist es raus. Ich meine nicht die anatomischen Unterschiede, die wir aus dem Sexualkundeunterricht kennen, sondern die Unterschiede, die die Einstellung und Aufgeschlossenheit gegenüber Poker und anderen Glücksspielen betreffen. Ende der 1980er las ich das Pokerbuch eines gewissen David Spanier, der darin phrasendrescherisch seine sexistische Weltanschauung zum Besten gibt. Spanier schreibt: Macbismo spielt beim Poker eine wichtige Rolle. Er ist charakteristisch für das Spiel. Beide Geschlechter spielen Bridge. Bei den Glücksspielen sind es Blackjack, Roulette und Baccarat, ohne dass Frauen sich dabei groß hervortun.

Das Würfeln, beim dem es laut und hektisch zugeht, wird mehr von Männern gespielt. Aber Poker ist eine “absolute Männerdomäne. Frauen sind zwar nicht ausdrücklich vom Spiel ausgeschlossen, aber Eigenschaften wie Draufgängertum, Aggressivität und der Mut zu bluffen, die erfolgreiches Pokern ausmachen und dem Spiel seit jeher Farbe verleihen, sind allein männlicher Natur. So beschränkt das auch klingen mag, war ich doch jahrelang ein überzeugter Anhänger von Spaniers frauenfeindlichen Thesen. Ich posaunte sie lautstark in die Welt hinaus, ohne mich daran zu stören, dass sie schon lange vor meiner Geburt als reaktionär galten. Dann lernte ich Yana Andropova kennen, eine wunderschöne 26-jährige Russin. Diese einschneidende Begegnung brachte meine Weltanschauung gehörig ins Wanken. Yana bewirkte bei mir gewissermaßen dasselbe wie Glasnost in der ehemaligen Sowjetunion.

Yana kam aus Magadan, einem kleinen Ort auf der Halbinsel Kamtschatka. Vier Jahre, bevor wir uns begegneten, war sie von zu Hause abgehauen, um den ständigen sexuellen Annäherungsversuchen ihres Stiefvaters zu entkommen. Sie versteckte sich als blinder Passagier auf einem schwedischen Frachter und fuhr nach Tokio. Dort lernte sie einen Partymacher namens Takashi kennen und fing in seinem Nachtclub an. Nach knapp einem Monat kündigte sie abrupt, weil sie glaubte, er habe ihr Rohypnol in den Drink geschüttet und sie anschließend sexuell belästigt. Sie flog mit der Nippon Air nach New York. Ich gebe Yanas Geschichte so ausführlich wieder, weil sie mir so gut im Gedächtnis geblieben ist. Es heißt, das Geheimnis eines guten Betrugs verstecke sich im Detail.

Als Yana 1995 nach New York kam, fing sie in einem der russischen Pokerclubs in Queens als Kellnerin an. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das Kellnern kein Honigschlecken ist; es ist ätzend. Aber die Kartenspieler in einem Club zu bedienen, ist keine schwere Arbeit für eine Frau. Im Gegenteil, wenn sie darüber hinwegsehen kann, dass ihr ab und zu ein alter Sack an den Hintern grapscht, ist es einer der lockersten Jobs, die es gibt. Die Speisekarte besteht aus höchstens vier Gerichten, und es gibt keine komplizierten Getränkebestellungen. Sie muss nur lächeln und ab und zu ein bisschen kichern oder vergnügt mit den Augen zwinkern. Jeden Abend gewinnt irgendein einsamer alter Mann zigtausend Dollar und wartet nur darauf, den großen Hecht zu markieren. Eine freundliche Kellnerin verdient zirka fünfhundert Dollar am Abend.

Yana war prädestiniert für den Job. Schon an ihrem ersten Arbeitstag versuchte sie pausenlos, irgendjemandem Geld aus der Tasche zu ziehen. Wir lernten uns kennen, als ich eines Abends auf meine Partie Hold’em wartete. Sie erzählte mir sofort von A bis Z ihre Lebensgeschichte. Ich weiß noch, dass ich sehr berührt war. Zwei Tage später zog sie mich beiseite und erzählte mir, dass sie von mir geträumt habe. Es sei ein verwickelter Traum voller Symbole und deutlichen sexuellen Anspielungen gewesen. Zwei Tage später wachte sie in meinem Bett auf. Unsere Beziehung dauerte sehr kurz – drei Tage und zwei Nächte. Heute wundert es mich, dass sie überhaupt so lange dauerte. Als ich am dritten Morgen aufwachte, war Yana verschwunden und mit ihr meine Rolex, der einzig wertvolle Gegenstand, den ich besaß. Sie hatte auf meinem Nachttisch gelegen. Natürlich hatte Yana sie genommen, daran bestand kein Zweifel.

