Poker und die andere Wettarten im Kasino Teil II – detailliertere Information

Auf der Highschool nahm er einen Teilzeitjob an, um sein Glücksspiel zu finanzieren. Damals wie heute war Eric immer ein kreativer Finanzmann … Ich lieh mir ständig Geld von an-deren Leuten, schaffte es aber auch immer, die Summen zurückzuzahlen. Er bekam ein Chemie-Stipendium von der Rutgers University, trat jedoch nicht zu seiner Abschlussprüfung an, sondern verbrachte den Tag seines Examens auf der Rennbahn. Nach seiner Einberufung wurde er als Militärpolizist ausgebildet und nach Vietnam geschickt, wo er in einem klimatisierten Hotel herumsaß und Tag und Nacht Poker spielte. Ich war bei der Pot Limit Seven-Card Stud-Division, sagte er einmal über diese Zeit. Wie Richard Nixon, der seinen ersten Wahlkampf mit Pokergewinnen aus Kriegszeiten finanzierte, meinte Eric, er habe während seines Militärdienstes keinen einzigen Tag Verlust gemacht. Ich habe nie geraucht, aber ich denke mal, man schuldet mir heute noch etwa drei Millionen Päckchen Zigaretten.

In Vietnam las Eric dann schließlich Herbert Yardley und erkannte, dass Poker eine Menge mit seiner starken Seite – der Mathematik – zu tun hat. Yardley zeigte mir, dass man mit vier Kreuz auf der Hand und keinem weiteren Kreuz auf dem Turn nur noch eine 1 : 9-Chance auf einen Flush mit dem River hat. Das war für mich der Beweis, dass Poker ein Geschicklichkeitsspiel ist. Wieder daheim in New Jersey begann er zu gewinnen. Er reiste kreuz und quer durch den Bundesstaat, auf der Suche nach privaten Pokerrunden, und gewann auch dort. Nach einer Weile fing er an, eigene Pokerpartien zu veranstalten, bei denen er sowohl Geld gewinnen als auch – als Veranstalter – einen Anteil von jedem Pot einstreichen konnte. Allerdings versäumte er es, die örtlichen Ganoven zufriedenzustellen. Sie gaben der Polizei einen Tipp, woraufhin sich, während die Spieler in Erics Haus marschierten, die Beamten eines Abends auf die Lauer legten und anschließend an die Tür klopften. Das dumme Ding von nebenan hielt sie für meine Freunde und ließ sie rein. Als hätte ich plötzlich, als Dreiundzwanzigjähriger, elf Freunde, die Anzüge und schwarze Schuhe tragen!

Die Sache kostete Eric 2 000 Dollar Strafe und sechs Monate Gefängnis, wo er seinen nominellen Status als Zigarettenmillionär weiter festigte. Ein paar Jahre später, nachdem er für die privaten Pokerrunden in seiner Region der Ostküste zu gut geworden war, lieh er sich 600 Dollar und fuhr für ein Wochenende nach Las Vegas. Ein halbes Jahr später war er immer noch dort – und inzwischen um 70 000 Dollar reicher. Weitere zwei Jahre später lebte er immer noch in Vegas und bemühte sich, Schulden in Höhe von 250 000 Dollar abzustottern. Bis heute ist Eric Drache, der sich auf der ewigen Achterbahn des professionellen Spielers wohler zu fühlen scheint als irgendwo sonst, nicht mehr nach New Jersey zurückgekehrt – und hat auch längst erkannt, dass dies wohl nie geschehen wird.

