Das Stiftungswesen, ernst Albrechts Geldhahn abgedreht

Klar, irgend jemand muss die Arbeit machen. Aber warum gerade ich?, fragen sich täglich ausgebuffte Faulpelze. Gut, dass es eine Hierarchie gibt, und wer nicht ganz unten sitzt auf der Leiter, der kann unangenehme Jobs an andere delegieren. Der Müller hat doch gerade nichts zu tun, soll der das doch machen! Große Wirtschaftsunternehmen haben sich diese praktische Lebenshaltung des kleinen Mannes zu eigen gemacht. Dort heißt es Outsourcing. Outsourcing ist in der Wirtschaft zu einem beliebten Mittel geworden, um Kosten einzusparen. Bestimmte Aufgaben werden an Geschäftspartner delegiert, der Betrieb kann leichter kalkulieren. Der übernehmende Betrieb kalkuliert deshalb enger, und für die Beschäftigten schwinden die Möglichkeiten, Arbeit an geringer Beschäftigte des eigenen Betriebes abzuschieben.

Auch Ministerien betreiben heute Outsourcing. Sogar Lotterieerträge werden heute an andere weitergereicht, die sie verteilen sollen. Das Unbegreifliche daran ist, dass die Einrichtungen das Geld nicht etwa freudig annehmen, sondern sagen: Wenn wir euer Geld verteilen sollen, dann müßt ihr auch unsere Verwaltungskosten ersetzen! Die Ministerien aber haben ebenfalls keine Lust, die Verteilung der Millionen aus ihren Haushalten zu bezahlen. Da ist ohnehin meist Ebbe. Und so haben sich in zahlreichen Ministerien hochrangige Beamte den Kopf darüber zerbrochen, wie das zu regeln wäre. Da muss einiges an Schweiß geflossen sei. Es ist eben anstrengend, Millionäre zu machen!

Aber schließlich hatte wohl jemand eine Idee. Warum zweigen wir nicht einen Teil der Lottozweckerträge ab, um das Personal und die Bleistifte für diejenigen kaufen zu können, die uns diese anstrengende Arbeit abnehmen? Wieder müssen zahlreiche Ministerialbeamte in zahlreichen Papieren gewühlt haben, bis einer etwas fand: Nein, das geht nicht, die Zweckerträge müssen zweckgebunden vergeben werden, und das Verteilen der Zweckerträge ist kein /.weck. Also dürfen Lottomittel nicht angeknappst werden. Wieder dachten viele, viele Staatsdiener nach – und plötzlich fiel der Groschen: Klar, wir gründen Stiftungen. Denen geben wir ein Grundkapital, und aus den Zinsen sollen die dann ihre Verwaltungskosten begleichen. Natürlich bleiben die Stiftungen in unserer Hand, damit wir immer kontrollieren können, was die mit unserem Geld machen. Das muss ein Schulterklopfen gewesen sein! Vielleicht beförderte ein glücklicher Minister diesen hervorragenden Fachmann sogar.

Inzwischen lebt eine wachsende Zahl von Stiftungen aus Lotterieerträgen, solche für Kultur, Landschaftspflege, Umweltschutz und andere. Die Stiftung Niedersachsen etwa hat inzwischen 74 Millionen € angehäuft. Bis 1993 überwies Toto-Lotto Niedersachsen jährlich rund zehn Millionen €, von denen die Stiftung stets die Hälfte zurücklegte. Mit dem 1997 verabschiedeten Lotteriegesetz hat die Landesregierung die Verteilung der Mittel neu geregelt. 1999 kann die Stiftung Niedersachsen nur noch mit 2,8 Millionen € aus dem Lottotopf rechnen. Zusammen mit den Zinsen aber bewältigt sie damit nicht nur ihre Verwaltungskosten, sondern hat noch immer eine schöne Summe zu verteilen.

Eine andere Stiftung hat der Stiftung Niedersachsen heute den Rang abgelaufen, jedenfalls hinsichtlich der Zuwendungen. Die 1993 gegründete Lottostiftung bekommt annähernd acht Millionen €. Sie nimmt Aufgaben wahr, die dem Land heute wichtiger sind als die bloße Kunst. Ein SPD-Abgeordneter begründete die Ungleichbehandlung der beiden Stiftungen schon 1994 im Haushaltsausschuss: Sie sei politisch gewollt, weil der Stiftung Niedersachsen auch private Mittel zugeführt würden. Im übrigen mache die Bevorzugung der Lottostiftung vor dem Hintergrund der Erweiterung ihres Aufgabenfeldes um die Bereiche Expo/Kultur Sinn. Schon im Vorfeld der Expo 2000 sollte ein buntes und vielfältiges Kultur- und Ereignisprogramm Vorfreude auf die Weltausstellung wecken, sagte Expo-Kulturmanager Tom Stromberg. Dazu gehören auch spannende Produktionen freier Theatergruppen. Dafür war bereits 1997 ein Förderpreis über 30 000 € ausgeschrieben, getragen und finanziert von der EXPO 2000 Hannover GmbH, dem Förderkreis freie Theater e. V. und der Niedersächsischen Lottostiftung. Stromberg erklärte, der Preis sei als Ansporn für die lebendige Theaterszene der Weltausstellungsstadt gedacht.