Ich überlegte, wo sie wohl hinwollte. Nach L. A., Vegas oder zurück nach Russland? Jedenfalls war ich mir ziemlich sicher, dass ich sie nie wieder sehen würde. Schließlich beklaut man niemanden, der in denselben Kreisen verkehrt, es sei denn, man will diese verlassen. In den Kartenclubs kursieren reichlich Geschichten über Leute, die einem alten Bekannten einen Haufen Geld liehen und ihn danach nie wieder sahen. Ich gehörte zum Beispiel auch zu denen, die Chris an seinem letzten Abend in New York Geld liehen. Er marschierte durch den Club und borgte sich von seinen Freunden unauffällig so viel Geld, wie er kriegen konnte. Dann verschwand er aus der Stadt. Das Ulkige ist, dass sich niemand völlig in Luft auflöst. Über drei Ecken kennt man immer jemanden, der seine Ferien in New Mexico verbracht und Chris in einem Kartenclub bei Albuquerque gesehen hat. Ich ging davon aus, dass ich spätestens in ein paar Jahren wieder von Yana hören würde.

Ich hakte die Episode unter dem Kapitel Lebenserfahrung ab und versuchte, nicht an sie – und meine Rolex – zu denken. Abends fuhr ich wie immer ins Winchester zu meinem netten 10-20-Dollar-Spiel. Ich hob die Karten ab, teilte aus, sah auf und erblickte Yana. Sie saß an meinem Tisch und lächelte mir zu. Ich wollte sie wegen der Uhr zur Rede stellen, befürchtete aber, dass sie zornig werden und die Gekränkte spielen könnte. Was fällt dir ein?, würde sie vielleicht schreien, gefolgt von einigen treffenden russischen Schimpfworten. So würde jedenfalls jeder andere reagieren, und ein Pokerspieler erst recht. Schließlich zog sie gerade einen Bluff durch. Ich fragte sie trotzdem. Äh … nicht, dass ich wüsste, sagte sie. Dann lächelte sie, küsste mich und fragte, ob sie später noch vorbei kommen dürfe. Obwohl es bei mir nur noch den Elund zu stehlen gab (und ich weiß nicht, wie viel ein Secondhand-Neufundländer wert ist), sagte ich, dass ich zu tun hätte.

Ich kam schnell dahinter, dass sie keine Nummer ä la Chris abzog. Die Rolex war kein unfreiwilliges Abschiedsgeschenk gewesen. Nein, Yana wollte pokern, genau wie ich. Und dafür brauchte sie das nötige Startkapital. Sie hasste das Kellnern. Sie wollte nicht mit einem Tablett in der Hand bei den Männern abkassieren, sondern am Kartentisch. Sie brauchte nur einen Dummen, der ihr den Einstieg finanzierte, und dann konnte es losgehen. Unter all den Armleuchtern, Einfaltspinseln und geistigen Tieffliegern im Club hielt sie offenbar mich für die leichteste Beute. Wer war noch als Kind immer der Letzte, der in die Kickballmannschaft gewählt wurde?

Ich begegne Yana ständig im Club. Sie verfolgt eine sehr durchschaubare Spielstrategie. Wenn es gut läuft, spielt sie um hohe Einsätze, wenn nicht, geht sie an den 10-20-Dollar-Tisch. Viele Spieler bedienen sich dieser Taktik, aber sie ist ziemlich unproduktiv. An einem Tisch zu gewinnen, heißt noch lange nicht, dass man auch an den anderen gewinnt. Viele Low-Limit-Spieler begehen den klassischen Fehler, über ihre Verhältnisse zu spielen. Ein Siegspieler bleibt, wo er ist. Nur so macht man beim Poker Profit. Wenn Sie Ihre Gegner ausquetschen wie Zitronen, müssen Sie so lange am Tisch ausharren, bis die Quelle versiegt. Nur Glücksritter versuchen sich an größeren Spielen. Sie tun es wegen des Kicks und nicht wegen des Geldes, und das ist meistens ihr Untergang.