Wie lange lebt er inzwischen in Las Vegas? Bei der Antwort auf diese Frage kommt Eric zum ersten und einzigen Mal mit seinen Zahlen durcheinander. Ich weiß nicht mehr, wann genau ich hier angekommen bin. Wahrscheinlich irgendwann zwischen
1 970 und 1 971. Das Datum hat auch überhaupt nichts zu bedeuten; ich kann die Zeit nicht abschätzen. Woher soll ich wissen, ob es ’70 oder ’71 war? Welchen Unterschied macht das schon? Das ganze Leben ist ein einziges langes Pokerspiel. In diesen beiden Jahrzehnten gingen viele Millionen Dollar durch Erics Hände – in beide Richtungen, als Verlust oder Gewinn. Ich schätze mal, das Verhältnis liegt heute bei 45:46 – und dreimal darfst du raten, welche Zahl wofür steht. Wie er selbst zugibt, wandte er sich eine Zeitlang enttäuscht vom Pokern ab und verlor riesige Summen beim Würfeln.

Doch inzwischen arbeitet er als hoch bezahlter, hauptberuflicher Kartensaalmanager – was auf das Leben eines Vollzeit-Pokerprofis hinausläuft, der regelmäßig um hohe Einsätze spielt. Die Geldsummen, die er besitzt und schuldet, bewegen sich immer mindestens im sechsstelligen Rahmen, und es fällt Eric nicht leicht, dabei den Überblick zu behalten – schließlich ist diese Aufgabe eher etwas für einen Astronomen als für einen Buchhalter. Doch letztlich geht es immer nur darum, genug Bargeld für den Tag in der Tasche zu haben, und darin ist Eric Drache ein unangefochtenes Genie.

Die meisten der führenden Pokerspieler sind intelligent, viele sogar geistreich; jeder von ihnen ist mit allen Wassern gewaschen, doch nur die wenigsten könnte man weltmännisch nennen. Eric vereint dies alles in sich, doch als Einziger der Topspieler existiert für ihn auch eine Welt jenseits des Pokers, deren bloße Existenz nur wenige seiner Mitspieler überhaupt anerkennen. Für jemanden, der so mit Leib und Seele pokert wie er, zeigt sich Eric ungewöhnlich interessiert an seinen Mitmenschen. Offenbar betrachtet er die Welt als einen riesigen Vergnügungspark, bewohnt von unendlich faszinierenden Wesen, über die er ausgesprochen großzügig urteilt.

Falls es überhaupt etwas an ihm auszusetzen gibt, dann die Tatsache, dass er nie seine eigenen Ratschläge befolgt. Obwohl er sich selbst wie anderen gegenüber ein treffsicheres Urteils-vermögen an den Tag legt, handelt Eric leidenschaftlich gern wider besseres Wissen: Er kennt zwar seine Grenzen sehr gut, ist aber immer dann am glücklichsten, wenn er sie überwinden kann. Liebend gern zitiert er das Urteil der Gambling Times über ihn, die ihn einmal als Weltranglistensechsten beim Seven-Card Stud einstufte: Draches Problem besteht darin, dass er sich nur mit den besten Fünf der Welt an einen Tisch setzt.

Zwei von ihnen waren persönlich zugegen, als wir im Casino eintrafen – und sofort machte Eric sich mit der ihm eigenen Energie daran, eine Stud- oder Hold’em-Runde um hohe Einsätze in Gang zu bringen. Ich bevorzugte die relative Ruhe von Terry Rogers’ Irish-Eccentrics-Turnier – was für mich außerdem hieß, dass ich es mit streng limitierten Ausgaben in Höhe von 1 000 Dollar zu tun haben würde. Indem er abermals seine privaten Regeln vortrug, um die amerikanische Delegation noch etwas zu ärgern, sorgte Terry dafür, dass die Europäer sich selbstbewusster und heimischer fühlten. Bei der ersten Pause war ich, den zweiten Abend in Folge, noch immer am Leben – ein gutes Zeichen dafür, dass man etwas richtig macht – und eifrig bemüht, einen freundlichen Kalifornier an meinem Tisch zu besänftigen, der soeben trotz eines zunächst besseren Blatts gegen mich verloren hatte.

