Der Fall Hoyzer – die dunkle Seite des Sportwettens

So ganz hatte sie zunächst niemand einordnen können, die Meldungen, die an diesem 22. Januar 2005 über die Nachrichtenticker liefen. Von einem „handfesten Manipulationsverdacht“ war da die Rede. Und von einem Schiedsrichter namens Robert Hoyzer, der Einfluss genommen haben soll auf die Ergebnisse von ihm geleiteter Spiele. Als noch am selben Abend Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF in Erscheinung trat und betonte, dass man „ganz klar von Betrug sprechen“ müsse, da wurde dann doch deutlich, dass mehr passiert sein musste als jene kleinen Ungereimtheiten, die viele zunächst vermuten wollten.
Und mit jedem Tag, der ins Land ging, konkretisierte sich das Bild dessen, was als einer der größten Skandale der deutschen Sportgeschichte in die Annalen eingehen sollte. Ante Sapina, einem aus dem Berliner Cafe King operierenden kroatischen Profiwetter, war es gelungen, sich durch wirtschaftliche Anreize den Jung-Schiedsrichter Robert Hoyzer gefügig zu machen der Mann, der einmal zu Deutschlands hoffnungsvollsten Schiedsrichter-Talenten gezählt wurde, hatte von ihm geleitete Spiele nach den Wünschen seiner Partner ganz gezielt beeinflusst, um größere Wettgewinne möglich zu machen. Als besonders spektakuläres Beispiel kam ein DFB-Pokalspiel auf den Tisch.
So hatte Hoyzer dem seinerzeit noch in der Regionalliga kickenden SC Paderborn mittels zweifelhafter Elfmeter sowie eines heiß umstrittenen Platzverweises gegen den belgischen Stürmerstar Emile Mpenza zu einem Überraschungscoup gegen den Hamburger SV verholten.
Man musste kein Prophet sein um zu erraten, dass noch mehr zum Vorschein kommen würde. Und es kam mehr, viel mehr. Weitere Spiele beispielsweise: Letztlich hatte die Sportgerichtsbarkeit des Deutschen Fußball-Bundes über Manipulationsvorwürfe im Zusammenhang mit nicht weniger als 16 Partien zu entscheiden.
Dazu kamen auch immer wieder neue Namen ins Spiel. Robert Hoyzer selbst nannte in einem umfassenden Geständnis seine Kollegen Dominik Marks, Felix Zwayer und Jürgen Jansen. Wobei letzterer eine noch brisantere neue Note in die Affäre brachte denn eine Verwicklung Jansens hätte unweigerlich bedeutet, dass der Wettskandal nicht nur zweite Liga, Regionalliga und DFB-Pokal erfasst hatte – auch auf das Lieblingskind Bundesliga hätte sich ein Schatten gelegt.
Diese Befürchtung immerhin bestätigte sich nicht. Wie zuvor schon Zwayer konnte sich auch Jansen im Verlauf eines langwierigen Verfahrens vor den Augen der Justiz von dem schlimmen Verdacht befreien. Ganz im Gegensatz freilich zum Dresdener Schiedsrichter-Betreuer Wieland Ziller, der vorgab, dass er jene 25.000 Euro, die er eigentlich an Jansen als Gegenleistung für wohlwollendes Verhalten im Verlauf der Bundesliga-Partie zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem SC Freiburg weiterleiten sollte, schlicht in die eigene Tasche verschwinden lassen hatte. Dass zwischenzeitlich auch Spieler wie der Paderborner Thijs Waterink und der Chemnitzer Steffen Karl wegen Verwicklung in den Skandal von ihren Vereinen auf die Straße gesetzt wurden, wäre da schon fast untergegangen.
Doch so groß das Entsetzen über die Vorkommnisse auch war, und so sehr zu befürchten ist, dass letztlich nie das volle Ausmaß dieses handfesten Betrugsfalls auf den Tisch kommen wird-eines immerhin konnten sich die Verantwortlichen aller Beteiligten auf die Fahnen schreiben: Sie hatten die Worte von DFB-Präsident Theo Zwanziger beherzigt, der bereits nach bekannt werden der Affäre angekündigt hatte, man werde die Vorkommnisse von Grund auf aufarbeiten. Auch wenn man letztlich, ähnlich wie die Justiz, ein Weilchen gebraucht hatte, bis man so recht mit den Ereignissen umzugehen lernte.