Von Zeit zu Zeit taucht Yana mit einem konservativ gekleideten Börsenheini im Club auf, der es anfangs ungeheuer antörnend fand, eine Pokerspielerin zur Freundin zu haben. Er guckt ihr ein bis zwei Spiele lang zu und schwirrt wieder ab. Sie bleibt, bis der Club bei Morgengrauen dicht macht. Oft beschwert sie sich, ihr Freund habe kein Verständnis für ihre Lebensweise. Wegen seiner ewigen Nörgelei wolle sie sich bald von ihm trennen. Für kurze Zeit war sie mit meinem Freund Jelly zusammen. Nach der Trennung vertraute Jelly mir an, dass die Beziehung in die Brüche gegangen sei, weil er es nicht länger ertragen habe, wenn sie nachts um fünf betrunken und pleite nach Hause kam. Damals dämmerte mir, dass David Spaniers sexistische Thesen falsch sein könnten.

Zunächst einmal ist Yana keine Kriminelle. Sie macht vielleicht ab und zu krumme Touren, aber das ist nicht ihr Hauptjob. Ihre Gaunereien sind bloß Mittel zum Zweck. Sie sollen ihr das nötige Geld einbringen, damit sie pokern kann. Alles andere – Freunde, Männer, Frauen, Geld, Schlaf, Sex – ist diesem Ziel untergeordnet. Mit anderen Worten ist Yana genau wie jeder männliche Pokerspieler, den ich kenne. Als sie anfing, regelmäßig zu spielen, nahm keiner sie besonders ernst. Sie war fast immer die einzige Frau am Tisch. Sie war ein Unikum, eine nette Ablenkung. Trotz der zwiespältigen Gefühle, die ich für sie empfand, musste ich mir eingestehen, dass sie sich mit der Zeit zu einer ausgezeichneten Low-Limit-Spielerin entwickelte. Diese Erkenntnis widersprach allem, was ich bis dahin über die Geschlechter zu wissen glaubte.

Da ich noch nie mit einem Mann zusammen gewesen war, ging ich davon aus, meine Beziehungsprobleme hätten allein damit zu tun, dass Männer und Frauen so grundverschieden sind. Seitdem ich Yana und die anderen Frauen kenne, die nach ihr in den Club kamen, gelange ich immer mehr zu der Einsicht, dass meine Probleme mit Frauen nichts mit der ungleichen Verteilung von Yin und Yang zu tun haben sondern mit der Diskrepanz zwischen normal und verrückt. Inzwischen glaube ich, alle Pokersüchtigen sind gleich – egal ob Mann, Frau oder Kind. Jedes Jahr gibt es mehr Frauen, die pokern. Und sie spielen Jahr für Jahr besser. Dennoch herrscht bei weitem nicht überall Gleichberechtigung. Eine Frau kann so gut oder erfolgreich spielen wie sie will und wird trotzdem oft von oben herab behandelt.

Zu den vielen Turnieren der World Series of Poker gehört sogar ein reines Frauenturnier im Hold’em. Ich erkundigte mich bei einem der Koordinatoren, warum es ein Frauenturnier gebe, obwohl Frauen auch zum Hauptturnier zugelassen seien. Er antwortete: Damit sie eine Chance haben. Wir trennen Jungs und Mädchen aus reiner Fairness. Bei einem Turnier wie den U. S. Open im Tennis kann ich die Geschlechtertrennung nachvollziehen. Die physischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen liegen klar auf der Hand. Aber weshalb wird bei der World Series of Poker nach Männern und Frauen getrennt? Schließlich geht es dort nicht um rohe Körperkraft. Eigenschaften wie Intuition, Aufmerksamkeit und Tücke, die seit jeher weiblich belegt sind, sollten Frauen eigentlich dazu prädestinieren, besser zu pokern als Männer. Aus unerfindlichem Grund halten die meisten das für unzutreffend. Und in der langjährigen Geschichte der World Series hat noch nie eine Frau das Hauptturnier gewonnen.

Der Weltmeister Huck Seed sagte einmal: Ich verstehe, weshalb Männer schneller laufen als Frauen. Das hat mit der Evolution zu tun. Aber beim Poker … Darüber schweige ich besser. Andere Profis nehmen kein Blatt vor den Mund. Amarillo Slim Preston, mit über siebzig einer der alten Hasen im Profigeschäft, ist Texaner und tritt noch heute zu jedem Spiel mit Cowboyhut und Bolo Tie an. Vor einigen Jahren wurde er gefragt, was er davon halte, bei der World Series gegen so viele Frauen anzutreten. Slim antwortete: Frauen sind für die Liebe gemacht und nicht fürs Pokern. Meine Frau Helen Elizabet sagt immer, ein König solle sein Land regieren und eine Königin sein Bett warm halten. Eine Frau wird eher eine Wildkatze in einen Tabaksack stecken als mich in Las Vegas besiegen.