Was halten Sie von Ihrer neuen Nummer eins?, fragte ich ihn. Am Tag zuvor war ein neuer amerikanischer Präsident gewählt worden, dessen Name mittlerweile sogar bis nach Malta gedrungen war. Hmmm?, grunzte er und warf einen wütenden Blick auf meinen Stapel. Bist du jetzt die Nummer eins im Turnier? Offenbar glaubte er, ich wäre anmaßend geworden und wollte ihm Salz in seine Wunden streuen. Nee, sieht mir nicht danach aus. Ist mir auch egal. Ist noch zu früh, sich an so was aufzugeilen.
Und ich erklärte ihm, was ich gemeint hatte. Ach so. Wer hat das Ding denn überhaupt gewonnen? Ich erzählte ihm, wie die prozentuale Verteilung bei den Wahlen ausgesehen hatte. Weißt du was, meinte er nach einigem Nachdenken, im vergangenen Sommer hätte man Superquoten gegen diesen Kerl gekriegt.

Sofort entzündete sich eine hitzige Debatte darüber, dass der andere Kerl im Sommer vorübergehend die Nase vorn gehabt hatte. Überall wurden die Taschenrechner rausgeholt und berechnet, in welchem Maß der letztendliche Gewinner zu Zeiten vor der Parteiversammlung ein Underdog gewesen sei. Wenn Pokerspieler eine politische Ansicht vertreten, was selten der Fall ist, dann spielt entweder die Politik die Rolle eines Sportereignisses, bei dem sich Geld verdienen lässt, und/oder sie ist extrem rechtslastig. Das Turnier hatte bereits wieder begonnen, als jemand eine zerfledderte Ausgabe der International Herald Tribüne mit aufgeschlagenem Sportteil unter Sitz Sechs entdeckte.

Sobald die Spieler nach einer Hand ihre Karten weggelegt hatten, studierten sie reihum eine Grafik, die die Entwicklung der Popularitätskurve beider Kandidaten anzeigte, und versuchten, so die Sommerquoten präzise zu bewerten. Hey, lass mich auch ma’ gucken. Ein beleibter Spätankömmling auf Platz Zwei, der noch auf irgendetwas Essbarem herumkaute, das er für unbedenklich hielt, schnappte dem Kerl auf Platz Sechs die Zeitung aus der Hand und verschwand dahinter. Ich will ma’ das Präsi-Ding lesen. Es folgten etwa zehn Minuten, in denen er nur hinter der Tribüne auftauchte, um seine Startkarten zu checken, zu passen und wieder abzutauchen. Als er schließlich fertig war und die Zeitung hinter sich auf den Boden warf, verkündete er: Ich komm’ aus Kentucky. Wie ich sehe, ist Kentucky an die Republikaner gegangen. Es entstand eine Pause, doch das allgemeine Desinteresse an dieser Nachricht schien ihn nicht abzuschrecken.

Aber die Demokraten ham Massachusetts gekriegt. Wenn ich in Massachusetts leben würd’, was ich nich vorhab’ und was ich auch nie machen würd’, dann würd’ ich da jetzt wegzieh’n. Am Ende kaufte ich Kentucky aus und wurde an diesem Abend Zehnter von fünfzig Teilnehmern – ein Platz außerhalb der Preisgeldränge. Das schlechteste Ergebnis, das du erzielen konntest, erklärte mir Eric fröhlich. Du hast die ganze Zeit hart gearbeitet, hast gut gespielt, und was hast du nun davon? Deine 1 000 Dollar Startgebühr sind futsch. Kein guter Lohn für fünf Stunden Arbeit. Wenn du einen Platz höher gelandet wärst, hättest du dein Geld zurückbekommen. Das wäre schon besser, aber auch nicht gerade viel. Wenn du ein Profi sein willst, musst du beim richtigen Spiel mitmachen.

