Lotto in Bremen, Geld oder Leben – erfahren Sie mehr

Weil der Sport noch immer den Daumen drauf hat, dürfen Vereine, die in die Bredouille geraten sind, auf letzte Hilfe bei Lotto und Toto setzen. Etwa in Bremen. Dort endete das Spieljahr 1996/97 für die Volleyball-Damen des Turnvereins der Bahnhofsvorstadt Bremen e. V. mit einem Fiasko: Den Frauen trieb der Abstieg aus der Bundesliga die Tränen in die Augen, dem ersten Vorsitzenden Arnold Reinecke die Abrechnung des Managers der Mannschaft. Mehr als 200 000 € Minus wies dessen Bilanz aus. Der hatte schlecht kalkuliert, meint Reinecke, statt 300 000 € Etat seien 180 000 € und ein paar mehr dazugekommen. Mißmanagement nennt das Reinecke, sein technischer Leiter, Rüdiger Rosenkötter, spricht von Unwissenheit und Fahrlässigkeit.

Zum mangelnden Managerglück kam dann auch noch Pech dazu: Ein Sponsor – der Fernsehsender TM 3 – sei während der Runde abgesprungen, was das Loch um rund 50 000 € vergrößert habe. Erst spät offenbarte der Manager der Vereinsführung das Drama. Hätte der eher geredet, hätten wir früher die Bremse reingehauen. Als wir davon hörten, war die Kacke am Dampfen, resümiert Rosenkötter.

