Lotto Fallbeispiel 3 in Hessens Lottoklüngel, schlimmer Sumpf Teil 2

Lotto Fallbeispiel 3 in Hessens Lottoklüngel, schlimmer Sumpf Teil 1

Aus Bonn mischte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Rudi Walther ein. Er forderte Ministerpräsident Hans Eichel zu einem politischen Befreiungsschlag auf. Es sei unglaublich, zu welch himmlischen Bedingungen ein Lotto- Geschäftsführer angestellt wird, der sich bestimmt nicht den Rücken krumm schuftet. Denen, die für Markbeträge Lotto spielten, sei nicht zuzumuten, dass mit ihren Einsätzen solche Traumgehälter und -abfindungen gezahlt würden. Die Verträge sollten offengelegt werden, und zwar auch in anderen Bundesländern, wo diese Stellen ebenfalls als Parteipfründe behandelt würden. Walther forderte: Dieser Lotto-Filz muss aufhören.

Geske musste am 13. Januar 1994 seinen Hut nehmen. Eichel sprach von einem schlimmen Sumpf, den es trokkenzulegen gelte. Die drei Beamten der Beteiligungsabteilung wurden aus dem Aufsichtsrat entfernt und durch externe Fachleute ersetzt: zwei Bankkaufleute und den Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts. Finanzministerin Annette Fugmann-Heesing erklärte Lotto zur Chefsache und wollte klare Verhältnisse schaffen. Der neue Geschäftsführer, Hans-Detlef von Uckro, wurde nur einen Tag nach Geske entlassen. Doch die Opposition gab sich damit nicht zufrieden. Eine Woche später musste auch die Finanzministerin gehen.

Regierungschef Hans Eichel veranlaßte dies am 26. Januar 1994 zu einer Regierungserklärung. Er verstehe den Zorn der Menschen im Lande. Sie könnten nicht begreifen, wie in einer Zeit, in der viele ihren Arbeitsplatz verlieren oder fürchten müssen, arbeitslos zu werden, in einer Zeit, in der 6,6 Millionen Arbeitsplätze fehlen, in einer Zeit, in der die Reallöhne sinken, in einer dem Land gehörenden Gesellschaft Gehälter, Abfindungen und Nebenverdienste in der jetzt bekanntgewordenen Höhe möglich sind, und das zum Teil noch steuerfrei. Da helfe auch kein Vergleich mit der Wirtschaft. Staatliche Unternehmen müssten sich mit anderen Maßstäben messen lassen. Eichel versprach: Alle Sachverhalte werden lückenlos und ohne Ansehen der Person aufgeklärt und Strukturen geändert. Er versprach eine Reorganisation: Die künftige Lottogesellschaft soll staats- und politikfern verfasst sein und ebenso staats- und politikfern geführt und kontrolliert werden. Für das Führungspersonal werde es Ausschreibungen geben.

Das empfahl im Herbst 1994 auch das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft C & L Treuarbeit zur Organisationsstruktur. Die bisherige Struktur solle beibehalten werden, aber auf mehr Staatsferne sei zu achten. Doch zu diesem Zeitpunkt waren längst Fakten geschaffen worden. Einen Monat nach Eichels Worten tagte der staatsferne und neu zusammengesetzte Aufsichtsrat erstmals. Sein Vorsitzender: der neue Finanzminister, Emst Welteke. Vize wurde
ein Mitarbeiter, der schon seit 1980 als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat saß. Die Stelle des Geschäftsführers, so beSchloss der Aufsichtsrat, werde zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschrieben. Sie werde für die Übergangszeit bis zur Neustrukturierung vom im Januar ein-gesetzten kommissarischen Geschäftsführer weitergeführt, erklärte Finanzminister Welteke. Einen Antrag zur Trockenlegung des Lotto-Sumpfes des parlamentarischen Geschäftsführers der FDP, Hans-Jürgen Hielscher, lehnte das Parlament gegen die Stimmen der Opposition ab.

Garantiert werden sollte eine konsequente Trennung von Partei- und Staatsfunktion und Lotterieveranstaltung. Nach Verkündung des Abstimmungsergebnisses rief der CDU-Abgeordnete Jung in Richtung Regierungsbank: Ihr wollt den Lotto-Sumpf nicht trockenlegen!

Die Opposition hatte wohl recht. Nicht nur, dass der Finanzminister bis heute – und nicht nur für eine Übergangs-zeit – Vorsitzender im Aufsichtsrat ist (das ist er auch in anderen Bundesländern). Der kommissarische Geschäftsführer, Günther Liebaug, wurde im Januar 1995 vom Aufsichtsrat einstimmig bestätigt. Liebaug war seit 1985 bei der Lotterie-Treuhand Prokurist gewesen, davor Mitarbeiter in der Beteiligungsabteilung des Finanzministeriums. Immerhin soll er nicht SPD-Mitglied sein.