Und das tat ich dann auch – aber nicht bei seinem. Eric war wie immer an der fettesten Runde im ganzen Saal beteiligt: $ 100/$ 200-Seven-Card-Stud, bei dem acht Spieler den Pot regelmäßig bis auf einen gut vierstelligen Betrag in die Höhe trieben, noch bevor sie überhaupt die vierte ihrer sieben Karten erhalten hatten – und das bei noch vier ausstehenden Wettrunden. Der größte Chipstapel an diesem Tisch gehörte derzeit dem jüngsten Spieler, Phil Hellmuth junior, mit dreiundzwanzig ein aufgehender Stern am amerikanischen Pokerhimmel. Und das ließ er alle anderen im Saal auch wissen. Ich hab hier noch ein Ass, Kollege, ertönte Hellmuths schrille, nicht zu überhörende Stimme, während er den Kopf auf Höhe der Tischplatte brachte und die beiden Bunkerkarten unterhalb eines sichtbaren A-K hervorzog. Lass mich dem Baby noch einen mitgeben. Mit diesen Worten erhöhte er, wie erwartet, um das Maximum.

Hellmuths Prahlerei ließ jedoch einen älteren, leidenschaftslosen Gegenspieler unbeeindruckt, den seine verspiegelten, dunkel getönten Brillengläser noch undurchschaubarer machten. Im Pot lagen inzwischen sechstausend Dollar, und vor Hellmuth sah man A-K-3-J, gegenüber zwei kleinen Paaren seines Gegenspielers, bevor der Showdown mit der letzten aufzudeckenden Karte begann. Hellmuth hatte kein zweites Ass im Bunker – er hatte die beste mögliche Straße in sechs Karten gezogen und durch sein lautes Poltern getarnt. Ein weniger bedrängter Gegenspieler hätte Hellmuth vielleicht früher schon durch eine Erhöhung aus der Hand verjagt – oder sich zumindest gefragt, wie zum Teufel Hellmuth ohne ein sichtbares Paar mitgehen, geschweige denn erhöhen konnte.

Der Junge hatte einen Lauf. Gerade erst hatte er beim Diamond-Jim-Brady-Turnier im Bicycle Club in Los Angeles seinen ersten bedeutenden Titel gewonnen, und schon ging er davon aus, dass er sich in diesem Jahr auch die World Series sichern würde. Ich bin der beste Allround-Pokerspieler der Welt, prahlte er ständig. Der Widerspruch am Tisch äußerte sich allein dadurch, dass ältere und klügere Menschen als er die Augen verdrehten. Hellmuth hat wie Drache das College abgebrochen; bei ihm kam allerdings erschwerend hinzu, dass sein Vater der Dekan war. Phil studierte Rechnungswesen an der Universität seiner Heimatstadt Madison, Wisconsin, als er (sehr zur Bestürzung seines Vaters) feststellte, dass Poker mehr Spaß machte als Buchführung.

Nach nur knapp zwei Jahren in der Szene und regelmäßigem Spiel in den Clubs von Vegas und Kalifornien hatte er off genug mit den großen Namen am Pokertisch gesessen, um eine Reihe hochrangiger Turniere zu gewinnen, und war so erfolgreich, dass er sich einen Cadillac zulegte. Das wird mein Jahr, verkündete er allen Zuhörern auf Malta. Das erste von vielen. Ich hätte mir gewünscht, über genügend Spielkapital zu verfügen, dass ich gegen ihn antreten konnte. So aber war ich gezwungen, mich mit ein wenig 20/40-Dollar-PLO zu begnügen. In Pokerkreisen – selbst denen, die sich in so geringer räumlicher Entfernung zum Nahen Osten befinden wie Malta – steht PLO nicht für Palästinensische Befreiungsorganisation, sondern für Pot Limit Omaha.