Was tun? Die Verträge mit den Spielerinnen waren auf zwei Jahre abgeschlossen, der Verein konnte trotz seiner 2000 Mitglieder die Schulden der Leistungsabteilung nicht tragen. Natürlich haben wir den Landessportbund eingeschaltet, erklärt Reinecke. Rückblickend war es sicher kein Nachteil, dass Rüdiger Rosenkötter mit der Vizepräsidentin des Landessportbundes verheiratet ist, Ingelore Rosenkötter. Wie’s dann weiterging, erzählt Rüdiger Rosenkötter so: Natürlich hat der Landessportbund Kontakte zur Politik. In einem Stadtstaat wie Bremen sind die Verbindungen ja noch enger als in einem Flächenstaat. Es gab also zahlreiche Vorgespräche, und wir haben gesagt: Entweder wir kriegen eine Spritze, oder der Verein geht über’n Kopp.< Und dann haben wir überlegt, wie wir die Kuh vom Eis kriegen. Die Bremer kriegten die Kuh vom Eis, weil sie die Lottokasse anzapften und in Bremen alle Parteien ein Herz für den Sport haben, Gott sei Dank. Die Gespräche mit den Parteinvertretern führten am 2. Juli 1997 zum Beschluss der Sportdeputierten, 180 000 € für die Überbrückung einer Liquiditätslücke bereitzustellen. Das zinsfreie Darlehen muss in zehn Jahresraten zurückgezahlt werden. Dem Verein erspart dieser Weg mehrere zehntausend € Bankzinsen. Vielleicht aber auch noch mehr. Denn Reinecke meldet schon heute Zweifel an, wie wir das zurückzahlen sollen. Vielleicht finden die Deputierten, die in Bremen über die Zuteilung befinden, ja eine praktische Lösung? Die guten Kontakte zur Politik sind auch für den Landessportbund ein Segen. Seit August 1992 werden die Zweckerträge, die an die Stadtgemeinde Bremen fließen, anders verteilt. Der Sport wird seither an den Erträgen aus der Super 6 beteiligt, offenbar auf Drängen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Claus Dittbrenner. Damals war die Regelung: Eine Million € kriegt die Kultur, der Rest wird mit dem Sport geteilt. Schon auf der nachfolgenden Hauptversammlung des Landessportbundes am 26. September 1992, an dem Innen- und Sportsenator Friedrich von Nispens ebenso teilnahm wie der Bürgermeister Klaus Wedemeier, waren die Sportvertreter damit nicht mehr zufrieden: Die Funktionäre störte, dass die Kultur aus Super-6-Erträgen 1,17 Millionen € erhielt, der Sport eine Million weniger. Landessportbund-Präsident Heinz- Helmut Claußen war damit unzufrieden, wie er sagte. Er hoffe, dass die politisch Verantwortlichen im Jahr 1993 erneut über die Verteilung der Toto-Lotto-Mittel nachdächten und dem Sport dann mehr als bisher zur Verfügung stellten. Claußens Ruf fand offene Ohren: 1995 bekam in Bremen der Sport 343 000 €, die Kultur noch immer eine Million € mehr. Aber im folgenden Jahr war es umgekehrt: 1,385 Millionen € für den Sport, nur noch 385 000 € für die Kunst. Insgesamt erhält der Sport heute ein Drittel (rund 6,2 Millionen €) der gesetzlichen Abgaben aus allen Lotterien, insgesamt 18,7 Millionen €, der Kultur bleiben 2,7 Millionen €. Rosenkötter ist darüber glücklich und meint, damit sei das Verhältnis zwischen Kultur und Sport wieder zurückgeschoben in den Normalzustand. Geld ist also genug da im Bremer Sport, jedenfalls kann man sich über mangelnde Lotteriemittel nicht beklagen. Wenn’s ums Verteilen der Lottogelder geht, scheint man deshalb in Bremen nicht so genau hinzusehen, sondern sieht manchmal auch über Gesetze hinweg. Die Gelder werden in Bremen und Bremerhaven nach einem komplizierten Schlüssel auf die beiden Städte, dort wiederum auf Sport- und Wohlfahrtsverbände sowie die Senatoren verteilt. Der Landessportbund erhält nach diesem Schlüssel direkt jährlich rund 1,3 Millionen €, der Fußballverband 660 000 €. Das Senatorengeld verwalten und bewilligen Deputationsausschüsse, denen Repräsentanten aller im Parlament vertretenen Parteien angehören. Für den Sport standen 1996 aus diesem Topf rund 4,2 Millionen € zur Verfügung. Die Städte haben die an sie abgeführten Beträge als zweckgebundene Mittel zu verwenden, bestimmt das Gesetz über Totalisatoren und Lotterien. Zuwendungen für solche Ausgaben, die bei der Unterhaltung des Geschäftsbetriebs des Begünstigten selbst entstehen (Verwaltungs-aufgaben), dürfen nicht gegeben werden. Eindeutig formuliert, sollte man glauben. Doch der Bremer Turnverband (Vorsitzender: Rüdiger Rosenkötter) erhielt zuletzt 48 000 € jährlich für Personalkosten für den Bundesstützpunkt Rhythmische Sportgymnastik, am 30. Oktober 1996 spendierten die Deputierten 60 000 € für Personalkosten ab 1997 für eine hauptamtliche Kraft - für 1997 und noch einmal so viel für 1998. Im engeren Sinne, meint auch der Rechnungshof, seien dies Verwaltungskosten, mithin handelt es sich um eine nicht sachgerechte Verwendung von Lotteriemitteln. Das sei eine gewisse Konstruktion, will auch Rosenkötter einräumen, die dazu diene, die Trainerin für den Stützpunkt zu bezahlen. Der Deutsche Turnerbund habe die nämlich abgezogen, der Bremer Turnverband sei aber ein bettelarmer Verband. Weil das so ist, kamen Anfang 1997 offiziell noch einmal 18 000 € für die Trainerin hinzu. Nicht nur im Saarland und (begrenzt) in Bremen hat der Sport bei den Lotterien die Hand drauf. Auch in Rheinland- Pfalz bedienen sich die Sportbünde über Gebühr der Lotteriemillionen. Der Aufwandersatz, der dem Landessportbund über den Haushalt zugewiesen wird, ist horrend angestiegen. Während Anfang der neunziger Jahre noch 13,2 Millionen € ausreichten, beanspruchten die Sportbunde 1997 mehr als 21 Millionen €. In der Rechnungsprüfungskommission erläuterte der damalige Finanzstaatssekretär Thilo Sarrazin, der Landessportbund erhalte insgesamt rund 60 Millionen € aus Lotteriemitteln über den Landeshaushalt. Außerdem flössen aus der Lotto-Gesellschaft noch einmal rund 900 000 € zu

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