Bei seinen Untersuchungen entwickelte der Verband eine kaum gekannte Konsequenz. So wurden jene Schiedsrichter, die von den Aussagen des geständigen Hoyzer belastet wurden, bis zu einer möglichen Entlastung von ihren Aufgaben entbunden.
Bundesliga-Schiedsrichter Jürgen Jansen wurde sogar noch zwei Tage vor dem geplanten Einsatz beim Erstliga-Duell zwischen Werder Bremen und Hansa Rostock wieder abgesetzt – kehrte nach Abschluss der Ermittlungen aber immerhin wieder auf die Liste der Bundesliga-Schiedsrichter zurück.
Wem eine Beteiligung nachgewiesen wurde, der wurde mit größtmöglicher Härte bestraft. Hauptperson Hoyzer hatte schon zu Beginn des Verfahrens seinen Rücktritt als Schiedsrichter erklären müssen, wurde aber nachträglich noch auf Lebenszeit ausgeschlossen und wird damit definitiv nie wieder Fußballspiele pfeifen.
Dominik Marks wird es wohl ähnlich ergehen. Und selbst Thorsten Koop, einer jener Schiedsrichter, die den Lockrufen des Geldes letztlich widerstanden hatten, wurde zumindest für drei Monate gesperrt, weil er einen Anwerbeversuch durch Hoyzer und Marks allzu lange für sich behalten hatte.
Gleichzeitig mühte sich Sportgerichtschef Rainer Koch um Wiedergutmachung für jene, die durch die Umtriebe der wenig charakterfesten Schiedsrichter zu Schaden gekommen waren. Spiel für Spiel wurde überprüft, inwieweit wirklich objektive Falschentscheidungen zum jeweiligen Ausgang beigetragen hatten.
Einsprüche wurden verworfen Beziehungsweise akzeptiert, wie im Falle des von Hoyzer geleiteten Zweitligaspiels zwischen LR Ahlen und Wacker Burghausen, das noch einmal neu angesetzt wurde. Eine Entscheidung, die der Hamburger SV im Falle seiner verschobenen Pokalpartie gegen den SC Paderborn auch gerne gesehen hätte.
Doch mit Blick auf die Verwirrung, die eine Neuansetzung in dem bereits weiter fortgeschrittenen Wettbewerb mit sich gebracht hätte, einigte man sich auf eine außergerichtliche Entschädigung. 500.000 Euro wurden direkt auf das Konto des Bundesligisten überwiesen. Dazu partizipierten die Hanseaten mit immerhin 1,5 Millionen Euro an den Einnahmen aus dem Länderspiel zwischen Deutschland und China in der AOL-Arena.
Und natürlich bemühten sich die Verantwortlichen, eine Wiederholung solcher Betrugsfälle zumindest kräftig zu erschweren. Dazu gehörte nicht nur durch ein vom DFB-Bundestag ausgesprochenes pauschales Wettverbot für das direkt an Spielen beteiligte Personal. In Zusammenarbeit mit dem Wettpartner ODDSET einigten sich der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball-Liga neben rechtlichen auch auf technische Vorkehrungen. So beauftragte man den Anbieter „betradar*com“ mit der schnellen Entwicklung eines Frühwarnsystems. Seit Beginn der Saison 2005/06 speisen Anbieter weltweit Informationen über Wettbewegungen zu Spielen im deutschen Fußball ein – seither weist das System automatisch auf verdächtig erscheinende Wettaktivitäten hin.
Ein Maßnahmenpaket, von dessen Effizienz nicht nur der mittlerweile abgetretene DFL-Geschäftsführer Wilfried Straub überzeugt ist: „Letztlich kann man kriminelle Aktivitäten nie vollständig ausschließen“, sagte Straub, „aber wir haben ein wichtiges Zeichen für die Glaubwürdigkeit des Sports gesetzt.“

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