Omaha ist eine Variante des Texas Hold’em, bei der jeder Spieler vier verdeckte Startkarten erhält, von denen er zwei benutzen darf, um die Gemeinschaftskarten zu übertreffen. Verglichen mit den trockenen, intellektuellen Regeln des Hold’em wirkt Omaha wie ein Tänzchen im Country-and-Western-Stil, so zahl- und variantenreich sind die Möglichkeiten, die sich einem eröffnen – und so viel größer sind die Risiken, die die Leute hierbei einzugehen bereit sind. Die Chips fliegen lockerer durch die Gegend, und man muss darauf gefasst sein, in der Hälfte der Zeit bei Doppelt oder nichts zu landen. Wie die Briten in Las Vegas neigen die Amerikaner im Ausland jedoch dazu, konservativer zu spielen als daheim – schließlich steht ihnen nur ihr begrenztes Reisespielkapital zur Verfügung, um sich gegen die als sicher vorausgesetzte Stümperhaftigkeit der versammelten ausländischen Spieler durchzusetzen.

Dazu kommt, dass $ 20/$ 40-Spieler in diesen Situationen noch verhaltener spielen, da sie per definitionem die ärmsten Schlucker sind. Daher erinnerte diese spezielle Runde weniger an einen lockeren Square Dance als vielmehr an einen Tanz mit Damenwahl – jedes Mal, wenn jemand setzte, passte der Rest en masse. Auf diese Weise konnte ich ein paar Pötte stehlen und bei passender Gelegenheit meine Position ausnutzen. Aber irgendwann wird man durchschaut, und danach ist es mit dem Bluffen vorbei, da die Chancen steigen, dass einige gute Hände nur darauf lauern, gegen einen anzutreten.

Mein Problem war (und ist es immer noch), dass in meinen Augen jedes Omaha-Blatt wie ein gutes Blatt aussieht. Ich kann mich aus keiner Hand raushalten. Falls Sie das Spiel noch nie gespielt haben, denken Sie mal über Folgendes nach: Ein Paar Asse etwa, beide suited, ist unbestreitbar eine gute Hand, doch viele Omaha-Spieler hätten lieber A-K-Q-J, und manche halten K-Q-J-10 oder Q-J-10-9 für noch besser, weil damit die Chancen auf eine Straße sehr gut stehen. Also wird 3-4-5-6 plötzlich zu einer ziemlich guten Hand vor dem Flop – und noch besser, wenn dieser ein paar niedrige Karten bringt. Omaha stellt viele der üblichen Pokerregeln auf den Kopf: Hohe Paare können plötzlich richtig mies aussehen, und auch zwei Paare sollte man besser wegwerfen, wenn schon vor dem Flop erhöht wurde. Das schlechteste Blatt, das man auf die Hand bekommen kann, sind Drillinge – womit man bei den meisten anderen Pokervarianten schon sehr weit kommt. Und so geht es weiter.

Ich hielt mich ganz wacker und war etwa um 400 Dollar im Plus, als ich plötzlich A-A-A-K bekam, zwei davon in Karo. Die Hand sah dermaßen blendend aus, dass ich sie im wahrsten Sinne des Wortes hochhielt – was bei Omaha gegen die Etikette verstößt – und eine Weile nachdenklich betrachtete. Ich konnte es einfach nicht über mich bringen, diese Karten wegzuwerfen. Bei jedem anderen Pokerspiel ist ein solches Blatt gut genug, um Haus und Hof darauf zu verwetten; bei Omaha ist es eine Hand, mit der man beim ersten Anzeichen einer Erhöhung passen sollte. Ich blieb jedoch in der Hand und sah mir den Flop an, der 3-4-4 brachte, davon zwei Mal Pik. Einen Moment lang sah mein Blatt richtig gut aus – Asse hoch, mit der Chance auf ein Full House. Dann ging mir auf, wie gering die Chancen auf dieses Full House tatsächlich waren und wie wahrscheinlich es war, dass jemand anderes bereits einen Drilling auf der Hand hatte, vielleicht sogar ein Full House. Da vor mir vier Leute mitgegangen waren, und das bei einem Eröffhungseinsatz von 40 Dollar, mussten sie offensichtlich einige gute niedrige Karten haben.