Der Bund der Steuerzahler hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Affäre um Hessens Lotterie nicht nur der Gesellschaft geschadet hat. Das Land und damit die Bürger wurden mit mindestens 2,3 Millionen € belastet, allein an Personalkosten wie Abfindungen und Übergangsgeldern für die ehemalige Finanzministerin Fugmann-Heesing, den entlassenen Staatssekretär Geske und die früheren Lottochefs Dumschat und von Uckro.

Eine merkwürdige Visitenkarte:
Wie besprochen, Gruß, Kanther
Eine Visitenkarte des späteren Bundesinnenministers nährte den hessischen Lottoskandal erneut, und diesmal ging es gegen die CDU. Die Visitenkarte trug den handschriftlichen Vermerk: Herrn Dumschat, wie besprochen, Gruß, Kanther.

Der frühere hessische Finanzminister Manfred Kanther wollte offenbar 1988 beiden Geschäftsführern der Lotterie- Treuhandgesellschaft mbH Hessen kündigen. Fritz Rückei ging mit einer 300 000-€-Abfindung in Ruhestand. Er war SPD-Mitglied. Das war Dumschat auch, und sein Arbeitseifer galt als eher mäßig. Er war sogar zu diesem Zeitpunkt beurlaubt mit einem Beamtengehalt von rund 130000 €. Unter Kanthers Ägide wurde aus dem Beamten ein Angestellter mit Fünfjahresvertrag. Dafür musste das Land 840 000 € Pensionsrückstellungen an die Bundesanstalt für Arbeit überweisen. Alle fragten sich: Weshalb durfte Dumschat bleiben, sogar mit einem um 30 Prozent verbesserten Vertrag?

Ernst Welteke, der sich inzwischen als Nachfolger von Manfred Kanther und Annette Fugmann-Heesing die Unterlagen angesehen hatte, vermutete offenbar einen Deal. Denn die fragliche Visitenkarte war dem Personalfragebogen von Wolfgang Pralle angehängt. Dieser war am 17. Dezember 1988 bei der Gesellschaft eingegangen. Etwa zur gleichen Zeit fanden die Vertragsgespräche mit Dumschat statt. Mit dem Ergebnis, dass Dumschat bleiben durfte. Auch die Bewerbung von Pralle, so Welteke, habe sich am 1. Januar 1991 gerechnet. Pralle konnte mit diesem Datum die Bezirksstelle Offenbach übernehmen.

Im Haushaltsausschuss äußerte Welteke den Verdacht, es könne vermutet werden, dass der Gesinnungswandel des Herrn Kanther und die Tatsache, dass Herr Dumschat einen neuen Vertrag nach seinen Vorstellungen abgeschlossen habe, mit der Übergabe der Bewerbungsunterlagen des Herrn Pralle zusammenhingen. Pralle ist Mitglied der CDU, war bis dahin Ortsvorsteher von Haßloch und wohnte ganz in der Nähe von Kanther. Der Untersuchungsausschuss des Landtags kam zum Schluß, dass der Zeuge Kanther sich über seine kontrollierende Position als zuständiger Minister hinaus als Türöffner für die Besetzung von gut dotierten Bezirksleitern der Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Hessen erwiesen hat.

Bezirksleiterstellen sind wie die Posten eines Geschäfts-führers den Parteien Pfründe, mit denen gute Parteisoldaten belohnt werden. Finanzminister Welteke nannte im Haushaltsausschuss neben Pralle noch Manfred Hartmann, der 1989 das lukrative Geschäft in Hersfeld übernahm. Er war zuvor CDU-Geschäftsführer. In Hessen, verteidigte sich Kanther, gebe es 18 Bezirksgeschäftsführer; davon gehörten weniger der SPD als der CDU an. Im übrigen habe er nicht die Absicht zu prüfen, welchen Parteien die Bezirksgeschäftsführer angehörten. Der SPD-Abgeordnete Schnabel sprach den Satz der Sitzung: Offensichtlich habe die CDU in ihrer Regierungszeit den gleichen Maßstab an-gelegt, den sie den Sozialdemokraten vorwerfe.
Wahrscheinlich hatten beide Seiten recht.

Wolfgang Pralle beschäftigte die Hessen ein paar Jahre später noch einmal: Als nach der Einführung von Online die Verträge der 17 hessischen Bezirksleiter geändert werden sollten, war Wolfgang Pralle, Bezirksleiter von Offenbach, nicht mit der Kürzung der Provisionen einverstanden. Er erklärte sich allerdings im Dezember 1996 bereit, gegen Zahlung einer Abfindung auszusteigen. Aus entgangenen Provisionsvergütungen für die Jahre 1997 und 1998 errechnete er einen Betrag von einer Million €.

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