Die World Series 2000 war für die Frauen der Durchbruch. Jerri Thomas gewann in einem Feld von 245 zumeist männlichen Teilnehmern das Seven-Card-Stud- Turnier mit 1500 Dollar Buy-in. Ihr Preisgeld betrug 135 975 Dollar. Melissa Hayden wurde Zweite beim Limit-Hold’em-Turnier mit 5000 Dollar Buy-in, und Annie Duke wurde Zehnte im Endturnier.Melissa Hayden räumt allerdings ein, dass es beim Poker immer noch reichlich sexistisch zugeht. Sicher, es gibt am Spieltisch immer noch sexistisches Verhalten, aber das ist kein Vergleich zu früher. Als ich vor einigen Jahren anfing, auf großen Turnieren zu spielen, wurde ich oft gefragt, wie ich als Frau denn pokern gelernt hätte. Ich habe diese Frage immer gehasst. Es klang immer so, als wäre ich ein Jockey, der in der NBA spielen möchte. Wie ich als Frau pokern gelernt habe? Genau wie jeder andere auch. Als Kind von meinem Vater.

Als ich im College mit einem Pokerspieler zusammen war, fing ich an, regelmäßiger zu spielen. Schließlich zog ich nach New York und gründete mit befreundeten Arbeitskollegen eine Pokerrunde. Ich bin kein einarmiger Ringer oder ein hebräischer Jesus-Gelehrter. Ich bin nur eine Frau, die von Beruf Pokerspielerin ist. Früher gestaltete Melissa Buchcover für einen großen New Yorker Verlag. 1997 gab sie ihre Vollzeitanstellung auf, um zu pokern. Je mehr ich über das Spiel lernte und je mehr ich damit konfrontiert wurde, desto stärker wurde die Überzeugung, dass ich vom Pokern leben könnte. Komisch, aber die Frage, ob es mir als Frau gelingen könnte, professionell zu spielen, stellte ich mir gar nicht. Ich fragte mich lediglich, ob ich, Melissa, es könnte.

Und es sieht ganz so aus … Ich weiß, was Amarillo Slim gesagt hat. Aber er hat sich verändert. In den letzten Jahren wurde er mehrfach von Frauen besiegt. Gelegentlich kommt er an den Tisch, an dem ich gerade spiele, und warnt die Männer, dass sie in argen Schwierigkeiten stecken. Es ist ein schönes Gefühl, von all den tollen Spielern respektiert zu werden. Aber es ist noch schöner, sie zu besiegen. Melissa ist der Meinung, dass alle noch bestehenden Vorurteile gegenüber Frauen bald der Vergangenheit angehören werden.

Die Situation von uns weiblichen Pokerspielern ist kaum mit der Situation der Suffragetten zu vergleichen, die für Gleichberechtigung und Anerkennung auf die Straße gingen und hart für ihre Rechte kämpfen mussten. Die Zahl der Frauen beim Poker nimmt stetig zu. Und es gibt nichts und niemanden, der das verhindern kann. Das will auch keiner. Noch besteht zwischen weiblichen und männlichen Spielern ein Ungleichgewicht, und das spiegelt sich auch in den Turnierergebnissen wider. Aber mit der Anzahl weiblicher Teilnehmer wird auch die Zahl der Siege steigen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir regelmäßig bei den großen Turnieren gewinnen. Wir brauchen gar nicht auf die Barrikaden zu gehen, um als gleichberechtigt oder sogar überlegen anerkannt zu werden, denn dahin wird es zwangsläufig kommen.

Der Profispielerin Angelica Stark ist die Gleichberechtigung von Frauen nicht genug. Sie geht davon aus, dass Frauen bei vielen Spielen früher oder später besser abschneiden werden als Männer. Es gibt Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Für manche Tätigkeiten sind Männer einfach besser geeignet. Wenn Sie jemanden brauchen, der Ihr Sofa die Treppe hoch trägt, ist ein Mann der Richtige. Sie wollen ein Gebäude in die Luft jagen? Auch dafür ist ein Mann sicher besser geeignet. Auf bestimmten Gebieten haben Männer nun mal Fähigkeiten, die uns Frauen fehlen. Damit kann ich leben. Aber Sie müssen zugeben, dass Männer nicht so … clever sind wie wir. Davon kann ich ein Lied singen.