Also verabschiedete ich mich traurig von meinem A-A-A-K – nur um dann mit anzusehen, wie auf dem Turn eine dritte Vier und auf dem River das letzte im Spiel befindliche Ass auftauchten. Meinen Berechnungen zufolge lag die Quote für ein Erscheinen dieser Karten bei 1: 47, und zwar vor dem Flop. Am Ende hätte ich das beste mögliche Full House gehabt – wobei dann immer noch die Möglichkeit von vier Vieren irgendwo am Tisch wie ein Damoklesschwert über mir geschwebt hätte. Das Übermaß an denkbaren Kombinationen macht es bei Omaha viel schwerer, gegnerische Blätter zu lesen, als bei Hold’em. Warum hätte jemand vor dem Flop mit einer Vier im Spiel bleiben sollen? Ich verrate es Ihnen.

Weil vielleicht diese Vier zu einem König von gleicher Farbe passte und seine beiden anderen Karten K-3 von Herz waren – was ihm ein Paar Könige verschafft hätte, zwei gute Chancen auf einen Flush und eine entfernte Chance auf einen Straight. Verstehen Sie, was ich meine? Und tatsächlich wurde die Hand von der vierten Vier gewonnen, gespielt mit einem König in gleicher Farbe. Bei Omaha sind die Gewinner dazu verpflichtet, alle vier Karten offenzulegen, so dass ich sehen konnte, warum dieser Spieler vor dem Flop im Spiel geblieben war: Seine beiden anderen Karten waren
Q-J von derselben Farbe. Die Karte, die er vor dem Flop als seine schlechteste betrachtet hatte und von der er am wenigsten erwartet hätte, dass sie ins Spiel kam, hatte sich in die alles entscheidende Gewinnerkarte verwandelt.

Omaha stellt zwar eine wesentlich weniger präzise Wissenschaft dar als Hold’em, ist mittlerweile aber die Pokervariante mit dem größten Zulauf, und zwar genau aus den oben genannten Gründen: Die verwirrende Vielfalt von Möglichkeiten vor und nach dem Flop führt zu äußerst lebhaften Wetteinsätzen – und zwar so lebhaft, dass ich die ganze Nacht über zwischen einem Gewinn von 2 000 Dollar und dem Rand des Ruins hin- und herpendelte. Währenddessen sagte ich mir ständig, dass ich auf keinen Fall meine 500 Dollar Teilnahmegebühr für die Hold’em-Europameisterschaft verspielen durfte, die am nächsten Abend stattfinden sollte. Das Turnier war vom Wochenende vorverlegt worden, da viele der anwesenden Amerikaner so schnell wie möglich aus Malta verschwinden wollten – eine großartige Neuigkeit für mich, da ich selbst am Donners-tagmorgen die Insel verlassen musste, um in London beim Presserummel rund um die Vorstellung meines neuen Buchs persönlich anwesend zu sein.

Der bloße Gedanke an London und Bücher ließ meine Lebensgeister erschlaffen. Daher wartete ich noch einen anständigen Pot ab, passte einige Male gähnend und stand schließlich auf, um den Abend mit 1 200 Dollar im Plus zu beenden. Zwar hatte ich meine Teilnahmegebühr für die Irish Eccentrics zurückgewonnen, wünschte jedoch, ich hätte ein größeres Spiel kapital mitgebracht. Ein Gewinn in Höhe von 1 200 Dollar am vergangenen Dienstag hatte die Kosten für meine erste Reise gedeckt, aber selbst damit erschienen die 17 500 Dollar, die daheim und in Sicherheit auf mich warteten, plötzlich in keiner Weise ausreichend für meine ehrgeizigen Ziele. Wenn ich meine Aktivitäten in diesem Jahr auf Turniere und unterklassige Nebentische beschränkte, würde ich mich wahrscheinlich problemlos über Wasser halten können, aber diese vergangenen Turniere waren eben nur Kleinkram verglichen mit denen, die noch vor mir lagen.