Mit der Zuteilung eines Aufgabenfeldes wird ziemlich deutlich, wie sehr die Politik die Lotterie zur eigenen Disposition stehend betrachtet. Aus der Höhe der Zuwendung wurde ein Staatsgeheimnis gemacht. Die Stiftung selbst hält die Herausgabe jeglicher Zahlen bezüglich der Mittelverwendung für wenig sinnvoll, so Stiftungsleiter Frank Seidel. Die geben wir nicht raus. Auch bei der Expo wollte man nichts sagen, solange die Verträge nicht unterschrieben sind.

Interessant ist: Die Stiftung erhielt zunächst als Einlage drei Millionen €, die ungeschmälert zu erhalten sind – natürlich aus Lotterieerträgen. Die sollen eigentlich unmittelbar eingesetzt und für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Statt dessen erzielt auch die Niedersächsische Lottostiftung nach dem inzwischen üblichen Modell aus den Einsätzen der Spieler Zinserträge, die dazu dienen, die Verwaltungskosten abzudecken.

Dass die Expo aus Lotteriemitteln gesponsert wird, hat Tradition in Hannover. Der Landesrechnungshof hatte bereits bei früheren Prüfungen beanstandet, dass ein gewerbliches Messeunternehmen, an dem das Land beteiligt ist, 10 000 (1988) und 50 000 € (1990) für eine Kunstausstellung im Rahmen einer Messe erhalten hatte. Ein weiteres Messeunternehmen, an dem das Land ebenfalls beteiligt ist, bekam unter anderem nachträglich eine Vollfinanzierung für ein Verkehrsgutachten (64 000 €) und außerdem 50 000 € für Imagewerbung niedersächsischer Unternehmen. Die Lottogesellschaften, so der Rechnungshof, leisteten damit aus Lotterieerträgen einen Beitrag zur Verbessrung des Geschäftserfolgs des Messeunternehmens; zugleich förderten sie Interessen eines Teils der niedersächsischen Wirtschaft. Beides kann nicht allgemeiner Billigung im Sinne der Lotterieverordnung sicher sein.

Eine Anfrage des damaligen Grünen-Abgeordneten Jürgen Trittin mag vielleicht eine zusätzliche Erklärung dafür liefern, warum die Stiftung Niedersachsen im inzwischen seit acht Jahren von der SPD regierten Land kürzer gehalten wird: Trittin bemerkte 1989, als noch die CDU regierte, dass dem Beirat der Stiftung eine Reihe von CDU-Landesministern angehöre. Die Antwort der damaligen Finanzministerin Birgit Breuel, die darauf hinwies, dass Zweckerträge kraft Gesetzes keine öffentlichen Mittel seien, entbehrt nicht einer gewissen Komik: Ich muss bekennen, dass mir nicht bekannt ist, welchen Parteien die einzelnen Mitglieder der Stiftung angehören. Ein weiterer Nachfrager wollte wissen, ob es zutreffe, dass auch sie, Frau Breuel, dem Stiftungsrat angehöre, und welche sonstigen Mitglieder der Landesregierung dort säßen. Breuel antwortete so: Herr Schörshusen, wenn Sie damit fragen wollen, welcher Partei ich angehöre Lachen bei den Grünen], dann muss ich Sie darauf hinweisen, dass für diese Frage das Datenschutzgesetz nicht gilt. Ich gehöre der CDU an. […] Es mag noch einige mehr geben, die der CDU angehören. Die werde ich aber hier nicht nennen, weil dies dem Datenschutz unter-liegt. Und so ist diese Geschichte auch eine der Politik: Die niedersächsische Landesregierung vertraute die Lottomillionen lieber der Lotteriestiftung an, denn dort hielten Gerhard Schröder und der SPD-treue Reinhard Scheibe die Zügel in der Hand. Bei der Stiftung Niedersachsen heißt der Präsident dagegen noch heute Ernst Albrecht, bis 1990 Ministerpräsident der CDU-geführten Regierung.

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