Obwohl Angelica schon neunundzwanzig ist, lebte sie bis vor einem Jahr zu Hause bei ihrem Vater und ihren drei Brüdern. Ich habe die männliche Spezies tagein tagaus von ihrer besten und von ihrer schlechtesten Seite kennen gelernt. Weitere Einblicke erhält sie durch ihren Job in einem sehr angesehenen Hotel in Las Vegas, wo sie als Masseurin arbeitet, wenn es am Spieltisch schlecht läuft. Fünfzig Prozent meiner Massagen verlaufen auf die nullachtfünfzehn-Tour. Dafür bekomme ich fünfundsiebzig Dollar pro Stunde plus Trinkgeld. Je nach Kunde berechne ich fünfundzwanzig bis hundert Dollar extra für unsere so genannte Entspannungsmassage. Das Tolle ist, dass der Kunde, wenn er fertig ist, tatsächlich völlig fertig ist und nicht länger massiert werden möchte. Nachdem ich ihn zehn Minuten massiert habe, arbeite ich mich deshalb langsam in Richtung Gürtellinie vor und teste, ob er für die Spezialbehandlung empfänglich ist. Ich würde sagen, zwei Drittel meiner Kunden sind es.

Das ist kein Witz. Vorher zeigen sich viele desinteressiert, aber wenn ich nach zwanzig Minuten Massage zu meiner Spezialität übergehe, will natürlich keiner, dass ich aufhöre. Es ist fast schon zu einfach. Ich fange also mit der Sonderbehandlung an und bringe ihn bis kurz vor den Höhepunkt. Dann unterbreche ich und nenne ihm den Preis. Ich sage Ihnen, ich könnte von dem Kerl sogar verlangen, dass er seine Erstgeborene nach mir benennt. Ich bringe die Sache zum Abschluss, und dann will er seine Ruhe haben. So verdiene ich manchmal in fünfundzwanzig Minuten Arbeit hundertfünfzig bis zweihundert Dollar.

Männer sind so. Sie sind geschwollene Drüsen auf zwei Beinen. Sie können nicht anders. Auf meiner Bank lagen schon die treusten Ehemänner, die das Entspannungsprogramm vorher zehnmal abgelehnt hatten. Nur eine normale Massage, bitte. Keine faulen Tricks. Sobald ich aber einen Finger auf ihren kleinen Freund zu bewege, flehen sie mich förmlich an weiterzumachen. Männer sind Tiere. Beim Poker ist es dasselbe. Jeder Kerl spielt, als hätte er vor Geilheit einen Ständer. Ich habe Männer schon die größten Dummheiten am Pokertisch machen sehen. Diese Ignoranten kommen gar nicht auf die Idee, man könnte sie besiegen. Frauen sind viel besonnener. Sie denken, bevor sie handeln. Sie werden nie erleben, dass eine Horde Mädchen bei mir Schlange steht, um mehrere hundert Dollar für etwas zu bezahlen, das sie sich selbst besser und kostenlos besorgen können. Ich meine, ich kenne meine Qualitäten, aber schließlich geht es bloß um seinen Schwanz. Wozu braucht er mich da?

Dieser Unterschied wird sich eines Tages auch am Pokertisch niederschlagen. Ich glaube, Männer werden in Zukunft die eher technischen Spiele wie Stud beherrschen, während Spiele wie Hold’em, bei denen Leidenschaft und erotischer Kitzel eine Rolle spielen, eine Frauendomäne sein werden. Nehmen Sie zum Beispiel Huck Seed. Er ist in jedem Kartenspiel einsame Spitze. Seine Freundin lernte dagegen zuerst Hold’em. Sie spielt noch nicht lange, aber sie steht ihm in nichts mehr nach. Ich wette, dass sie in ein oder zwei Jahren besser spielt als er. Und wissen Sie was? Das wird sich großartig auf ihre Beziehung auswirken. Sexuell gesehen, meine ich. Es hat mich kolossal angetörnt, als ich das erste Mal Heads-up gegen den Mann spielte, mit dem ich gerade eine Affäre hatte. Sie kennen doch das alte Sprichwort: Das Spielen hält die Familie zusammen. Schade, dass ich sie nicht früher interviewt habe.

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