Machte der Pokerzirkus erst einmal Station in den Staaten, würden sich allein die Teilnahmegebühren auf mehr als mein gesamtes Spielkapital belaufen. Selbst hier im altmodischen Malta hatte mir mein mitgebrachtes Spielkapital kaum Handlungsspielraum eröffnet. Wo konnte ich also mehr auftreiben? Und warum musste mir mein früheres Leben ständig in die Quere kommen? Die Morgendämmerung auf Malta bezauberte mich derart, dass ich über eine Stunde lang ziellos am Strand herumlief. Dabei erging ich mich in hoffnungslosem Selbstmitleid, kam mir vor wie ein an fremden Gestaden gestrandeter Hamlet, der über die Verderbtheit in einem Königreich sinniert, in das er bald wieder zurückkehren muss. Da weder Horatios noch Totengräber noch Totenköpfe zugegen waren, mit denen ich diese Gedanken hätte teilen können, kehrte ich schließlich trübsinnig auf mein Zimmer zurück und verschlief den Tag – wahrscheinlich der letzte, den ich für viele Monde am Mittelmeer verbringen würde.

Mein Flug ging früh am nächsten Morgen, und weil ein ganzer Tag mit Radio- und Fernsehinterviews anstand, wollte ich auf keinen Fall meinen Platz in der Maschine einbüßen. Es kursierten nämlich Schauergeschichten von Möchtegern-Abreisenden, denen man aber die ganze Woche die Flüge gestrichen hatte. Mir hatte man aus diesem Grund geraten, bei meinem für halb neun morgens angesetzten Flug schon um sechs Uhr früh einzuchecken. Daher war ich ebenso beunruhigt wie erstaunt, als ich um zwei Uhr nachts immer noch zu den potenziellen Anwärtern auf den europäischen Hold’em-Titel gehörte – ebenso wie um halb drei, um drei und um halb vier.

Wieder einmal waren nur noch zwei Tische übrig geblieben, mit den letzten achtzehn von ursprünglich dreiundsechzig Teil-nehmern; von einem Erfolg konnte also längst noch keine Rede sein. Ich war zwar weit davon entfernt, das Turnier anzuführen, aber ebenso weit entfernt von einem Ausscheiden. Statt mich jedoch auf die Karten und die für mich so anstrengende Berechnung der Gewinnchancen und Potquoten zu konzentrieren, beschäftigte ich mich intensiv mit statistischen Berechnungen der Reisezeit zum Flughafen – unter Berücksichtigung eines möglichen Verfahrens mit meinem Mietwagen sowie dem aus Sicht meiner Risikobereitschaft letztmöglichen Zeitpunkt einer Ankunft am Flughafen bei gleichzeitiger Sicherung meines kostbaren Platzes in der Maschine.

Um 3.45 Uhr, als schon leichte Verzweiflung in mir aufstieg, bekam ich ein Blatt, das mir endlich die Gelegenheit zu einer Entscheidung bot: Entweder würde ich jetzt vom Tisch fliegen und mit halbwegs normalem Blutdruck zum Flughafen fahren, oder ich würde einen derart großen Pot gewinnen, dass ich ins Geld kam und mich sogar am Titelkampf beteiligen konnte. Außerdem würde das Turnier dann so zeitig enden, dass mir noch ein oder zwei Stunden blieben, in denen ich versuchen konnte, telefonisch nach London durchzukommen und den Leuten vom Verlag eine Ausrede aufzutischen.
In später Position bekam ich A-K von einer Farbe auf die Hand – mein Lieblingsblatt beim Hold’em, abgesehen natürlich von zwei Assen als Startblatt – und machte es den anderen vor dem Flop entsprechend schwer.

Da drei Konkurrenten nach dem Big Blind mitgegangen waren, setzte ich 2 000 Dollar, etwas weniger als die Hälfte meines Stapels imaginärer Plastikdollar, in der Hoffnung auf zumindest einen Gegner, der mitging. Der Kerl am Dealerbutton und der erste Spieler, der mitgegangen war, dachten lange nach, stiegen dann aber beide aus, doch der gewiefte Fuchs auf Platz Drei brachte meinen Einsatz. Der Mann kaute seelenruhig auf einem Zahnstocher herum, während er vor einem Chipstapel saß, der wesentlich größer war als meiner. Der Flop brachte A-K-10. Der Alte schob, was mich die vage Möglichkeit verwerfen ließ, dass er mit Q-J auf der Hand meinen Einsatz gebracht hatte – was natürlich bedeutet hätte, dass er nun dank dieses Zauberflops die unschlagbare höchste aller Straßen hielt. Auch ein Flush war nicht in Sicht – doch selbst wenn das der Fall gewesen wäre, musste ein Profi tun, was ein Profi tun musste. Während mein Herz so schnell und laut schlug, dass Richard Wagner beeindruckt gewesen wäre, setzte ich meine restlichen Chips – über 2 500 Dollar – und ging davon aus, dass er passen würde.

Während er über mein Angebot nachdachte oder zumindest so tat, stellte ich Berechnungen darüber an, auf welchen Platz der aktuellen Chiprangliste mich ein 10 000-Dollar-Pot bringen würde. Außerdem formulierte ich im Geiste die ersten schwungvollen Ausreden über die Unzuverlässigkeit von Air Malta, die ich meinem Londoner Verleger auftischen wollte. Doch die Reaktion auf mein Angebot fiel schneller und brutaler aus, als ich es mir hätte vorstellen können: Der alte Fuchs ging mit und deckte mit dem Satz Schade, dass du nicht mehr Geld dabei hast, London! ein Paar Zehner auf. Um jetzt noch zu überleben, brauchte ich dringend ein Ass oder einen König. Die Quoten dagegen standen so hoch, dass mir beim Umdrehen der vierten und fünften Karte nur die Genugtuung blieb, dem Alten meine Bunkerkarten nicht zeigen zu müssen und ihn wegen eines möglichen Paars Assen oder Königen noch etwas schwitzen zu lassen.

Der Dealer schlug zweimal mit der Faust auf den Tisch, um anzuzeigen, dass die Einsätze nun beendet waren, verbrannte eine Karte und deckte die Kreuz Drei auf. Keine Hilfe. Ein erneutes zweifaches lautes Klopfen, eine weitere Karte wurde verbrannt, und nun erschien der Karo-Bube. Jetzt wirkte der alte Fuchs tatsächlich ein wenig besorgt: Eine Dame als Bunkerkarte hätte mir den Pot eingebracht. Da ich nicht wie ein schlechter Verlierer dastehen wollte, erhob ich mich und warf mein Ass und meinen König vor ihm auf den Tisch. Mit gepresster Stimme sagte ich: Gute
Hand – eigentlich unpassend, denn so etwas sagt ein guter Verlierer nur dann, wenn sein Gegner bessere Karten aufdeckt als er selbst -, zog mein Jackett über und verließ unter vereinzeltem Applaus den Tisch.

Nun musste ich mich nur noch rasch von Eric verabschieden, der auf der anderen Seite des Saals wieder einmal in einem Stud-Marathon steckte. Dann trat ich in die maltesische Nacht hinaus, wobei mir ein letztes Mal Phil Hellmuths schrille Stimme in den Ohren klang: Noch ein toter Brite? Heute Abend mag er tot sein, dachte ich, und er mag auch mit 700 Dollar im Minus nach Hause fahren. Aber er gilt nun offiziell als die Nummer dreizehn unter den besten Pokerspielern Europas.

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